Seit Samstagmorgen herrscht Krieg in Israel. Überraschend sind die vom Westen als terroristisch eingestuften Hamas-Truppen vom Land, der Luft und über das Meer auf israelisches Territorium eingedrungen. Zunächst landeten am frühen Morgen Hunderte Raketen von Gaza aus in Israel. Seitdem eskaliert die Situation zunehmend: Es herrschen blutige Kämpfe, zahlreiche Menschen wurden bereits getötet, auch Zivilist:innen. Israel hat als Reaktion darauf eine Gegenoffensive gestartet.
Es ist ein Konflikt, der auf einer langen Geschichte beruht und nun erneut ein blutiges Ausmaß annimmt. Noch ist die Lage unübersichtlich. Watson hat die wichtigsten Fragen und Antworten zum aktuellen Geschehen zusammengetragen.
Der Angriff kam überraschend am frühen Samstagmorgen (7. Oktober): Zunächst gab es Meldungen über Hunderte Raketenangriffe auf Israel aus dem Gazastreifen. Kurze Zeit später verkündete der israelische Verteidigungsminister Joav Galant, dass die Hamas den "Krieg gegen den Staat Israel" begonnen hätten. Der Kriegszustand wurde ausgerufen. Sofort begann das angegriffene Land mit der Mobilisierung der Soldaten. Auch die Polizei ist im Einsatz, wie sie auf X, ehemals Twitter, mitteilte. Zahlreiche Menschen wurden offiziellen Angaben des Rettungsdienstes Magen David Adom zufolge bereits getötet, Hunderte verletzt.
Auf den Straßen herrschen blutige Kämpfe, Tausende Raketen wurden im Laufe des Samstags auf Israel abgefeuert. Die Warnsirenen heulten in zahlreichen Gebieten Israels, auch in Tel Aviv. Bewaffnete Palästinenser seien laut Galant über das Land, das Meer und die Luft in israelisches Territorium eingedrungen. Besonders aus den grenznahen Gebieten sendeten Zivilist:innen verzweifelte Hilferufe. Sie seien den Angreifenden schutzlos ausgeliefert. Von Geiselnahmen, Morden und Entführungen ist die Rede.
Unterdessen feuert auch Israel zurück. Die Armee des Staates beschießt Ziele im Gazastreifen. Und: Auch der Libanon hat sich am Sonntag eingeschaltet. Die Reaktion folgte umgehend: Die Armee Israels hat nach eigenen Angaben mit Artilleriefeuer auf Beschuss aus dem Südlibanon reagiert.
Seit vielen Jahren gibt es Konflikte und Kriege in dem Gebiet, zuletzt haben sich die Unruhen wieder zugespitzt. Besonders im besetzten Westjordanland. Dort waren seit Donnerstag vier Palästinenser bei eigenen Anschlägen und Konfrontationen mit israelischen Truppen getötet worden. An der Gaza-Grenze gab es im vergangenen Monat mehrfach gewaltsame Proteste mit Sprengsätzen. Mehrere Palästinenser wurden dabei verletzt. Es gab im Zuge dessen auch Angriffe auf Hamas-Posten im Gazastreifen durch die israelische Luftwaffe.
Nach Angaben der UN leben mehr als zwei Millionen Menschen im Gazastreifen unter sehr schlechten Bedingungen. Dort hatte die Terrororganisation Hamas 2007 gewaltsam die alleinige Macht an sich gerissen.
Viele der Ursachen für die Konflikte in Nahost finden sich in Europa. Laut Landeszentrale für politische Bildung führte im späten 19. Jahrhundert der vermehrte Antisemitismus und gewaltsame Attacken und Anfeindungen gegen Jüd:innen in Europa dazu. Der Zionismus, also das Streben nach einem eigenen jüdischen Staat, war die Folge. Jüdinnen und Juden wanderten nach Palästina aus. Das Problem: Damals war das Land Teil des Osmanischen Reiches und überwiegend arabisch besiedelt. Die jüdische Einwanderung und der Staatsaufbau nahm die Konkurrenz um Ressourcen und Land zwischen den Bevölkerungsgruppen zu.
Zur weiteren Eskalation trugen auch widersprüchliche Zusagen zur Selbstbestimmung in Palästina durch die Briten während des Ersten Weltkriegs bei: Die Bevölkerungsgruppen genossen einen unterschiedlichen Status ab 1922 unter dem britischen Mandat. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde schließlich die internationale Unterstützung für einen jüdischen Staat in Palästina größer. Der Grund: der Genozid an europäischen Jüd:innen. Die Vereinten Nationen schlugen 1947 einen Teilungsplan vor. Seitdem gibt es immer wieder Kriege und Konflikte in dem Gebiet.
