Mit großen Vorschusslorbeeren angepriesen und beinahe zum Rohrkrepierer mutiert, ist das Interview zwischen Elon Musk und Donald Trump am frühen Montagmorgen über die Bühne gegangen. Der reichste Mann der Welt wollte dem republikanischen Präsidentschaftskandidaten auf X die größtmögliche Plattform bieten. Doch zunächst streikte die Technik. Als der Stream dann lief, erhielten die Lügen freien Lauf.
Als "größtes Interview des Jahrhunderts" hatte Tech-Milliardär Musk die Plauderei vorab beworben. Der journalistisch unberührte Südafrikaner ließ Trump quer durch die Bank unwidersprochen schwadronieren. Dabei kratzten die beiden Themen von Energiepolitik, Bildung, Migration, Wahlrivalin Harris, das vereitelte Attentat bis hin zu Trumps Beziehung zu Diktatoren an.
Bevor die beiden aber gegen 2 Uhr nachts deutscher Zeit starten konnten, schauten die Zuhörer erstmal in die Röhre. Technische Probleme machten der Audioplattform "Spaces", einer Anwendung von Musks Kurznachrichtendienst X, nicht zum ersten Mal Probleme. Bereits bei der Verkündung von Ron DeSantis als US-Präsidentschaftsbewerber waren die Server abgestürzt. Nun erlebte Musk eine weitere 42-minütige Blamage.
Für die Verbindungsprobleme sah Musk einen sogenannten DDoS-Angriff verantwortlich. Dabei fluten böswillige Nutzer:innen einen Server im Kollektiv, um ihn durch Überlastung zum Absturz zu bringen. Laut Trump waren es Millionen seiner Fans, die die Kapazitäten überlasteten.
Als der Stream endlich funktionierte, sagte der Ex-Präsident zu Musk: "Ich hoffe, du wirst nicht nervös. Eine Menge Leute hören zu, 60 Millionen." Am Bildrand stand die tatsächliche Zuhörerzahl: 1,1 Millionen.
Zum Auftakt der zweistündigen Online-Sitzung sprach Trump, entgegen seiner Ankündigung, 20 Minuten lang über das versuchte Attentat in Butler, Pennsylvania, auf ihn: "Ich wusste, dass ich im Ohr getroffen wurde, aber sie (der Secret Service, Anm. d. Red.) waren sicher, dass ich an mehreren Stellen getroffen wurde. Da war so viel Blut." Erkenntnisgewinn: Fehlanzeige.
Auch Trumps Wahrnehmung der Reaktion im Publikum ließ stutzen: "Niemand wusste, ob ich am Leben war. Als sie meine Faust sahen, waren sie erleichtert und glücklich und begeistert. Der ganze Platz flippte aus." Musk pries Trumps Reaktion auf die Schüsse in höchsten Tönen: "Man kann Mut in so einer Situation nicht vortäuschen. Das ist keine einstudierte Aktion."
Punkten kann Trump bei seinen Anhänger:innen am ehesten mit der Einwanderung. Gegenüber Musk wiederholte er die Lüge, dass während Bidens Amtszeit "16, 17 Millionen illegale Einwanderer" über die mexikanische Grenze gekommen seien. Davon seien viele gemeingefährliche Straftäter:innen, Psychopath:innen und Ex-Häftlinge. Musk unterlegte den Monolog mit zustimmendem Gemurmel.
Im Zwiegespräch mit Musk widmete sich Trump wieder einmal seiner Beziehung zu ausländischen Diktatoren. Wladimir Putin und Kim Jong-un bezeichnete er anerkennend als "Smart und bösartig." Russlands Präsident sei zudem ein "herausragender Verhandler".
Nur Trump selbst sei ihm gewachsen. Als Putin in seiner Amtszeit schon einmal in der Ukraine einmarschieren wollte, habe ihn Trump davon abgehalten. "Ich sagte ihm 'tu's nicht. Du darfst es nicht tun, Wladimir."
Noch skurriler wurde es, als die beiden auf die demokratische Präsidentschaftskandidatin zu sprechen kamen. Harris, deren plötzliche Nominierung Trump bisher vor ungelöste wahlkampfstrategische Problem stellt, bekam bisher zumeist Beleidigungen und falsche Vorwürfe von Trump zu hören.
Nun schlug ihr Rivale aber ganz neue Töne an. Mit Blick auf das neuste Titelbild der "Times" stellte Trump einen unerwarteten Vergleich auf: "Sie sieht sehr wie eine großartige First Lady aus – Melania. Natürlich ist sie eine schöne Frau, also belassen wir es dabei."
Musk, der die meiste Zeit damit verbrachte, Trump unkritisch zuzustimmen, wurde erst beim Thema Energie und Klimawandel lebendig. Ab einem gewissen Anteil CO₂ in der Atmosphäre werde es "schwer zu atmen". Musk bezeichnete die zunehmende Kohlenstoffkonzentration als "industrielle Bedrohung".
Musk warb dafür, "eher schneller als langsamer" zu einem Stopp der Treibhausgasemissionen zu gelangen, warnte aber davor, die fossilen Energieformen "zu verteufeln". Einen Lacher entlockte er Trump, mit dem Hinweis, dass Klimaschutz "sexy" bleiben müsse: "deshalb habe ich die Tesla-Modelle S, E, X und Y genannt. Wahrscheinlich der teuerste Witz aller Zeiten."
Die Möglichkeit nutzte Trump, um Musks Ego zu streicheln: "Dein Produkt ist unglaublich." Musk spielte den Ball zurück und bot seine Hilfe in wirtschaftlichen Fragen an. Er könne sich eine Kommission vorstellen, die Regierungshandeln effizienter gestalte: "Ich würde da gern mitarbeiten". Trump antwortete ausweichend: "Du bist der Größte."
Von Details im Klimaschutz habe Trump nach eigener Aussage "keine Ahnung. Das ist nicht meine Welt". Statt globaler Erwärmung sei die "nukleare Erwärmung" eine "viel größeres Problem".
Besonders warnte er vor der rasanten Atomwaffen-Aufrüstung in China: "Die sind noch weit hinter uns, aber die entwickeln sich sehr schnell. Die haben uns bald eingeholt."