Deutschland steckt in der Energiekrise: Gas ist teuer. Das ist klar. Denn durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und die damit verbundenen Sanktionen steigt die Notwendigkeit der Unabhängigkeit. Gas wird teuer von anderen Staaten gekauft. Außerdem ist die Gasversorgung durch Russland gefährdet, denn Präsident Wladimir Putin könnte jederzeit das Gas abdrehen. Konsequenz: Die Preise steigen und steigen.
Aber nicht nur das Gas, das in vielen Gebieten zum Heizen genutzt wird, wird teurer, sondern auch der Strom. Nicht nur für jene Kunden, die Strom beziehen, der aus Gas gewonnen wurde – sondern für alle. Also auch für die Nutzer:innen erneuerbarer Energien.
Finanzminister Christian Lindner (FDP) sprach kürzlich in einem Interview mit dem Fernsehsender Welt darüber, dass es keinen Autopiloten für Stromanbieter geben dürfe. Aufgrund der geltenden Regeln würden Produzierende von Solar-, Wind- oder Kohlestrom automatisch so bezahlt, als hätten sie teures Gas gekauft: "Die Gewinne steigen zulasten der Verbraucher Milliarde um Milliarde."
Er meint damit: Nicht alle Preissteigerungen am Strommarkt sind fair für die Verbrauchenden. Statt einer Übergewinnsteuer, wie sie Grüne und SPD für Krisenprofitierende vorschlagen, spricht Lindner von einer Reform des Strommarktes.
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will nun eine solche Reform umsetzen. So sollen Preise für Verbraucher:innen und Industrie gedämpft werden. Angestrebt wird, die Entwicklung der Endkundenpreise für Strom vom steigenden Gaspreis zu entkoppeln.
Doch wie setzt sich der Strompreis bisher zusammen? Und was plant der Wirtschaftsminister? Diese und weitere Fragen klärt watson für euch.
Der Sommer 2022 war der sonnenreichste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Es kann also davon ausgegangen werden, dass zumindest die Produktion von Solarenergie nicht auf der Strecke geblieben ist.
Trotzdem wird auch Öko-Strom teurer – und das, obwohl Wind, Wasser und Sonne nichts mit russischem Gas zu tun haben. Grund dafür ist der Aufbau des Strommarktes – und vor allem die sogenannte "Merit Order".
Als "Merit-Order" wird die Einsatzreihenfolge der an der Strombörse anbietenden Kraftwerke bezeichnet. Kraftwerke, die billig Strom produzieren, werden zuerst herangezogen, um die Nachfrage zu decken. Das sind etwa Windkraftanlagen.
Am Ende richtet sich der Preis aber nach dem zuletzt geschalteten und somit teuersten Kraftwerk, um die Nachfrage zu decken – derzeit sind dies wegen der hohen Gaspreise Gaskraftwerke. Dadurch sind auch die Strompreise deutlich gestiegen.
Kurz gesagt: um die Energiesicherheit zu gewährleisten. An der europäischen Strombörse in Leipzig, der EEX, wird Strom für die größten europäischen Strommärkte wie Deutschland, Frankreich und Italien gehandelt. Kaufen und verkaufen können an dieser Börse Großhändler und Unternehmen – also keine Privatpersonen. Der Sinn der Börse ist es, Sicherheiten herzustellen. Auf der einen Seite gibt es den "Spotmarkt" – den schnellen Energiemarkt.
Dort müssen Stromlieferanten zuschlagen, wenn sie schnell Energie brauchen. Wenn zum Beispiel ein Öko-Stromanbieter in Not gerät, weil der Wind nicht weht oder die Sonne nicht scheint. Aber es gibt an der Börse nicht nur den schnellen – meist teureren – Strom.
Auch längerfristige Handelsgeschäfte können am Terminmarkt abgeschlossen werden. Durch diese Verträge sichern sich Anbieter gegen Preissteigerungen ab. Für Kunden bedeutet das, dass sie abgesicherte Preise für das ganze Jahr erhalten.
Die EEG-Umlage ist eine Verteilung von Kosten für die Erneuerbaren Energien. Seit ihrer Einführung im Jahr 2000 haben also alle Bürger:innen, die Strom beziehen, den Strom aus erneuerbaren Energien mitfinanziert. Denn ohne die Umlage wäre der zu Beginn zu teuer gewesen, als dass ihn jemand bezogen hätte. So wurde also die Förderung von Wind- oder Solaranlagen finanziert.
Eigentlich sollte die Umlage erst Anfang 2023 abgeschafft werden, die Koalition zog dies aber wegen der rasant gestiegenen Energiekosten vor. Seit Juli 2022 muss die Umlage nicht mehr gezahlt werden.
Die Umlage ist ein wesentlicher Bestandteil der Stromrechnung – neben Steuern, Produktionskosten und Netzentgelten. Die Preise, die Stromversorgende für den Einkauf von Strom bezahlen müssten, sind in den vergangenen Wochen aber auf nie dagewesene Höhen gestiegen. Ein Ende der Steigerung ist nicht in Sicht. Das erklärt Kerstin Andreae, Chefin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), der Nachrichtenagentur dpa.
Weiter führt sie aus:
Energieexpertin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung führt gegenüber dpa aus: Unter normalen Umständen würde die Absenkung der EEG-Umlage den Strompreis senken, wenn die Preissenkungen an Verbraucher:innen weitergegeben werde. Ein vierköpfiger Haushalt könnte so laut Kemfert bis zu 300 Euro im Jahr einsparen.
Kemfert sagt:
Stromunternehmen würden diese Preissteigerung überproportional weitergeben, sodass die Absenkung der EEG-Umlage lediglich zu einer weniger starken Strompreissteigerung führe. Nur ein schnellerer Ausbau der erneuerbaren Energien wirke ihrer Ansicht nach strompreissenkend.
Robert Habeck will mit der angestrebten Strommarkt-Reform erreichen, dass Kund:innen auf Ihrer Stromrechnung stärker von den günstigen erneuerbaren Energien profitieren. Das erklärte das Wirtschaftsministerium der Nachrichtenagentur dpa. Dafür sollen die entstehenden Übergewinneffekte im Strommarkt an Endkund:innen weitergegeben werden. Diese Übergewinne entstehen durch die "Merit Order".
Die Funktionsfähigkeit des europäischen Strommarkts sowie die sichere Stromversorgung sollen jedoch gewährleistet bleiben, wie das Ministerium betont. Die Preisbildung auf Basis der Grenzkosten im europäischen Großhandelsmarkt selbst solle nicht geändert werden.
"Die "Merit-Order" bleibe, allerdings soll nun der Strompreis wegen des Ukraine-Kriegs gedeckelt werden, damit die Preise nicht noch mehr in die Höhe schnellen." Eine solche Reform sei aber komplex, auch müssten die europäischen Partner eingebunden werden. Kurzfristig richte sich der Fokus daher weiter auf eine "Übergewinnsteuer" sowie auf zeitnahe Entlastungen für Verbraucher:innen und Hilfsprogramme für die Wirtschaft.
Privathaushalte sowie kleinere Unternehmen sollen mit Hilfe dieser abgeschöpften Übergewinne, die als "Zufallsgewinne" bezeichnet werden, die Strommenge für einen "Basisverbrauch" zu einem vergünstigten Preis erhalten. Für diese Strommenge gilt die sogenannte Strompreisbremse.
(Mit Material von dpa)