Die Fußballweltmeisterschaft der Männer 2022 in Katar ist für queere Menschen nicht die attraktivste Sportveranstaltung. In dem Land am Persischen Golf sind die Gesetze für LGBTIQ+-Personen, gelinde gesagt, problematisch.
Der katarische Staat als Ausrichter der WM hatte anfangs sogar jedwede Regenbogen-Präsenz in den Stadion und sogar im Umfeld untersagt. Als der amerikanische Sportjournalist Grant Wahl zum Spiel zwischen der USA und Wales wollte, wurde ihm der Einlass untersagt. Der Grund: Er trug einen Regenbogen auf seinem T-Shirt. Mittlerweile habe sich diese Praxis im Stadionumfeld etwas gelockert.
Und trotzdem erwecken Aktionen mit politischen Symbolen immer wieder großes Aufsehen. Beim Spiel zwischen Portugal und Uruguay lief ein Flitzer über das Spielfeld. Als der Mann mit Superman-T-Shirt und den Slogans "Save Ukraine" und "Respect for iranian woman" auf den Rasen lief, trug er eine bunte Peace-Fahne (ital.: Pace) mit sich, die viele als Regenbogenflagge interpretierten.
Die Peace-Fahne wurde von Schiedsrichter Alireza Faghani aufgehoben und vom Platz gebracht. "Ich hoffe, dass dem Jungen nichts passiert", sagte der portugiesische Mittelfeldspieler Rúben Neves nach der Partie. "Wir alle haben seine Botschaft verstanden, die ganze Welt." Die WM in Katar ist gespickt mit politischen Bekundungen und Zeichen. Doch wie geht es queeren Menschen, die in Katar leben?
"Die Situation für Menschen mit nicht-heterosexuellen Orientierungen und Geschlechtsidentitäten im Staat Katar ist eher problematisch", sagt Chamindra Weerawardhana. Sie arbeitet bei der "International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association" (ILGA) zu den Themen Geschlechtsidentität und Geschlechtsausdruck. Bei einer Pressekonferenz im Vorfeld der Fußball-WM sprach sie über die Lebenssituation von queeren Menschen in Katar.
Das katarische Strafgesetzbuch stelle gleichgeschlechtliche Handlungen schnell unter Strafe. "Es sind ziemlich strenge Strafen darunter. In Bezug auf das Scharia-Gesetz besteht die Möglichkeit einer potenziellen Todesstrafe." Viel wahrscheinlicher ist eine Inhaftierung: Homosexuelle werden mit bis zu sieben Jahren Gefängnis bestraft.
"Es sind also Situationen, in denen Menschen mit nicht-heterosexuellen Orientierungen und Geschlechtsidentitäten ihr Leben leider nicht offen leben können", sagt die Expertin.
Es herrsche ein ständiges Gefühl der Besorgnis, der Angst vor Repressalien durch den Staat: "Unsere Communitys sind sehr oft gezwungen, im Schatten zu leben". Es sei eine zutiefst problematische Situation, "wenn sie nicht sein können, wer sie sind."
Weerawardhana geht damit auf eine vielfach geäußerte Kritik ein. Die Behandlung von LGBTIQ+-Rechten sei eine, die vom Westen auf das mehrheitlich muslimisch geprägte Land übergestülpt würde. Das bestreitet die Wissenschaftlerin vehement. Sie sagt:
Sie fasst zusammen: "Wenn Sie über das Recht auf Gerechtigkeit oder Gleichheit unter den Menschen sprechen, gibt es da eine Menge Kompatibilität." Ihre Kritik lautet, dass die Argumentation Sensationshascherei sei.
In vielen Teilen der Welt werden die Menschenrechte angegriffen. "Und wenn in der Argumentation bei den Menschenrechten von westlichen Werten gesprochen wird, dann ist das einfach falsch." Es seien universelle Rechte, festgehalten in der Allgemeinen Charta der Menschen der Vereinten Nationen.
"Wir sind als internationaler Verband spezialisiert auf das, was mit den Menschenrechten geschieht und zutiefst besorgt über die Umstände der queeren Community im Staat Katar", erklärte Chamindra Weerawardhana.
Im Kontext der Fußball-Weltmeisterschaft der Männer sei sie auch um die Menschen besorgt, die das Turnier in Katar besuchen wollen, "sowie um die Sicherheit und das Wohlergehen von Freiwilligen, Spielern und ihrer Familien".
Weerawardhana spricht damit einen weiteren Aspekt an – der mit Blick auf das Großereignis stärkere Beachtung findet: Wie sieht es um die Sicherheit von queeren Fans aus, die nach Katar reisen?
"Offiziell heißt es, dass 'alle Menschen' willkommen sind, solange sie die katarische Tradition respektieren. Aber was bedeutet das?", stellte der Direktor von Human Rights Watch (HRW), Wenzel Michalski, im Gespräch mit watson vor der WM die entscheidende Frage. Wie unkonkret die Sicherheitszusagen sind, zeigt auch in der Praxis, wie mit Regenbogen-Farben im Stadion umgegangen wird.
Zuweilen verwechseln Sicherheitsmitarbeiter in Katar Flaggen und Symbole, die mit der LGBTIQ+-Community nichts zu tun haben, wie das Beispiel mit der Flagge des brasilianischen Bundesstaates Pernambuco gezeigt hat.
Michalski sagt:
Und er geht sogar noch weiter mit seiner Empfehlung, vorsichtig zu sein: "Ich würde keine sensiblen Posts machen. Die Überwachung in Katar ist absolut. Die Handydaten werden durchschnüffelt."
Der Direktor von Human Rights Watch fasst seine Einschätzung für alle Katar-Reisenden zusammen:
Viele LGBTIQ+-Fans haben daher ihren Boykott angekündigt. Sie sind nicht nach Katar geflogen. Eine, die in England geblieben ist, ist Di Cunningham. Bei der Pressekonferenz im Vorfeld der WM sagte die Co-Gründerin des Fanclubs "Three Lions Pride", warum.
Unabhängig von ihrer Sicherheit spiele auch die Sorge um ihre queeren Leidensgenoss:innen eine Rolle. "Unsere Sichtbarkeit, unsere Präsenz würde sie anfällig für systematischen, institutionellen und potenziellen Missbrauch durch Selbstjustiz machen. Und so sagen wir 'nein', wir gehen nicht."
(Mit Material von dpa)