Viele Dinge des täglichen Bedarfs sind in den letzten Monaten spürbar teurer geworden.Bild: dpa / Felix Kästle
Wirtschaft
30.03.2022, 15:3230.03.2022, 15:34
Sechs Prozent? Sieben Prozent? Deutschlands
Verbraucher blicken mit Sorge auf die Inflationsentwicklung. Der
Krieg in der Ukraine heizt die Energiepreise weiter an, die schon
zuvor Haupttreiber der Teuerung waren. Im März kletterte die
jährliche Teuerungsrate auf 7.3 Prozent, wie das Statistische
Bundesamt am Mittwoch anhand einer ersten Schätzung mitteilte. Das
ist der höchste Stand im wiedervereinigten Deutschland und auch in
der bundesrepublikanischen Geschichte muss man bis zum Herbst 1981
zurückschauen, um ähnlich hohe Inflationsraten zu finden. Damals
waren die Mineralölpreise infolge des Ersten Golfkrieges stark
gestiegen.
Wie stark sind die Verbraucherpreise zuvor gestiegen?
Die Hoffnung auf sinkende Inflationsraten nach dem Jahreswechsel
erfüllte sich nur kurzzeitig. Nach einem Rückgang auf 4.9 Prozent im
Januar stieg die Teuerung in Deutschland bereits im Februar 2022
wieder über die Fünf-Prozent-Marke: Die Verbraucherpreise lagen um
5.1 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. Und nun also 7.3
Prozent Inflation im März, wobei Energie um 39.5 Prozent teurer war
als ein Jahr zuvor. Nicht nur die angespannte Lage auf dem Weltmarkt
treibt die Preise, sondern auch die deutsche CO2-Abgabe: Seit
Jahresbeginn werden 30 Euro je Tonne Kohlendioxid fällig, das beim
Verbrennen von Diesel, Benzin, Heizöl und Erdgas entsteht.
Wie sind die weiteren Aussichten?
Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland müssen sich nach
Einschätzung von Volkswirten auf weiter steigende Preise einstellen.
Im Februar lagen die Erzeugerpreise für gewerbliche Produkte um 25.9
Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. Für Konsumenten könnten
viele Produkte also noch teurer werden, weil Unternehmen auf höhere
Einkaufspreise etwa für Rohstoffe mit einem Preisaufschlag reagieren.
Einer aktuellen Umfrage des Ifo-Instituts zufolge planen immer mehr
Firmen Preiserhöhungen in den nächsten drei Monaten.
Supermarkt in Großbritannien: Auch hier sind die Preise deutlich angezogen.Bild: PA Wire / Aaron Chown
"Durch den Energiepreisschub aufgrund des Krieges dürfte sich der
Verbraucherpreisanstieg vor allem kurzfristig nochmals spürbar
verstärken", sagte Bundesbank-Präsident Joachim Nagel jüngst. Der
Bankenverband BdB erwartet in den nächsten Monaten Inflationsraten
von mehr als sieben Prozent. "Auch für die nächsten Jahre rechnen wir
mit deutlich steigenden Preisen", sagte BdB-Hauptgeschäftsführer
Christian Ossig. Das Ifo-Institut prognostiziert für das Gesamtjahr
2022 eine Teuerungsrate von bis zu 6.1 Prozent. Das wäre die höchste
Inflation in Deutschland seit der Wiedervereinigung 1990.
Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der
gesamtwirtschaftlichen Entwicklung rechnet ebenfalls mit 6.1 Prozent
Inflation in Deutschland in diesem Jahr. "Die große Abhängigkeit von
russischen Energielieferungen birgt das erhebliche Risiko einer
geringeren Wirtschaftsleistung und höherer Inflation", erklärten die
"Wirtschaftsweisen" in ihrer am Mittwoch vorgestellten Prognose.
Was heißt das für Verbraucher?
