Am 16. Februar musste Alexej Nawalny sein Leben lassen. In einer russischen Strafkolonie verstarb der wohl bekannteste Gegner von Präsident Wladimir unter mysteriösen Umständen. Ein Tod, der vielen Menschen, die sich in dem Land gegen den Krieg oder den Machthaber richten, bestürzt hat.
Nawalny setzte sich öffentlichkeitswirksam gegen den Ukraine-Krieg und gegen die Machtstrukturen in Russland ein. Selbst als der russische Oppositionsführer im Gefängnis saß, ließ er sich nicht mundtot machen. Er kommunizierte mithilfe seiner Anwälte mit der Öffentlichkeit.
Seine Witwe Julia Nawalnaja will den Kampf ihres Ehemanns fortsetzen. Zwei Monate nach seinem Tod wurde sie vom renommierten "Time"-Magazin zu einer der 100 einflussreichsten Persönlichkeiten dieses Jahres gewählt. Dem Medium gab sie das erste Interview nach Nawalnys Tod und verrät, in welcher Situation sie zum letzten Mal seine Stimme hören durfte.
Zudem äußert sie eine Theorie zu Wladimir Putin und spricht über ihren Kampf gegen den Kreml-Machthaber.
"Wenn sie denken, dass sie Alexej töten können und die Sache dann erledigt ist, dann irren sie sich", sagt Julia Nawalnaja in dem Interview mit der "Time", das auch vom unabhängigen russischen Exilmedium "Meduza" in voller Länger veröffentlicht wurde. Ob ihr Ehemann gewollt hätte, dass sie seinen Kampf weiterführt, wisse sie nicht. Das sei ihr auch egal. Zu ihren Beweggründen sagt sie:
Sie geht so weit, dass sie fordert, die Welt müsse aufhören, Putin wie einen Politiker zu behandeln. Über den Kreml-Machthaber sagt Nawalnaja: "Er hat schon vor langer Zeit aufgehört, Politiker zu sein. Er ist der Anführer einer organisierten Kriminalitätsgruppe."
Nach ihren Worten seien alle wichtigen Akteure um ihn herum Kriminelle. Damit spielt sie etwa auf Kriegsverbrechen an und findet, dass seine kriminellen Aktivitäten mit Geld finanziert werden, das dem russischen Volk "gestohlen" werde. Das Armutsproblem in dem Land werde immer schlimmer.
Wie er das macht? Propaganda, in die er viel "Geld und Ressourcen" investiere. Daher sieht Nawalnaja ihre Hauptaufgabe klar: Die Anti-Korruptions-Tätigkeit, um "wahrheitsgemäße Informationen an die Menschen zu bringen".
Das ist es auch, was ihr Mann getan hat. Und der Grund, warum die Mächtigsten in Russland ihn loswerden wollten. Nach einer versuchten Tötung durch Vergiftung war Nawalny am 17. Januar 2021 wieder nach Russland zurückgekehrt, wo er umgehend festgenommen wurde. Dort war er bis zu seinem Tod im Februar 2024 in verschiedenen Straflagern inhaftiert.
Während Nawalnaja ihren Ehemann anfangs noch ab und zu besuchen konnte, war es später nicht mehr erlaubt. Das letzte Mal war Mitte Februar 2022. Seit Beginn des Krieges konnte sie demnach nicht einmal mehr ein normales Gespräch mit ihm am Telefon führen: "Vielleicht ein- oder zweimal, ganz kurz. Aber im Gefängnis ist das Telefonieren etwas anderes. Ich habe gehört, dass das Gespräch aufgezeichnet wurde und mehrere [Gefängniswärter] neben ihm standen."
Dabei sei es nur darum gegangen, seine Stimme zu hören. Informationsaustausch gab es nicht wirklich. Sie erzählt im Interview außerdem von dem emotionalen Moment, als sie das letzte Mal seine Stimme an sie gerichtet hörte:
Dass er tot sei, hörte sie über die Nachrichten.
Vor seinem Tod verbrachte Nawalny zwei Monate in einem arktischen Gefangenenlager. Offenbar liefen im Hintergrund Verhandlungen zum Gefangenenaustausch, wie im Februar kurz nach dem Tod bekannt wurde. Der Oppositionspolitiker sollte nach Aussagen seines Teams gegen den in Deutschland inhaftierten "Tiergartenmörder" Wadim Nikolajewitsch Krassikow ausgetauscht werden.
Dass Putin dies tatsächlich vorhatte, glaubt Nawalnaja nicht. Auf die Frage, ob sie einen Zusammenhang zwischen dem Tod Nawalnys und den Austauschverhandlungen sieht, antwortet sie: "Ich bin fest davon überzeugt, dass wir eines Tages nicht nur Annahmen haben, sondern auch genau wissen werden, wer es wie und warum getan hat." Bis dahin hat sie ihre eigene und aus ihrer Sicht wahrscheinlichste Theorie:
Sie glaubt, dass Putin seit der Festnahme Nawalnys nie die Absicht hatte, ihn freizulassen. Als dem Kreml-Machthaber die Situation zu heiß wurde und ihm klar wurde, dass Krassikow nur dann freikommen würde, sobald Nawalny in Sicherheit wäre, "beschloss er sofort, ihn zu töten", ist Nawalnaja überzeugt.
Nun werde Nawanaja alles tun, was in ihrer Macht stehe, um sich gegen Putin und seine Machtstrukturen einzusetzen. Wie ihr verstorbener Ehemann, der niemals den Mut verloren und so zahlreichen Menschen Hoffnung geschenkt habe.