Wirtschaft
Angesichts der Talfahrt der türkischen Lira hat Präsident Recep Tayyip Erdogan seine Landsleute aufgerufen, ihre Dollar- und Euro-Guthaben in die heimische Währung umzutauschen. "Meine Brüder, die Dollars oder Euros unter ihren Kissen haben", wandte sich Erdogan am Samstag auf einer Wahlkampfveranstaltung in Erzurum im Osten an die Bevölkerung.
"Geht und tauscht euer Geld in Lira um."
Die Landeswährung ist seit Jahresbeginn zum Dollar um rund 20 Prozent abgerutscht.
Vor einer Zinsanhebung durch die Zentralbank am Mittwoch hatte sie zur US-Währung ein Rekordtief von 4,929 Lira erreicht. Auch die Zinserhöhung brachte nur eine geringfügige Verbesserung gegenüber dem Rekordtief.
Erdogan hat bereits angekündigt, dass er nach den Parlaments- und Präsidentenwahlen am 24. Juni eine größere Kontrolle über die Geldpolitik ausüben will. Der Präsident, der sich erneut um sein dann mit weitaus größeren Machtbefugnissen ausgestattete Amt bewirbt, hat sich selbst zum "Gegner von Zinsen" erklärt.
Was die Lira-Schwäche für die Türkei bedeutet:
In Lira wird fast alles teurer, und so gut wie jeder ist betroffen. Preise für Importwaren haben stark zugelegt, was viele Lebensbereiche betrifft: Die Türkei hat ein großes Handelsbilanzdefizit, sie führt also wesentlich mehr ein als aus.
- Für Lebensmittel muss deutlich tiefer in die Tasche gegriffen werden, und wegen der zweistelligen Inflationsrate gilt das nicht nur für importierte, sondern auch für einheimische Waren. Verdeutlichen lässt sich das an Simits, den beliebten Sesamkringeln: Kostete ein Simit in der Bäckerei in Istanbul bis vor kurzem noch eine Lira, sind es nun eineinhalb.
- Beim Benzin hat die Regierung die Steuern angepasst, um die Preise kurz vor den Präsidenten- und Parlamentswahlen am 24. Juni nicht explodieren zu lassen. Damit hält sich zwar der Unmut der Bürger in Grenzen, dafür verringern sich aber die Einnahmen des Staates.
- Unternehmen, die vor allem exportieren, verschafft die Lira-Schwäche zwar Gewinne. In Schieflage bringt die Entwicklung aber vor allem türkische Firmen, die sich in Dollar oder Euro verschuldet haben und die in Lira Geschäfte machen. Umgerechnet in die einheimische Währung haben sich ihre Schulden innerhalb weniger Jahre verdoppelt, und die Zinsen werden immer teurer. Große Unternehmen können ihre Dollar-Kredite nicht mehr bedienen und müssen umschulden.
Erdogan bei der Wiedereröffnung des Basars in IstanbulBild: AP
Deutsche Touristen profitieren von der schwachen Währung: Wer Euro in der Tasche hat, für den sind die Preise wegen des Verfalls der Lira im Keller. Pensionszimmer sind im Juli auf einschlägigen Buchungsportalen schon ab 5 Euro zu haben, Fünf-Sterne-Hotels ab 69 Euro. Essen im Restaurant, Eintritte zu historischen Stätten, Ausflüge und Sportangebote: Wer Euro hat, kommt günstig weg.
(gam/Reuters/dpa)