Donald Trump waren die Gefahren des Coronavirus bewusst – er spielte sie absichtlich herunter.Bild: reuters / SARAH SILBIGER
USA
Knapp zwei Monate vor der Wahl in den USA
hat sich Präsident Donald Trump selbst in Bedrängnis gebracht durch
sein Eingeständnis, die Corona-Gefahr heruntergespielt zu haben.
Trump sagte am Mittwoch (Ortszeit) in Washington zu seiner
Verteidigung, er habe damit Panik vermeiden und Führungsstärke zeigen
wollen. Zuvor hatten erstmals veröffentlichte Mitschnitte aus
Interviews zu Beginn der Pandemie den Präsidenten in Erklärungsnot
gebracht.
Sein Herausforderer im Rennen ums Weiße Haus, der Demokrat
Joe Biden, warf Trump umgehend vor, das amerikanische Volk belogen zu
haben und für den Tod Zehntausender US-Bürger verantwortlich zu sein.
Trump hatte die Interviews dem bekannten Investigativjournalisten
Bob Woodward für ein neues Buch gegeben. In einem Mitschnitt vom 19.
März ist zu hören, wie Trump nach der Einleitung "Um ehrlich mit
Ihnen zu sein, Bob" über die Coronavirus-Situation sagt:
"Ich wollte es immer herunterspielen. Ich spiele es auch immer noch gern herunter, weil ich keine Panik erzeugen will."
In einem Gespräch am 7. Februar sagte Trump den Aufnahmen zufolge
über das Virus: "Das ist tödliches Zeug." Menschen müssten nicht erst
Kontaktflächen anfassen, um sich anzustecken: "Man atmet einfach Luft
ein, und das ist, wie es sich überträgt." Die Krankheit sei auch
"tödlicher" als eine schwere Grippe, die pro Jahr 25.000 bis 30.000
Amerikaner das Leben koste. Am Mittwoch überschritt die Zahl der
Corona-Toten in den USA die Marke von 190.000.
Biden warf Trump ein "beinahe kriminelles" Verhalten in der
Corona-Krise vor. Der 77-Jährige sagte dem Sender CNN in einem am
Mittwochabend vorab in Auszügen veröffentlichten Interview, Trumps
Verhalten sei "abscheulich". Bei einem Auftritt in Michigan
kritisierte Biden, Trump habe das amerikanische Volk über das Virus
belogen, dadurch seien Menschen gestorben. "Er wusste, wie tödlich es
ist und hat es gezielt heruntergespielt." Biden will Trump bei der
Wahl am 3. November bezwingen.
Trump verteidigt sich
Trump sagte am Mittwochabend im Sender Fox News: "Ich bin ein
Cheerleader für dieses Land, und ich will keine Panik sehen." Als
Präsident trage er besondere Verantwortung: "Ich bin der Anführer
dieses Landes, ich kann nicht auf und ab springen und die Menschen
verängstigen." Er betonte, er habe frühzeitig einen Einreisestopp für
Reisende aus China und der EU erlassen, der etliche Menschenleben
gerettet habe. Trump lobte zugleich das Krisenmanagement seiner
Regierung. "Wir haben unglaubliche Arbeit geleistet."
Besonders zu Beginn der Pandemie hatte Trump
Covid-19-Erkrankungen wiederholt mit einer Grippe-Infektion
verglichen. Auch behauptete er öffentlich, dass die Sterberate
niedriger als bei einer Grippe sei - und hielt im Frühjahr mehrere
Wahlkampfveranstaltungen mit Tausenden Anhängern ab. Mehrfach stellte
er in Aussicht, dass das Virus eines Tages einfach wieder
verschwinden werde.
In den USA berichteten in den vergangenen Monaten Angehörige von
Verstorbenen wiederholt, dass diese das Virus nicht ernst genug
genommen hätten. Beim Parteitag der Demokraten im August sorgte der
Auftritt einer Frau für Aufsehen, deren Vater - ein Trump-Wähler -
dem Virus zum Opfer gefallen sei, weil er nach Äußerungen des
Präsidenten unvorsichtig geworden sei. "Seine einzige Vorerkrankung
war Vertrauen zu Donald Trump. Und dafür hat er mit seinem Leben
bezahlt", sagte sie.
Trump war bereits am Wochenende in die Kritik geraten, nachdem
das Magazin "The Atlantic" unter Berufung auf anonyme Quellen
geschrieben hatte, dass Trump sich abwertend über US-Soldaten
geäußert habe. Trump wies das am Mittwoch erneut vehement zurück.
Seine Äußerungen zur Corona-Gefahr sind allerdings auf Band.
Präsident prahlt mit Geheimwissen
Woodward genießt im US-Journalismus den Status einer Legende,
seit er und sein Kollege Carl Bernstein eine entscheidende Rolle bei
der Aufdeckung des Watergate-Skandals spielten, der Präsident Richard
Nixon 1974 den Job kostete. Für sein neues Buch "Rage" (etwa: Wut)
führte er nach eigenen Angaben 18 Interviews mit Trump und wurde auch
mehrfach von Trump angerufen. Der Sender CNN zitierte am Mittwoch
vorab aus dem kommende Woche erscheinenden Buch und veröffentlichte
auch kurze Audio-Mitschnitte aus den Interviews.
Zu hören ist etwa, wie Woodward angesichts der Proteste gegen
Rassismus und Polizeigewalt gegen Afroamerikaner von Trump wissen
will, ob dieser sich auch Gedanken über seine privilegierte Position
als Weißer mache. "Nein, ich fühle das überhaupt nicht", entgegnet
Trump in dem Mitschnitt. Die Proteste spielen eine große Rolle im
US-Wahlkampf.
Zu den bisher bekanntgewordenen Details aus dem Buch gehört
außerdem, dass Trump in seinen Interviews mit Woodward von einem
einzigartigen und streng geheimen Waffensystem sprach. Der Journalist
versuchte daraufhin nach eigenen Angaben, weitere Informationen bei
seinen Quellen einzuholen – diese hätten sich überrascht gezeigt,
dass Trump überhaupt davon erzählt habe.
Dem Buch zufolge ging Trumps zeitweiliger Verteidigungsminister
James Mattis in die Nationalkathedrale in Washington, um zu beten,
weil er sich Sorgen über das Schicksal des Landes unter der Führung
des Präsidenten machte. Der frühere Geheimdienst-Koordinator Dan
Coats wiederum sei sehr besorgt gewesen über das Verhältnis Trumps
zum russischen Präsidenten Wladimir Putin.
(pcl/dpa)
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