Die radikalislamische Hamas gibt es seit 1987. Zunächst trat die Bewegung als reine Wohltätigkeitsorganisation auf, baute Schulen und soziale Einrichtung. Dadurch wurde Hamas in der sehr armen Bevölkerung im Gazastreifen populär. Die Hamas gewann 2006 die Wahlen in den palästinensischen Gebieten. Anschließend nahmen die Rivalitäten und Konflikte mit der Fatah-Partei von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas zu, bis die Hamas 2007 die Kontrolle im Gazastreifen gewaltsam übernahm.
Die Reaktion Israels: die Errichtung einer Blockade über das dicht besiedelte Küstengebiet. Israel, die USA und die EU stufen die Hamas als Terrororganisation ein. Drei Kriege führte Israel seither gegen die Hamas. 2014 wurden dabei 2200 Palästinenser:innen getötet, in der Mehrheit Zivilist:innen. Die israelische Seite verzeichnete 74 Tote, vor allem Soldaten.
Die Hamas steht für die "Islamische Widerstandsbewegung". Sie hat das Ziel der Zerstörung Israels und die Errichtung eines islamischen Staates Palästina. Zum aktuellen Krieg meldete sich am Samstag der Hamas-Militärchef Mohammed Deif zu Wort: "Dies ist der Tag der größten Schlacht zur Beendigung der letzten Besatzung auf der Erde." Tausende Raketen seien dafür abgefeuert worden. Die Angriffe seien die Reaktion auf "die Gewalt gegen die Palästinenser im Westjordanland, im Gazastreifen und um die Al-Aqsa-Moschee in Jerusalem".
Kurz nach Start der Angriffe am Samstagmorgen verkündete die Hamas den Start der "Militäroperation". Hamas habe beschlossen, israelischen "Verbrechen" ein Ende zu setzen. Das sagte der Militärchef Mohammed Deif.
Der bewaffnete Arm der Hamas hat am Samstag Gefangene in Zivilkleidung in einem Video gezeigt. Laut einem Kommentar sind auf den Aufnahmen Mitglieder der Al-Kassam-Brigaden zu sehen, die "mehrere feindliche Soldaten" gefangen genommen hätten.
Kurz nach Beginn der Angriffe hat Israel den Kriegszustand ausgerufen. Der Ministerpräsident Benjamin Netanyahu wandte sich in einer Videobotschaft aus dem Militärhauptquartier in Tel Aviv an die Bevölkerung: "Bürger Israels, wir sind im Krieg." Die Hamas habe mit dem Großangriff einen großen Fehler gemacht.
Der israelische Botschafter in Berlin, Ron Prosor, hat eine Bestrafung der Verantwortlichen für den Großangriff auf Israel angekündigt: "Wir werden alles tun, uns nicht nur zu verteidigen, sondern all diejenigen, die verantwortlich sind, auch zu bestrafen."
Die israelische Luftwaffe hat nach dem Großangriff erneut Ziele in dem Palästinensergebiet am Mittelmeer beschossen. Dutzende Kampfjets seien an dem Angriff beteiligt gewesen, sagte ein Sprecher der israelischen Armee. Militäranlagen und vier Kommandozentren der im Gazastreifen herrschenden islamistischen Hamas seien dabei angegriffen worden. Bilder und Beiträge auf Social Media zeigen tote sowie verletzte und verzweifelte Zivilist:innen auf beiden Seiten.
EU-Ratspräsident Charles Michel hat die Angriffe auf Israel scharf verurteilt, ebenso wie Bundesaußenministerin Annalena Baerbock. "Hamas eskaliert die Gewalt", schrieb die Politikerin (Grüne) auf der X, ehemals Twitter. Die Gewalt und das Leid Unschuldiger müsse sofort aufhören. Und: "Israel hat unsere volle Solidarität und das völkerrechtlich verbriefte Recht, sich gegen Terror zu verteidigen." Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich solidarisch mit Israel gezeigt.
Italien und Großbritannien unterstützen ebenso wie zahlreiche andere europäische Länder das "Recht zur Selbstverteidigung" Israels.
Die Vereinigten Staaten stehen ebenfalls klar hinter Israel, wie die Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrats der USA, Adrienne Watson, mitteilte: "Die USA verurteilen uneingeschränkt die grundlosen Angriffe auf israelische Zivilisten durch Hamas-Terroristen."
Auch Russland positioniert sich gegen den Krieg. Der Kreml fordere die Konfliktparteien zu einer "sofortigen Waffenruhe" sowie zur "notwendigen Zurückhaltung" auf, sagte Außenministeriumssprecherin Maria Sacharowa. Auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat alle Seiten um Zurückhaltung gebeten.
Irans Außenamtssprecher hingegen hat der Hamas nach ihrem Großangriff auf Israel gratuliert.