Schweden galt lange Zeit als eines der fortschrittlichsten Länder weltweit beim Übergang von Bargeld zur Kartenzahlung – selbst kleine Beträge werden dort fast ausschließlich digital beglichen.
Viele Geschäfte, Restaurants und sogar öffentliche Toiletten akzeptieren gar kein Bargeld mehr und mobile Zahlungsdienste sind allgegenwärtig. Einige Expert:innen rechneten lange gar damit, dass Bargeld in wenigen Jahren kaum noch eine Rolle spielen wird, da digitale Zahlungsmethoden immer stärker dominieren.
Doch mit dieser Entwicklung ist anscheinend mittlerweile Schluss, die Zukunft muss warten. Bargeld ist zwar weiterhin nicht sexy – bietet aber einen anderen entscheidenden Vorteil, den die Menschen in Schweden immer mehr zu schätzen wissen.
Neu entdeckt haben die Schwed:innen ihre Liebe für Bargeld erst vor einiger Zeit. Ausgerechnet Russlands Einmarsch in die Ukraine 2022 und die drohende Gefahr aus Moskau für den ganzen europäischen Kontinent brachten die skandinavischen Modernisierungsvorreiter zum Umdenken.
Denn Russland ist nicht nur bekannt für seine konventionelle Kriegsführung, für physische Angriffe zu Land, zur Luft und zu Wasser. Unter Wladimir Putin zählt nämlich die sogenannte "hybride Kriegsführung" zu Russlands Standard-Repertoire. Darunter fallen auch Cyberangriffe.
Bereits in der Vergangenheit nahm Russland Einfluss auf Wahlen, etwa 2016 in den USA. 2015 wurde auf diese Weise der Bundestag ausspioniert. Doch seit dem Krieg in der Ukraine ist die Anzahl von Cyberangriffen immer weiter gestiegen und viele von ihnen werden Russland zugerechnet.
Vor dem Hintergrund Russlands immer aggressiverer Rhetorik gegenüber Europa fürchten vor allem die baltischen und skandinavischen Länder, dass sie nach der Ukraine die nächsten russischen Ziele sein könnten. Gerade die auf Online- und Kartenzahlung ausgelegte Infrastruktur in Schweden könnte Moskau mit Cyberangriffen ausnutzen.
Um diesem Risiko entgegenzuwirken, empfiehlt nun sogar die schwedische Regierung ihren Bürger:innen, mehr Bargeld zu nutzen, wie der "Guardian" berichtet.
Unter anderem hat das Verteidigungsministerium den Schwed:innen eine Broschüre mit dem Namen "Wenn die Krise oder der Krieg kommt" zugesendet, in der den Menschen geraten wurde, regelmäßig Bargeld zu verwenden. Für den Fall der Fälle sollten die Bürger:innen auch einen Mindestvorrat an Bargeld für eine Woche aufbewahren, um ihre "Bereitschaft zu stärken".
Auch die schwedische Zentralbank schließt sich demnach der Empfehlung an und erklärte, jahrelang habe die Effizienz im Zahlungsverkehr im Vordergrund gestanden, doch Sicherheit und Zugänglichkeit seien nun "mindestens genauso wichtig".
Die Zentralbank fordert zudem von der Regierung, dass sowohl öffentliche und private Organisationen dazu verpflichtet werden sollten, Bargeldzahlungen zu akzeptieren. In Norwegen gibt es laut dem "Guardian" ähnliche Vorkehrungen in Schweden. Auch dort hält die Regierung die Bevölkerung dazu an, Bargeld bei sich zu haben.