Jetzt ist es amtlich: Die Berliner Abgeordnetenhauswahl vom September 2021 muss komplett wiederholt werden. Das hat das Landesverfassungsgericht bestätigt. Und zwar berlinweit. Anders als die Bundestagswahl, die ebenfalls in etlichen Wahlbezirken der Hauptstadt wiederholt werden muss.
Grund dafür: Die Pleite-, Pech- und Pannen-Show, die die Berliner Wahlleitung am 26. September 2021 aufführte.
Was bedeutet das alles für Berlin? Was für den Bund? Die wichtigsten Fragen klärt watson für euch.
Fest steht, dass die Bundestagswahl in 431 Wahlbezirken wiederholt werden soll. Wann und wie das ganze stattfinden soll, ist noch unklar. Es ist aber davon auszugehen, dass sich darum das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe kümmern muss – denn die Union hat bereits angekündigt, Klage einzureichen. Aktuell ist nicht davon auszugehen, dass eine solche Wahlwiederholung vor 2024 stattfindet.
Klar ist mittlerweile auch, dass die Abgeordnetenhauswahl wiederholt werden muss. Also die Landtagswahl. Diese Entscheidung des Landesverfassungsgericht gilt für ganz Berlin gelten. Die Neuwahl muss binnen neunzig Tagen erfolgen. Das heißt: spätestens Mitte Februar 2023.
Kurz gesagt: alles neu. Eine Wiederholungswahl bedeutet gleichzeitig, dass sich die Kräfteverhältnisse verändern und möglicherweise neue Koalitionen bilden können. Wahlumfragen aus dem September 2022 legen nahe, dass die Grünen in der Hauptstadt aktuell beliebter sind als ihre Koalitionspartnerin SPD. Das heißt auch: Es besteht die Möglichkeit, dass Berlin nach einer Neuwahl eine:n neue:n Regierende:n Bürgermeister:in hat.
Insgesamt könnte das rot-grün-rote Bündnis laut der Umfragen die Mehrheit behalten. Selbst die Linke, die bundesweit um ihre Existenz kämpft, hat in Berlin weiterhin ein gutes Standing. Personell dürfte sich bei einer Wahlwiederholung nicht allzu viel verändern.
Denn: Die Anordnung der Wahlwiederholung bedeutet, dass die Parteien mit den gleichen Wahllisten antreten müssten. Das erklärt Arndt Leininger gegenüber watson. Er arbeitet als Politikwissenschaftler an der Technischen Universität Chemnitz.
Dieses Vorgehen habe aus seiner Sicht Vorteile gegenüber einer Neuwahl. So würden innerparteiliche Kämpfe um Listenplätze und Direktkandidaturen ausbleiben. Und sie würden damit auch nicht von den Inhalten und der Krisenbewältigung ablenken. Leininger ergänzt:
Unklar sei bisher allerdings, wie mit Kandidierenden umgegangen werde, die eben nicht noch einmal antreten wollen.
Auch wenn das Berliner Parteiensystem fragmentierter sei, als in den Flächenländern, könnte die Wahl Auswirkungen auf die Ampel im Bund haben. Und zwar indem die Koalitionäre genau darauf blicken, wer von ihnen Verluste einfährt. Leininger geht davon aus, dass die entsprechende Partei sich dann fragen werde, wie man die eigenen Inhalte stärker in der Bundesregierung zur Geltung bringen könnte.
Laut Wahlumfragen sieht es vor allem für die FDP schlecht aus – ähnlich wie in den vergangenen Landtagswahlen 2022.
Die Wahlwiederholung der Bundestagswahl in den 431 Berliner Wahlbezirken dürfte an der Mehrheit der Ampelparteien allerdings nichts verändern. Womöglich wird die Koalition dennoch einige Sitze abgeben müssen.
Ein Jahr nach der Bundestagswahl, im September 2022, hat watson eine Umfrage beim Meinungsforschungsinstitut Civey in Auftrag gegeben. Das Ergebnis: 70 Prozent der Befragten gaben an, ihre Wahlentscheidung wiederholen zu wollen. Insbesondere Menschen, die SPD oder die Grünen gewählt hatten, gaben an, bei ihrer Entscheidung bleiben zu wollen.
In Anbetracht der neuen Zeit, in der wir uns befinden, wirkt es unfair, einen Teil des Landes neu wählen zu lassen. Wie aber die Civey-Umfrage im Auftrag von watson zeigt, würde die Mehrheit der Menschen ohnehin bei ihrer Wahlentscheidung bleiben.
Wahlforscher Thorsten Faas erklärt dazu auf watson-Anfrage: "Wahlwiederholungen sind nicht schön und zeigen, dass es ein echtes Dilemma gibt. Es gibt keine perfekte Lösung für diese Situation."