Russlands Machthaber Wladimir Putin geht rigoros gegen all jene vor, die sich öffentlich gegen die Haltung des Kreml stellen. Das ist kein Geheimnis. Wer sich in Russland etwa gegen den Ukraine-Krieg positioniert, muss mit ernsthaften Konsequenzen rechnen. Vom Verlust des Jobs, über Drohungen bis hin zu Haftstrafen oder mysteriösem Ableben.
Wie teuer offener Protest den Menschen in dem Land zu stehen kommen kann, musste auch eine 33-Jährige am eigenen Leib erfahren. Sie ist keine Unbekannte und hatte Ende März 2022 mit einer Aktion in einem Supermarkt für Aufregung gesorgt. Nun muss sie jahrelang hinter Gitter. Freunde und Familie der Frau schlagen wegen unmenschlicher Haftbedingungen Alarm. Auch Amnesty International schaltet sich ein. Was dahinter steckt.
Aleksandra Skochilenko wurde eine Aktion in einem Supermarkt in Sankt Petersburg zum Verhängnis. Sie muss sieben Jahre lang ins Gefängnis, sitzt seit 14 Monaten in Untersuchungshaft. Der Grund: Die Russin hatte Preisschilder in dem Geschäft ausgetauscht.
Auf den ersten Blick ließ sich nicht erkennen, was genau die Frau verändert hat. Das Problem hinter der subtil durchgeführten Aktion steckt für den Kreml in den Worten, die die 33-Jährige auf den neuen Preisschildern versteckte: Botschaften zum Krieg Russlands in der Ukraine. Zwar war der Preis der Produkte auf den Schildern immer noch zu lesen, allerdings standen auf den manipulierten Zettelchen nun zusätzlich Botschaften wie "Stoppt den Krieg" oder "Rekordinflation durch Militäreinsatz". Aber auch längere Sätze waren darauf zu lesen.
Für Russland und seinen Machthaber Putin ein rotes Tuch.
Unbemerkt blieb die Aktion nicht. Es dauerte nicht lange, bis ein Kunde des Supermarktes die manipulierten Preisschilder bei der Polizei denunzierte. Die Folge: eine Festnahme Skochilenko, nur elf Tage später. Seitdem kam Skochilenko auch nicht mehr aus dem Gefängnis frei, sie saß zunächst in Untersuchungshaft. Ein russisches Gericht hat sie nun zu sieben Jahren Gefängnis in einer Strafkolonie verurteilt, wie russische Medien sowie die AP berichteten.
Damit hatte sie aus russischer Sicht noch Glück. Denn ihr wird vorgeworfen, wissentlich Falschinformationen über das russische Militär verbreitet zu haben. Eine Straftat, die mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft werden kann, in schwerwiegenden Fällen können es auch bis zu 15 Jahre sein. "Ich wollte den Krieg einfach beenden, das war meine Motivation", sagte die Beschuldigte in ihrem Prozess.
Skochilenko ist keine Unbekannte. Sie ist besonders bei jüngeren Russ:innen durchaus beliebt, veröffentlichte 2014 eine autobiografische Graphic Novel über Depressionen. Ein schwieriges Thema in einem Land, in dem persönliche Emotionen oft hinten anstehen müssen oder hinter verschlossenen Türen besprochen werden. "A Book About Depression" wurde sogar auf Englisch übersetzt.
Nun sitzt Skochilenko im Gefängnis. Bilder zeigen die Frau, wie sie Zeichen des Friedens und der Liebe sendet, selbst hinter Gittern.
Vor Gericht sagte Skochilenko laut "MR7.ru" vor der Urteilsverkündung:
Amnesty International (AI) kritisiert das Vorgehen gegen die Russin scharf. Für die Menschenrechtsorganisation ist Skotschilenko eine gewaltlose politische Gefangene. "Sie ist nur deshalb inhaftiert, weil sie friedlich ihren Widerstand gegen den Krieg zum Ausdruck gebracht hat", heißt es in einem Statement von AI. Zudem macht die Organisation auf das Schicksal der Russin aufmerksam, die in Untersuchungshaft Gewalt ausgesetzt ist.
Sorgen machen sich Menschenrechtsaktivist:innen sowie Freunde und Familie von Skochilenko wegen ihres Gesundheitszustandes. Ihr gehe es schlecht, sagt etwa ihre Ärztin, die Skotschilenko in der Untersuchungshaft aufsuchte. Denn: Sie habe einen Herzfehler, ihr Leben sei in Gefahr, ein Herzstillstand drohe, berichtet "MR7.ru".
Zudem leide sie an Zöliakie und einer posttraumatischen Belastungsstörung. Laut dem russischen Portal warnen ihre Anwälte, dass Skochilenko möglicherweise nicht in der Kolonie überleben wird, wo der Zugang zu geeigneten Nahrungsmitteln, Medikamenten und Ärzt:innen äußerst schwierig sein wird.