Die Bilder nach der Rückeroberung von Butscha gehen um die Welt.Bild: dpa
Russland
03.04.2022, 16:2608.06.2022, 17:23
Massengräber, mit Leichen übersäte Straßen und völlige Zerstörung – dramatische Berichte und Aufnahmen aus den von der ukrainischen Armee zurückeroberten Gebieten bei Kiew haben international für Entsetzen gesorgt. Erst kurz vor Bekanntwerden des Massakers hatte die Ukraine verlauten lassen, im Gebiet um die Hauptstadt Kiew mehr als 30 Dörfer zurückerobert zu haben.
In Butscha wurden danach laut Angaben der ukrainischen Behörden fast 300 Leichen gefunden. Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichteten, dass zahlreiche Tote zivile Kleidung getragen hätten. Sie sahen auf einer einzigen Straße in Butscha mindestens 20 Leichen liegen. Mindestens einem der Toten waren die Hände gefesselt.
"Alle diese Menschen wurden erschossen", sagte Bürgermeister Anatoly Fedoruk. "Sie haben sie mit einem Schuss in den Hinterkopf getötet." Es stünden Autos auf den Straßen, in denen "ganze Familien getötet wurden: Kinder, Frauen, Großmütter, Männer". Nach Angaben des Bürgermeisters mussten 280 Menschen in Butscha in Massengräbern beigesetzt werden, da die drei städtischen Friedhöfe noch in Reichweite des russischen Militärs lagen.
Der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak teilte auf Twitter ein Foto von drei toten Männern, einer hatte die Hände hinter den Rücken gefesselt.
Scholz fordert Aufklärung nach Massaker von Butscha
Bundeskanzler Olaf Scholz hat dem russischen Militär Verbrechen in der Ukraine vorgeworfen und schonungslose Aufklärung gefordert. "Ich verlange, dass internationale Organisationen wie das Internationale Komitee vom Roten Kreuz Zugang erhalten zu diesen Gebieten, um die Gräueltaten unabhängig zu dokumentieren", erklärte der SPD-Politiker am Sonntag in Berlin. Und weiter:
"Diese Verbrechen des russischen Militärs müssen wir schonungslos aufklären."
Täter und Auftraggeber müssten zur Rechenschaft gezogen werden. Das Wort Kriegsverbrechen benutzte er in der Stellungnahme nicht. Scholz forderte Russland zum wiederholten Mal auf, "endlich in einen Waffenstillstand einzuwilligen und die Kampfhandlungen einzustellen".
Baerbock und Habeck kündigen härtere Sanktionen an
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock kündigte härtere Sanktionen gegen Russland und weitere Hilfen für das ukrainische Militär an und sprach von "unerträglichen" Bildern und, dass "Putins hemmungslose Gewalt" keine Grenzen kenne.
Auch ihr Grünen-Kollege und Wirtschaftsminister Robert Habeck meldete sich zu Wort: "Dieses furchtbare Kriegsverbrechen kann nicht unbeantwortet bleiben", so Habeck gegenüber "Bild". "Ich halte eine Verschärfung der Sanktionen für angezeigt. Das bereiten wir mit unseren Partnern in der EU vor."
Welche Sanktionen das sein werden, das ist noch unklar. Klar ist nur: "Butscha muss Auswirkungen beim fünften Sanktionspaket haben", so Habeck weiter. Außerdem wolle man die Ukraine noch stärker bei ihrer Verteidigung unterstützen.
Auch der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba hat härtere Sanktionen der G7-Staaten gegen Russland gefordert. "Das Massaker von Butscha war vorsätzlich. Die Russen zielen darauf ab, so viele Ukrainer wie möglich auszulöschen", schrieb Kuleba am Sonntag auf Twitter. "Wir müssen sie aufhalten und rausschmeißen."
Konkret forderte Kuleba von den sieben führenden demokratischen Wirtschaftsmächten ein Öl-, Gas- und Kohle-Embargo gegen Russland, einen Ausschluss aller russischen Banken aus dem Banken-Kommunikationsnetzwerk Swift sowie eine Schließung aller Häfen für russische Schiffe und Waren.
Klitschko wirft Russland "Völkermord" vor
"Das, was in Butscha und anderen Vororten von Kiew passiert ist, kann man nur als Völkermord bezeichnen", sagt Bürgermeister Klitschko der "Bild". In Berlin macht Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Moskau direkt für schwere Kriegsverbrechen verantwortlich. "Die Bilder aus Butscha erschüttern mich", so der langjährige SPD-Außenminister. "Sie erschüttern uns zutiefst." Die EU will ihre Sanktionen jetzt nochmals verschärfen und später die Verantwortlichen für das Massaker auch vor Gericht bringen.
Kreml schweigt zu Vorwürfen
Aus dem Kreml gibt es zu den Vorwürfen in den ersten Stunden kein Wort, auch vom russischen Verteidigungsministerium nicht. Doch die russische Opposition sieht die Verantwortung ebenfalls bei Präsident Wladimir Putin. "So sieht die von Putin arrangierte "Verteidigung der russischen Welt" aus", meint die Sprecherin des inhaftierten Kremlgegners Alexej Nawalny, Kira Jarmysch. Was in Butscha geschehen sei, habe nichts mit Krieg zu tun. "Krieg bedeutet einen mehr oder weniger gleichberechtigten Kampf zwischen beiden Seiten – das aber ist Völkermord."
(jab mit Material von dpa und afp)
Seit über 1000 Tagen herrscht bereits Krieg in der Ukraine. Und das, obwohl der russische Präsident Wladimir Putin das kleinere Nachbarland binnen weniger Tage einnehmen wollte. Nach bald drei Jahren herrscht eine enorme Kriegsmüdigkeit – nicht nur in der Ukraine.