Es ist nicht mehr lang hin bis zur Bundestagswahl, aber die Situation wird gefühlt stündlich verwirrender: Kann sich Deutschland wirklich einen Kanzler leisten, dessen bemerkenswerteste Eigenschaft ist, dass er "schlumpfig grinst"? Wie gut muss der Witz gewesen sein, über den Armin Laschet sich (und seine Chancen auf einen Sieg gleich mit) wegschmiss, als der Bundespräsident eine ernste Rede hielt? Und wieso gibt Annalena Baerbock zwar "heute-show"-Mitarbeiter Fabian Köster ein Interview, ignoriert dessen Kollegen Lutz van der Horst trotz heftigen Werbens aber?
In einem "heute-show Spezial", das am Freitagabend im ZDF lief und in der Mediathek abrufbar ist, machen sich die zwei Comedians auf einen "Roadtrip to Kanzleramt". Im Hinterkopf die entscheidende Frage: Wer wird demnächst hier einziehen, nachdem Angela Merkel "16 Jahre mietfrei gewohnt hat"? Erster Stopp: die SPD-Zentrale. Der rote Kanzlerkandidat sei ja "nicht der auffallendste Mensch", provoziert Köster den SPD-Kampagnenleiter. Der wiegelt ab. Fun Fact: Der Mann war mal CDU-Mitglied und hat für Angela Merkel die Werbetrommel gerührt. Das nennt man dann wohl maximal flexibel.
Generalsekretär Lars Klingbeil soll beantworten, wie froh er ist, dass es im Wahlkampf bisher "vor allem um Plagiate geht und nicht um Cum-Ex und Wirecard?" Klingbeil: "Ich bin jetzt ein bisschen traurig, dass nicht über die Zukunft geredet wird." Ein bisschen mehr als froh ist er aber, dass Olaf Scholz gegen Armin Laschet antreten muss. "Hätten die anderen Söder genommen, wäre es schwieriger geworden", so der SPD-Generalsekretär.
Nächster Stopp: SPD-Wahlkampfauftakt in Bochum. Köster und van der Horst trällern "Olove is in the air" im Auto, dann halten sie Zuschauern das Mikro in die (meist) mundschutzbedeckten Gesichter. "Ist Armin Laschet der wahre SPD-Kanzlerkandidat?" Eine ältere Dame schüttelt den Kopf, hat aber einen guten Rat für den Kanzler to be:
Im Weggehen gelingt es Köster, Olaf Scholz noch ein paar fiese Fragen hinzuwerfen: "Haben sie sich schon bei Armin Laschet und Annalena Baerbock bedankt?" – "Sie haben den Support der Menschen hier für die SPD nie vergessen? Im Gegensatz zu den Treffen mit den Cum-Ex-Bankern, die sie vergessen haben?"
Bei dem Auftakt der Grünen in Hildesheim und später in Bochum ist weniger zu holen. Annalena Baerbock bekräftigt immerhin, wie schön es ist, Robert Habeck auch im Wahlkampf stets an ihrer Seite zu haben. Fabian Köster hakt nach: "Ist das wirklich schön, dass sie immer wieder Herrn Habeck treffen?" Baerbock: "Ja, das ist richtig schön!"
Köster will wissen, ob er das erste Exklusiv-Interview bekommt, falls sie Kanzlerin wird, "wenn ich im Interview ihr Buch nicht anspreche?" Baerbock: "Sie kriegen ein Buch!" Köster: "Pah, da kann ich ja auch die ganzen Co-Autoren anfragen oder Wikipedia." Beim Volk kann die Grüne auch nicht so richtig punkten: "Unsere Bochumer Mädels schneiden nicht so auf und sind direkter", sagt ein Bürger.
Bessere Stimmung herrscht in Berlin-Spandau, wo Lutz van der Horst als Wahlkampfhelfer für den CDU-Kandidaten Joe Chialo anheuert. Der war früher bei den Grünen. Van der Horst: "Sie sind quasi wie Winfried Kretschmann, nur, dass sie sich geoutet haben?" Außerdem ist Chialo Musikmanager für die Kelly Family: "Was ist die größere Herausforderung: Das Comeback der Kelly Family oder das Comeback von Armin Laschet?" Chialo lacht: "Armin Laschet is on the way up!"
Dann soll er spontan einen Wahlkampfsong anstimmen, fordert van der Horst. Chialo nennt Freiheit, Zukunft und Liebe als Kernbotschaften. Einem zufällig in der Gegend herumstehenden Straßenmusiker nötigen sie, dazu Freestyle die Gitarre zu schrubben. Der Mann tut, wie ihm geheißen, macht danach aber klar, dass er sich auf keinen Fall für die CDU vor den Karren spannen lässt. "Kennt ihr dieses Symbol?", fragt er und zeigt auf seinen Unterarm, "das ist das Zeichen der APPD, der Anarchistischen Pogo-Partei Deutschlands." Tja, dumm gelaufen.
Letzter Stopp: St. Peter Ording. Armin Laschet steht im Sturm und redet tapfer gegen "Wir wollen Markus Söder!"-Rufe an. Köster zu Laschet: "In den Umfragen geht's für sie ja immer weiter nach unten. Ist das die endgültige Sozialdemokratisierung der CDU?" Laschet muss lächeln. Köster:
Fazit: Dieser Kandidaten-Check der "heute-show" hatte das, was der Wahlkampf bislang vermissen lässt: Chuzpe und Charme.