Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) hat am vergangenen Donnerstag entschieden: Es soll weiterhin mit dem Astrazeneca-Impfstoff geimpft werden. Dies führt nun zu weiteren Debatten um das Vertrauen der Bevölkerung in Deutschland in den Stoff. Auch die Experten bei "Markus Lanz" sind sich nicht ganz einig, was sie von der Entscheidung halten sollen. Insbesondere Prof. Alexander Kekulé sieht die gesamte Lage kritisch.
Einer ist sich am Donnerstagabend bei "Markus Lanz" ganz sicher: der SPD-Politiker Karl Lauterbach. Zugeschaltet ins Studio sagt er, er sei "sehr zufrieden" mit der Entscheidung der EMA. Dies sei genau so zu erwarten gewesen. "Die Nebenwirkungen stehen in einem sehr guten Verhältnis zum Nutzen", erklärt der Epidemiologe. Ungefähr einer von rund 100.000 Geimpften erleide eine sogenannte Sinusvenenthrombose. Diese sei nicht mit der allgemeinen Thrombose zu vergleichen, deshalb gäbe es allgemein kein erhöhtes Risiko für Thrombosen.
Er selbst hätte keinen Impfstopp eingelegt, sondern weitergemacht bis die EMA sich meldet. Doch der Virologe Kekulé schätzt die Situation anders ein als sein Kollege, beziehungsweise stellt er Bedenken auf. Er fragt sich: "Ist das nur die Spitze des Eisbergs oder müssen wir eben mit diesen Fällen leben?" Er erklärt zudem, dass es Stand jetzt nicht nur die bekannten 13 Fälle dieser speziellen Thrombose gibt, sondern sagt: "Stand jetzt gibt es 18 Fälle mit schweren Komplikationen."
Man wisse noch nicht, ob es einen kausalen Zusammenhang zur Impfung gibt. Dennoch spricht auch er sich für eine weitere Verimpfung des Stoffes aus, da der Nutzen immer noch größer sei als der Schaden.
"Die Geschichte hat mir recht gegeben, wenn man sich das so anschaut", sagt Kekulé, aber fügt hinzu, dass der Impfstoff weitergegeben werden sollte, auch wenn er nicht der beste sei. Das Nebenwirkungsprofil sei nicht klar und zudem sei er nicht anpassbar an weitere Mutanten, weshalb er in seinen Augen schlechter ist als andere Stoffe. "Das wird von Satz zu Satz nicht besser", fügt Moderator Markus Lanz hinzu. "Das kann man so sehen, muss man aber nicht", sagt jedoch Lauterbach und erklärt logisch, warum er das so betrachtet. Diese Form der Thrombose sei sehr spezifisch und äußerst selten. Auch wenn sie durch die Impfdosis verursacht wird, bliebe sie dennoch selten. Es seien bereits 1,6 Millionen Deutsche damit geimpft und trotzdem blieben die Zahlen der Thrombosen niedrig, was darauf schließen lässt, dass diese Fälle nur äußerst selten vorkommen.
"Das ist also keine Spitze des Eisbergs!", gibt er Kekulé zu verstehen. Letzterer ist auch der Meinung, dass die EMA unter politischem Druck schnell handeln und eine Entscheidung treffen musste. Aber auch das sieht der SPD-Politiker anders und sagt, mit solchen Aussagen müsse man "sehr vorsichtig sein". An dieser Untersuchung hätten Experten aus der ganzen Welt gearbeitet und miteinander beraten. "Astrazeneca hat in vielerlei Hinsicht Pech gehabt", äußert Lauterbach und meint auch damit, dass der Stoff sich in der Praxis als besser herausstellen würde, als dies in den Studien zuvor der Fall war. So etwas sei "äußert selten der Fall". Doch der Fachkollege bleibt dabei, dass eine Thrombose selten erkannt würde und man deshalb nicht wissen, zu wie vielen Gerinnungsschwierigkeiten der Impfstoff führe. "Das sind nicht sofort diagnostizierbare Krankheiten."