Höhere Inflationsraten schmälern die Kaufkraft von
Verbraucherinnen und Verbrauchern, weil sie sich für einen Euro dann
weniger leisten können. Vor allem dann, wenn Waren teurer werden, die
häufig gekauft werden, spüren die Menschen das im Portemonnaie: beim
Tanken, im Supermarkt. Dazu kommt: In den von der Corona-Pandemie
geprägten Jahren 2020 und 2021 mussten Deutschlands Arbeitnehmer
jeweils Reallohnverluste hinnehmen. Im vergangenen Jahr wurde der an
sich kräftige Anstieg der Bruttolöhne um knapp 3.1 Prozent mehr als
vollständig von den um gut 3.1 Prozent gestiegenen Verbraucherpreisen
aufgezehrt. Für das laufende Jahr sind wegen der noch stärker
anziehenden Inflation ebenfalls keine Reallohngewinne zu erwarten.
Was tut der Staat, um Verbraucher zu entlasten?
Die Bundesregierung hat in der vergangenen Woche ein weiteres
Paket geschnürt, um die Menschen angesichts der stark gestiegenen
Energie- und Spritpreise zu entlasten. Darin enthalten ist eine auf
drei Monate befristete Senkung der Energiesteuer, die den Liter
Benzin um 30 Cent und Diesel um 14 Cent günstiger machen soll. Zudem
erhalten Arbeitnehmer einmalig 300 Euro Energiezuschuss auf ihr
Bruttogehalt und Familien pro Kind 100 Euro Bonus auf den
Kinderfreibetrag. Die Gesamtkosten für den Staat werden nach
Schätzung des Bundesfinanzministeriums an die 16 Milliarden Euro
heranreichen, die das erste Entlastungspaket aus dem Februar
umfasste.
Ist die Inflation nur in Deutschland so hoch?
Auch im Euroraum insgesamt treiben vor allem die Energiepreise
die Teuerung. Im Februar erreichte sie mit 5.9 Prozent den höchsten
Stand im Währungsraum seit Einführung des Euro als
Verrechnungswährung im Jahr 1999. In den USA stiegen die
Verbraucherpreise im Februar zum Vorjahr um knapp 8 Prozent, das war
dort der höchste Wert seit 40 Jahren. Großbritannien erlebt den
steilsten Anstieg der Verbraucherpreise seit 1992.
Hat die Europäische Zentralbank reagiert?
Angesicht der hartnäckig hohen Inflation forciert die EZB die
Normalisierung ihrer seit Jahren ultralockeren Geldpolitik. Europas
Währungshüter rechnen für den Euroraum im laufenden Jahr mit einer
Teuerungsrate von 5.1 Prozent. Die Notenbank strebt stabile Preise
bei zwei Prozent Jahresteuerung an. Kritiker werfen der EZB schon
länger vor, mit ihrer Billiggeldflut die Inflation anzuheizen.
Die EZB strebt eigentlich eine Inflation von zwei Prozent an.Bild: greatif / Florian Gaul
Am 10. März hat die EZB beschlossen, den Erwerb zusätzlicher
Anleihen von Staaten und Unternehmen bereits bis Mitte 2022
zurückzufahren. "Sofern die Nettokäufe wie derzeit vorgesehen im
dritten Quartal enden, eröffnet das die Möglichkeit, bei Bedarf die
Leitzinsen noch in diesem Jahr anzuheben", sagte Bundesbank-Präsident
Nagel wenige Tage nach der Entscheidung des EZB-Rates, dem er
angehört.
Die Währungshüter haben ein Augenmerk darauf, dass es nicht zu
einer gefährlichen Lohn-Preis-Spirale kommt. Steigen die Löhne als
Reaktion auf die aktuell hohe Inflation zu stark, könnte das die
Preise noch weiter nach oben treiben, weil Unternehmen gestiegene
Löhne als Rechtfertigung von weiteren Preiserhöhungen heranziehen.
Löhne und Preise schaukeln sich dann gegenseitig hoch, die Inflation
könnte sich dauerhaft auf hohem Niveau festsetzen. Bislang sieht die
EZB aber keine Anzeichen für eine solche Entwicklung.
(fas /dpa)