Der russische Angriffskrieg führt Deutschland nicht nur seine Energieabhängigkeit drastisch vor Augen. Auch die Frage, wie der Zivilschutz in der Bundesrepublik aufgestellt ist, drängt sich immer wieder auf. Denn: Die wenigsten Menschen wissen heute, wo sie hingehen können, sollte ein Alarmfall eintreten.
"Wir müssen den Bevölkerungs- und Zivilschutz stärker in den Blick nehmen", sagt die Bundestagsabgeordnete Marja-Liisa Völlers (SPD) am Donnerstag in der Fahrzeughalle der Feuerwehrtechnischen Zentrale im niedersächsischen Stadthagen.
Gemeinsam mit ihren Genossen, dem SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil und dem niedersächsischen Innenminister Boris Pistorius spricht sie an diesem Tag über den Katastrophenschutz. An der Seite der Politiker:innen: Der Vizepräsident des Landesfeuerwehrverbandes, Klaus-Peter Grote.
Eins wird bei der Veranstaltung klar: Niedersachsen versucht sich für den Ernstfall zu wappnen. Und der muss nicht zwingend Krieg sein: Gerade erst gab es einen einwöchigen Waldbrand auf dem Brocken im Harz. Der Löscheinsatz soll laut der "Braunschweiger Zeitung" 800.000 Euro am Tag gekostet haben.
Erst im August hatte der niedersächsische Innenminister 16 Millionen Euro locker gemacht, damit 28 Kommunen in den Brandschutzbereich investieren können. Gestemmt werde die Brandbekämpfung vor allem von Freiwilligen. Pistorius sagt: "Ohne das Ehrenamt gäbe es den flächendeckenden Brand- und Katastrophenschutz nicht." Doch auch wenn die Brandlöscher:innen und Katastrophenschützer:innen ehrenamtliche seien, kosteten die Einsätze Geld.
Auch wenn Haushaltspolitiker das ungern hörten, meint Pistorius. Schließlich sei die Investition in Brand- und Katastrophenschutz eine unsichtbare – zumindest bis zum Einsatz der Fahrzeuge und Gerätschaften. Der Innenminister Niedersachsens sagt: "Jede Katastrophe führt dazu, dass dieses Denken aufgeweicht wird." Die Flut im Ahrtal, die Brände in der Sächsischen Schweiz, am Brocken, in Brandenburg. Gerade der Brand am Brocken wäre ohne die Hilfe von italienischen Löschflugzeugen kaum handelbar gewesen, meint Pistorius.
Denn: Bodentrupps reichen nicht mehr. Er sagt: "Ohne Unterstützung aus der Luft werden wir Waldbrände in Zukunft kaum meistern können."
Es sei klar, dass die Brände zunehmen werden. Schon in diesem Jahr sei erkennbar gewesen, in was für einer Dimension sich die Brände in Zukunft entwickeln werden. Und, dass die Waldbrandsaison nicht mehr länger erst im Juli beginnt – sondern unter Umständen bereits im März. All diese Katastrophen führten dazu, dass Katastrophenschutz präsenter wird.
Genauso wie der Krieg in der Ukraine. Der wirft bei diesem Thema noch immer drängende Fragen auf.
Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil erklärt: "Nach dem 24. Februar kamen immer wieder Bürgerinnen und Bürger und haben gefragt, wie wir aufgestellt sind." Zwar wolle der SPD-Politiker keine Panik schüren und nicht die Erzählung verbreiten, die Menschen müssten sich sorgen. Aber: "Wir müssen darüber informieren, wie Zivilschutz hier läuft."
So sieht es auch Pistorius. Nicht bloß Naturkatastrophen könnten zur Gefahr werden, meint er. Sondern eben auch der Krieg. Nicht in einer physischen Form. Der SPD-Politiker geht nicht davon aus, dass Bomben in Deutschland einschlagen. Das müssten sie aber auch nicht, um Schaden anzurichten. Pistorius nennt in diesem Zusammenhang die Cybersicherheit.
Er sagt:
Insgesamt müsse der Bevölkerungsschutz also resilienter werden. Damit mein Pistorius nicht, dass alte Bunker reaktiviert oder neue errichtet werden müssen – wohl aber, dass neue Parkhäuser und ähnliche Bauwerke wieder eine Schutzfunktion erfüllen sollten. Und auch die Bevölkerung darauf eingestellt wird. Damit jedem klar ist: wohin im Ernstfall? Sei das nun ein Blackout oder eine Cyberattacke.
Im Feld der Cybersicherheit wollen Bund und Länder enger zusammenarbeiten. Dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik soll hier eine Schlüsselrolle zukommen.