Es herrscht Krieg in Europa. Diese Nachricht ist leider nicht neu. Seit über 100 Tagen müssen die Ukrainerinnen und Ukrainer für ihr Überleben kämpfen. Seit über 100 Tagen begeht Russland in seinem Nachbarland Kriegsverbrechen. Ein Krieg in der Ukraine, der gegen den gesamten Westen gerichtet ist.
Der Krieg hat aber nicht nur Auswirkungen auf die ukrainische Bevölkerung. Er betrifft auch andere Staaten – Deutschland zum Beispiel. Stichwort: Energie. Um die Bürgerinnen und Bürger wegen der steigenden Energiepreise und der Inflation zu entlasten, hat die Ampel-Koalition eine Reihe von Maßnahmen in die Wege geleitet: 9-Euro-Ticket, Energiegeld, Tankrabatt.
Weil gerade letzterer dahinschmilzt und der Diesel-Preis auf über zwei Euro pro Liter zusteuert, diskutieren Politik und Wirtschaft momentan über weitere Gegenmaßnahmen. Aus den Reihen von Grünen und SPD wird jetzt immer wieder die Forderung nach einer Übergewinnsteuer laut. Der Vorschlag sorgt für viel Diskussionsstoff.
Worum es genau geht, hat watson für euch zusammengefasst.
Mit einer Übergewinnsteuer könnte der Staat Extraprofite als Folge der Preiserhöhungen nach Beginn des Ukraine-Krieges abschöpfen. Betreffen würde diese Steuer nicht den Normalbürger oder die Normalbürgerin, sondern Mineralölkonzerne.
Diese müssten dann eine Extrasteuer an den Staat zahlen, wenn sie die Preise stark anheben. So, wie sie es gerade tun. Sie können das, weil im Bereich Mineralölkonzerne das Konzept "Der-Markt-regelt-den-Preis" nicht greift. Warum? Weil die Kraftstoffmärkte von einem Unternehmenszusammenschluss beherrscht wird. Gemeinsam haben BP/Aral, ConocoPhilips, Esso, Shell und Total quasi die komplette Marktmacht.
Ein Korrektiv durch Angebot und Nachfrage gibt es bei einer solchen Monopolstellung nicht. Zumal kleinere Mineralölkonzerne oftmals auch in Abhängigkeit zu dem Mega-Zusammenschluss stehen.
Die Zusatzabgabe würde vor allem Geld zurück in die Staatskasse spülen – und könnte von dort in Form einer Energiepauschale an die Bürgerinnen und Bürger zurückfließen. Geld, das eventuell fälschlicherweise in den Taschen der Mineralölkonzerne gelandet ist. Denn trotz des Tankrabattes – also der Steuersenkung auf Kraftstoffe – sind die Sprit- und Dieselpreise in der Pfingstwoche gestiegen.
Marcel Fratzscher, der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) nennt den Tankrabatt einen Fehler. Und auch der ADAC-Kraftstoffmarktexperte Christian Laberer sagt der Nachrichtenagentur dpa: "Die Energiesteuersenkung erreicht den Verbraucher nicht so, wie sie sollte. Die Preise sind nach wie vor stark überhöht." Die Steuerzahlenden förderten aktuell die Gewinne der Mineralölindustrie.
In der Mineralölindustrie weist man das zurück. Aral erklärte, man habe die Steuersenkung "vollumfänglich weitergegeben". Sie habe aber keinen Einfluss auf die Preismechanismen des Marktes. Auch der Branchenverband en2x betonte, der Tankrabatt werde weitergegeben. Allerdings seien die Einkaufspreise der Tankstellen massiv gestiegen.
Das Kartellamt schaut außerdem genau auf die Spritpreise, dämpfte die Erwartungen allerdings. "Wir tun unser Möglichstes, um aufzuklären und Transparenz in die Preissetzung der Mineralölkonzerne zu bringen", erklärte Präsident Andreas Mundt der dpa. "Weder das Bundeskartellamt noch eine andere Behörde in Deutschland kann aber Preise auf Knopfdruck senken." Hohe Preise und auch das Erwirtschaften von hohen Gewinnen seien nicht verboten.
Ein Problem mit der Idee hat vor allem der Koalitionspartner FDP. Und natürlich die Oppositionsparteien CDU/CSU. Bundesfinanzminister und FDP-Chef Christian Lindner sagte: "Ich kann nur vor Populismus an dieser Stelle warnen." Man wisse nicht, ob es Übergewinne gibt, und Steuererhöhungen könnten dazu führen, dass es Knappheiten an der Zapfsäule gebe, warnte er. Wenn es zur Verknappung käme, würden die Preise erst recht weiter getrieben werden.
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai kritisierte die Koalitionspartner ganz konkret:
Der Unionsfraktionsvize Thorsten Frei unterdessen nannte die Zusatzsteuer "Planwirtschaft pur". Planwirtschaft, das war das Wirtschaftssystem in der DDR: Es handelt sich dabei um eine Wirtschaftsordnung, bei der das gesamte Geschehen von einer zentralen Stelle nach politischen Zielsetzungen geplant und gelenkt wird. Mit marktwirtschaftlichem Denken habe ein solcher Eingriff nichts zu tun, denn der sei Sache des Kartellamts, meinte Frei bei der "Rheinischen Post".
Anderer Ansicht ist sein Fraktionskollege Jens Spahn, der ehemalige Gesundheitsminister. Der hatte nämlich gesagt, man müsse ungerechtfertigte Extra-Gewinne von Öl-Multis wie in Großbritannien mit einer Steuer abschöpfen.
Großbritannien hat sie also schon, die Zusatzsteuer. Die "Windfall Tax" (auf Deutsch: Spekulationssteuer), die Finanzminister Rishi Sunak Ende Mai vorgestellt hat, soll knapp fünf Milliarden Pfund einbringen. Mineralöl- und Gaskonzerne sollen hier 25 Prozent Steuern auf ihre Zusatzgewinne zahlen. So sollen Teile des britischen Entlastungspaketes finanziert und der Haushalt entlastet werden: Denn auch in Großbritannien gibt es Inflation.
Wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" berichtet, will auch Ungarn eine Sondersteuer für Kriegsprofiteure einführen. In Italien würde eine solche Zusatzsteuer bereits im März angekündigt: Zehn Prozent Steuern sollen Konzerne dort auf zusätzliche Gewinne zahlen.
(Mit Material von dpa)