Kekulé ist der Meinung, dass man das nur herausfinden könnte, indem man die Menschen nach Impfgabe auch darauf testet. Zudem plädiert er dafür, Risikogruppen zu identifizieren, damit diese den Stoff nicht bekommen. Seine Schwarzmalerei kommt bei Lanz jedoch nicht so gut an, weshalb er ihm an den Kopf wirft:
Doch diese Tatsache scheint dem Virologen nicht viel auszumachen. Doch noch jemand trifft an diesem Abend apokalyptische Aussagen. Lauterbach – der Gesundheitsminister der Herzen, wie ihn Lanz nennt – spricht die derzeit hohen Inzidenzzahlen an:
Doch die Todeszahlen gehen nach unten, während die Fälle steigen, hält Lanz dagegen. Doch das spielt für den Epidemiologen keine Rolle: Seiner Meinung nach werden sich die Zahlen schnell verdoppeln und was die Intensivpatienten und Toten betrifft, ist er sich sicher, dass auch diese Zahlen in den nächsten Wochen auf 300, 400 oder 500 Tote pro Tag steigen werden. Am Ende sind sich die beiden Experten zumindest hierbei sicher: Kekulé sagt auch, dass gelockert wurde "Ersatzmaßnahmen wie das Testen" zu haben. Seiner Meinung nach würden die Leute einen weiteren Lockdown nicht mehr mitmachen. Er spricht sich zudem dafür aus, dass nun jeder nur eine Impfdosis bekommt und man mit der zweiten wartet, damit stärker in der Breiter geimpft werden kann, um die hohen Zahlen zu senken. Aber er sagt auch: "Wir haben die letzte Chance verpasst, das Ende des Lockdowns vorzubereiten."
Stellvertretend für seine Partei sitzt an diesem Abend Tilman Kuban, der Bundesvorsitzende der Jungen Union, im Studio bei "Lanz" und muss Rede und Antwort stehen. Der Moderator fragt, wie man es den Leuten erklären solle, dass die Amerikaner sich bald bei Walmart oder McDonald's impfen lassen können und wir es noch nicht mal unseren Hausärzten überließen. "Unser Problem ist, dass zu wenig Stoff da ist", sagt der junge Politiker. "Wer hat's vermasselt?", hakt Lanz direkt nach. "Am Ende gibt's nicht die eine Person", sagt er dazu. "Würden Ihnen eher Namen einfallen, wenn es sich um die SPD handeln würde?" "Was genau wollen Sie von mir hören?", gibt Kuban zurück. Er sagt, am Ende hätten viele daran mitgewirkt. Warum er denn nicht Spahn nenne, will Lanz wissen. Doch der Politiker ist der Meinung, Gesundheitsminister Jens Spahn wollte damals anders handeln, aber musste das Thema der Europäischen Kommission überlassen.
"Würden Sie auch wie Merkel sagen, es sei nichts schiefgelaufen?" Doch hier gibt der Junge Union-Politiker zu: "Da ist viel schiefgelaufen! Aber jeder macht Fehler. Auch Sie und ich." Lanz drängt Kuban jedoch weiter in die Ecke und sagt, dass die CDU doch seit 16 Jahren an der Macht wäre und so vieles nun funktioniert habe. Dabei spielt er auch auf die Digitalisierung an. "Wir waren lange in vielen Bereichen überzeugt, dass wir Weltspitze sind", sagt Kuban, "aber müssen jetzt einsehen, dass wir es in einigen Themen auch nicht sind." Dann spricht Lanz erneut das Versprechen von Spahn an, der ab dem 1. März allen Bürgern Schnelltests zur Verfügung stellen wollte, was jedoch nicht funktioniert hat. Kuban ist der Meinung, dass es hierbei ums "Schuld zuschieben" gehen und die Länder und der Bund sich gegenseitig die Verantwortung dafür geben. Der Politiker sagt jedoch auch, dass der Aufbau von Testzentren Ländersache sei und Spahn damit nichts zu tun habe: "Man lässt Spahn da am langen Arm verhungern."
Am Ende der Sendung dreht sich alles wieder um die Maskenaffäre der CDU/CSU. Moderator Lanz ist eine Sache völlig unverständlich: Wie es sein könne, dass ein Apotheker aus Berlin sagt, er habe sich mit dem Maskenverkauf "dumm und dämlich" verdient, während manch anderer um seine Existenz bangen müsse. Der Hintergrund ist folgender: Für jede verkaufte Maske habe die Bundesregierung 6 Euro bezahlt, obwohl die Maske im Einkauf deutlich günstiger ist. Damit konnten sich Apotheken bereichern. "Das habe ich damals auch nicht verstanden", sagt Kuban. "Aber wer ist dafür verantwortlich?", will Lanz aus ihm herauskitzeln und letztendlich gibt er es auch zu: "Federführend war hier das Gesundheitsministerium."
Wie sich jedoch einzelne Abgeordnete zusätzlich zu ihren Diäten eine goldene Nase verdienen könnten, das verstehe er nicht. Er spielt auf seine Parteikollegen Nikolaus Löbel und Georg Nüßlein an, die sich selbst durch den Verkauf von Masken hohe Provisionen auszahlen ließen. Man habe zu lange weggeschaut in der Partei, doch jetzt würde sich etwas ändern, erklärt Kuban. Doch es gäbe viele Gute in der Partei, bestätigt auch Lanz, die dann das gesamte Image der Partei schädigen durch persönliche Bereicherung. Man merkt dem jungen Politiker seine Empörung am Ende der Sendung an: "Das geht einfach nicht. Das geht wirklich einfach nicht!"