Die Kanzlerin zu versetzen, das ist eine Ansage. Umso mehr, wenn man sich noch nie zuvor bei der mächtigsten Frau Europas hat blicken lassen und den Termin im Kanzleramt nur ganz knapp vor dem vereinbarten Zeitpunkt absagt. US-Außenminister Mike Pompeo hat genau dies getan - und damit Klagen über das derangierte deutsch-amerikanische Verhältnis Vorschub gegeben.
Pompeo ist seit gut einem Jahr Chefdiplomat der USA. Er war in der Zeit viel unterwegs, hat mehr als 420.000 Flugkilometer zurückgelegt und fast 40 Länder besucht. Deutschland - das wirtschaftsstärkste und bevölkerungsreichste Land Europas - war bislang nicht dabei.
Am Dienstag sollte Pompeo erstmals Deutschland besuchen, als Teil einer mehrtägigen Tour durch Europa. Ein Treffen mit Außenminister Heiko Maas (SPD) war in Berlin geplant - und eben auch ein Gespräch mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU), die im Übrigen rein protokollarisch weit über Pompeo rangiert. Doch nur wenige Stunden vor seiner geplanten Ankunft in Berlin sagte der Amerikaner ab. Die zunächst knappe Begründung der US-Seite: "dringende Angelegenheiten".
Über Stunden war der Außenminister abgetaucht. Im US-Fernsehen lief den halben Tag lang die nagende Frage über die Laufbänder: "Wo ist Mike Pompeo?" Sein Ministerium schwieg beharrlich, Gerüchte über Pompeos Reiseziel machten die Runde. Wie so oft in diesen Fällen stundenlanger Funkstille tauchte Pompeo später in einem Krisengebiet wieder auf: im Irak. Aus Sicherheitsgründen werden solche Reisen bis zuletzt strengstens geheimgehalten.
Grund für Pompeos überstürzten Trip in den Irak sind die wachsenden Spannungen mit dem Nachbarland Iran. Die US-Regierung hatte am Wochenende verkündet, als militärische Warnung an Teheran einen Flugzeugträger und eine Bomberstaffel in Richtung Iran zu verlegen. Hintergrund seien "beunruhigende und eskalierende Anhaltspunkte und Warnzeichen". Was genau diese Bedrohungen sind, dazu hält sich die US-Regierung sehr bedeckt. Aus dem Pentagon heißt es nur knapp, es habe klare Hinweise gegeben, dass der Iran Vorbereitungen für mögliche Angriffe auf US-Kräfte in der Region getroffen habe.
Auch Pompeo wich Nachfragen dazu am Dienstag aus. Auf seinem Flug nach Bagdad sagte er vor mitreisenden Journalisten, er habe mit der irakischen Regierung direkt über die Bedrohungen aus dem Iran reden wollen und über die Unabhängigkeit des Irak - auch in Sachen Energie.
Am Montagabend habe er noch mit US-Präsident Donald Trump über den anstehenden Trip in den Irak geredet, erzählte Pompeo.
Seinen Amtskollegen Maas rief Pompeo erst am Dienstag an, um seine Absage zu erklären - und sein Bedauern darüber. "Er hat das voll verstanden", sagte Pompeo. "Ich habe ihm versprochen, dass wir das nachholen."
Aber wie dringlich war der Besuch, wenn die "Bedrohungen" durch den Iran den Amerikanern schon am Wochenende bekannt waren und zu den militärischen Schritten führten? Und war der Tag des Berlin-Besuches die einzige Option bei Pompeos mehrtägiger Europa-Reise, um einen Abstecher in den Irak zu machen?
Die Amerikaner wollen die Berlin-Absage keinesfalls als Zeichen der Geringschätzung für das transatlantische Verhältnis verstanden wissen. Im Gegenteil. Die Pompeo-Aktion passt dennoch irgendwie ins Bild: Seit Trumps Amtsantritt 2017 ist die Beziehung zwischen Deutschland und den USA angespannt. Regelmäßig wirft Trump dem Nato-Partner Deutschland vor, zu wenig für das Militär auszugeben. Die US-Regierung kritisiert vehement auch das deutsch-russische Pipeline-Projekt Nord Stream 2 und droht mit Strafzöllen wegen des deutschen Handelsüberschusses.
In seinen mehr als zwei Jahren im Amt war Trump noch nie zum einem bilateralen Besuch in Deutschland. Im Juli 2017 nahm er am G20-Gipfel in Hamburg teil, und im Dezember machte er auf dem Rückflug aus dem Irak einen kurzen Zwischenstopp auf dem Militärstützpunkt Ramstein bei Kaiserslautern. Aber zu politischen Gesprächen mit der Bundesregierung hat es den US-Präsidenten bislang nicht nach Deutschland gezogen. Nicht ein einziges Mal in mehr als 27 Monaten.
Merkel war in der Zeit zwar schon mehrfach in Washington zu Besuch. Bei ihrem nächsten Trip in die USA Ende Mai macht aber auch sie einen Bogen um die US-Hauptstadt. Die Kanzlerin wird eine Rede bei der Abschlussfeier der Elite-Universität Harvard halten. Einen Abstecher zu Trump ins etwa 700 Kilometer entfernte Weiße Haus plant sie aber nicht. Terminprobleme - heißt es.
Anderweitige Termine hatte nun eben auch Pompeo. Wann sein Besuch in Deutschland nachgeholt wird, ist unklar. Vom Irak aus reiste Pompeo weiter Richtung London. Am Donnerstag sollte eigentlich ein Stopp in Grönland folgen. Am Mittwoch sagte der grönländische Vize-Außenminister Kenneth Høegh aber, auch dieser Besuch sei gestrichen und auf unbestimmte Zeit verschoben worden. Einen Grund für die Absage nannte Høegh nicht. Das US-Außenministerium äußerte sich zunächst nicht zu Pompeos weiterem Programm.
Schon im Februar war der US-Außenminister tagelang durch Europa getourt, hatte Polen, die Slowakei, Ungarn, Belgien und Island besucht, auf eine Teilnahme an der Münchner Sicherheitskonferenz zur gleichen Zeit aber verzichtet. Kollidierende Termine eben.
(pb/dpa)