Es ist Pride Month – der Monat, in dem LGBTQIA+-Personen auf ihre Rechte aufmerksam machen. Doch noch immer hat sich der Bundestag nicht abschließend zum geplanten Selbstbestimmungsgesetz positioniert. Der Gesetzentwurf steht, doch die Debatte steht noch aus.
Was aber beinhaltet das Selbstbestimmungsgesetz? Warum löst es das Transsexuellengesetz ab und wo gibt es Kritik? Ein Überblick.
Grundsätzlich geht es beim Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) darum, transgeschlechtlichen (oder trans*) Personen, intersexuellen und non-binären Menschen eine Änderung im Personenstandsregister zu vereinfachen und ihnen diesen Vorgang würdevoll und unter Wahrung der Menschenrechte zu ermöglichen.
Künftig, wenn Bundestag und Bundesrat dem Gesetzentwurf zustimmen, soll die Änderung des eigenen Vornamens sowie des Eintrags im Personenstandsregister beim Standesamt vollzogen werden. Was wird hierfür gebraucht? Eine Erklärung der jeweiligen Person und eine angefügte Eigenversicherung sollen quasi die einzigen Voraussetzungen sein.
Zunächst einmal geht es darum, dass die betroffene Person mit ihrer Erklärung versichert, dass der gewählte Geschlechtseintrag oder die Streichung des Eintrags ihrer Geschlechtsidentität am besten entspricht, und ihr die Tragweite bewusst ist. Zuvor waren Gutachten von Sachverständigen notwendig und ein Amtsgericht hatte die Gewalt darüber, zu entscheiden: Darf die Person ihren Geschlechtseintrag ändern oder streichen – oder nicht.
Mit dem SBGG ändern sich die Geschlechter innerhalb des Registers allerdings nicht: Es wird weiterhin die Einträge "männlich", "weiblich" und "divers" geben oder die Möglichkeit, die Angabe beim Geschlecht komplett zu streichen.
Bisher hatte das Transsexuellengesetz (TSG) die Regelungen und Voraussetzungen vorgegeben, wenn Menschen ihre Namen oder das Geschlecht auf dem Papier ändern wollten. Dies wurde bereits seit Längerem heftig kritisiert.
Allein der Name des Gesetzes war für viele schon ein Problem. Denn transsexuell beschreibe nicht den Kern der Identität.
Auch das Familienministerium unter der Grünen-Ministerin Lisa Paus schreibt:
Erst 2018 strich die Weltgesundheitsorganisation übrigens Transgeschlechtlichkeit aus der Liste der psychischen Krankheiten.
Zudem ist das Gesetz bereits mehr als 40 Jahre alt, und beinhaltet Maßnahmen, die für trans*, intersexuelle oder non-binäre Personen entwürdigend sind.
Den Namen oder Geschlechtseintrag zu ändern, ist noch immer mit einer langen und teuren Prozedur verbunden. Betroffene müssen zwei unabhängige Gutachten vorlegen, in denen sie intimste Fragen zu ihrer Sexualität, ihren Vorlieben und auch der Häufigkeit der Masturbation beantworten.
Das Bundesverfassungsgericht hat zudem festgestellt, dass zur Menschenwürde eben auch das Recht auf geschlechtliche Selbstbestimmung zählt – und dieses durch das TSG nicht gedeckt wird.
Grundsätzlich sollen Menschen, die ihren Geschlechtseintrag geändert haben, vor dem Gesetz genauso gleich sein, wie alle anderen. Hat eine gesetzliche Maßnahme in irgendeiner Art und Weise das Geschlecht zur Grundlage, soll das eingetragene Geschlecht gelten.
Allerdings hat es im Vorfeld Kritik und Sorgen gegeben, denen die Ampel-Regierung versuchte, entgegenzukommen.
Populistische Kritik vonseiten der AfD war zu erwarten. Im Februar 2022 fiel die Abgeordnete und ehemalige Vize-Parteichefin Beatrix von Storch über die Grünen-Abgeordnete Tessa Ganserer her, bezeichnete sie als Mann und nannte ihren Deadname.
Doch auch die Linkenpolitikerin Sahra Wagenknecht bezeichnete den Entwurf als absurd und "ideologiegetriebene Politik, für die man in bestimmten Sekten bejubelt wird".
Genannt werden in diesem Zusammenhang die immergleichen "Sorgen":
Auch aus der Union kommt Kritik. Der ehemalige Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wirft der Ampel einen aktiven Kulturkampf vor. Mit zahlreichen Gesetzesvorhaben wie dem Selbstbestimmungsgesetz, der Streichung der Abtreibung aus dem Strafgesetzbuch, der Freigabe von Cannabis oder einem neuen Staatsbürgerschaftsrecht in Zeiten von "Rekordmigration" überfordere die Regierung viele Bürger:innen. "Selbst die Ansicht, ein Mann hat einen Penis und eine Frau nicht, gilt inzwischen in Teilen der Ampel-Koalition als problematisch."
Auch weitere Unionspolitiker:innen meldeten sich zu Wort. Die Pläne der Ampel gingen "in ihrem extremen und pauschalen Ansatz" zu weit. Allein der Name "Selbstbestimmungsgesetz" mache vor, geschlechtliche Identität müsse jederzeit frei wählbar sein. Für die große Mehrheit der Bevölkerung stehe ihr Geschlecht jedoch nicht infrage.
Doch nicht nur von populistischer oder konservativer Seite gibt es Bedenken.
Der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann, setzt auf Nachbesserungen. Zwar sieht er das SBGG als "großen Fortschritt für Grund- und Menschenrechte", kritisch wertete der Grünen-Politiker aber, dass diese Eintragsänderung erst nach drei Monaten gültig werden soll.
Auch dass im Gesetzentwurf mit Blick auf den Zugang zu Saunen oder Fitnessstudios vor allem auf das Hausrecht der Betreiber verwiesen wird, hält Lehmann für abänderungsbedürftig. Man könne übergriffige Menschen rausschmeißen, aber niemanden abweisen, weil sie oder er trans* sei.
(Mit Material der dpa)