Im russischen Krieg gegen die Ukraine hält der Kreml seit dem Beginn vor dreieinhalb Jahren seine echten Kriegsziele geheim. Was nach außen dringt, ist oft unwahr, widersprüchlich oder unglaubhaft.
Dennoch weiß auch die Führung um Wladimir Putin, dass sie, um auf dem diplomatischen Parkett weiter mittanzen zu können, zumindest nicht offen sagen darf, dass sie gerne die komplette Ukraine erobern will.
Die offizielle Variante des Kremls lautet daher, dass nur ein gewisser Teil der Ukraine annektiert werden soll.
Nur: Zum einen vertrauen zumindest im Westen die meisten Expert:innen dem Kreml nicht mehr – zum anderen hat die russische Regierung nun vielleicht sogar selbst verraten, dass sie noch mehr Regionen als offiziell kommuniziert erobern möchte. Film ab für das russische Verteidigungsministerium.
Für Aufsehen sorgt ein Clip des russischen Verteidigungsministeriums. Darauf zu sehen ist Generalstabschef Waleri Gerassimow, wie er am 30. August über das weitere Vorgehen im Krieg in der Ukraine redet.
Dabei geht er laut dem Portal "Kyiv Independent" auf die Frühlings-Sommer-Kampagne der russischen Armee ein und erklärt, wie der Plan aussieht. Gerassimow betont, dass Moskau sowohl an der Front als auch mit Luftangriffen auf ukrainische Städte weitermachen werde – alles grausame Normalität. Doch besonders ist vor allem ein Detail, das auffällt.
Laut dem "Kyiv Independent" weist eine Karte im Hintergrund auf mögliche Ambitionen hin, die bisherige öffentliche Forderungen Russlands hinausgehen: Neben den bereits öffentlich von Russland geforderten ukrainischen Regionen Donezk, Luhansk, Cherson und Saporischschja sind auch Odessa und Charkiw markiert.
Bisher kontrolliert Russland demnach nur etwa vier Prozent der Region Charkiw, während Odessa vollständig unter ukrainischer Kontrolle steht.
Die strategische Bedeutung beider Gebiete sei enorm: Mit der Einnahme würde Moskau die Kontrolle über die Schwarzmeerküste, wichtige Transportwege und industrielle Zentren erlangen – Ziele, die laut dem "Kyiv Independent" schon lange auf der Wunschliste des Kremls stehen.
Ob die Karte ein tatsächlicher Hinweis auf neue Pläne oder nur ein symbolisches Statement ist, bleibt unklar.
Und auch wenn: kritische Beobachter:innen dürften ohnehin nicht davon überrascht sein, dass der Kreml auf mehr Gebiete aus ist, als er öffentlich zugibt.
Dennoch können derlei Hinweise natürlich stets eine Rolle spielen, wenn beim nächsten Mal über Feuerpausen und Frieden verhandelt wird.
Besonders US-Präsident Donald Trump, der bei Annäherungen zwischen Russland und der Ukraine eine zentrale Rolle einnehmen könnte und Kremlchef Wladimir Putin üblicherweise sehr viel glaubt, könnte sein Vertrauen womöglich hinterfragen, wenn er derlei Pläne des Kremls sieht.
Andererseits: Ausgerechnet Trump ist es, der Ukraine-Präsident Wolodymyr Selenskyj bereits klargemacht hat, dass ohne Gebietsabtretungen der Ukraine in seinen Augen kein Frieden zu schließen ist. Ihn dürfte es erfahrungsgemäß herzlich wenig interessieren, ob es sich am Ende um ein oder zwei Gebiete mehr oder weniger dreht.