Politik
Analyse

Kampf um Merkels Platz: Jetzt spaltet sich die CDU schon wieder

Bild
Bild: imago/montage
Analyse

Kampf um Merkels Platz – Jetzt spaltet sich die CDU schon wieder

23.11.2018, 02:0123.11.2018, 07:48
Jonas schaible

Ein paar Wochen lang sprachen die Kandidaten für den CDU-Vorsitz über etwas anderes als Migration. Plötzlich waren die Rollen unklar. Doch mit einem Mal streitet die Partei wieder wie im Sommer.

Gleich der erste Fragesteller auf der CDU-Regionalkonferenz in Halle in Sachsen-Anhalt fragt nach dem UN-Migrationspakt. Wie die drei Kandidaten um den Parteivorsitz dazu stehen, möchte er wissen, aber eigentlich möchte er vor allem einen Appell loswerden: "Wenden Sie sich ab von der linksgrünen Politik einer Frau Merkel!"

Der zweite Fragesteller möchte wissen: Sollte der Parteitag Anfang Dezember den UN-Migrationspakt ablehnen, wie würde sich der neue Parteichef oder die neue Parteichefin dann verhalten?

Dann geht es weiter mit Asylrecht und Abschiebungen. Migration ist also das erste große Thema dieser Konferenz. Sie ist seit wenigen Tagen auch wieder das große Thema der deutschen politischen Debatte. Das ist auch eine Folge des Wettbewerbs um den CDU-Vorsitz – es verändert aber auch die Partei, die für einen Moment die große Möglichkeit zu haben schien, sich von den selbstzerstörerischen Kämpfen der vergangenen zwei Jahre zu lösen.

Differenzen wurden eingeebnet

Seit dem Herbst 2015 hatte sich die Union über die Flüchtlingspolitik zerstritten. Zwischen CDU und CSU kam es zu wechselseitigen Vorwürfen und Verwundungen, selbst der Bruch der Fraktionsgemeinschaft schien im Sommer denkbar. Innerhalb der beiden Parteien begannen alle anderen politischen Fragen in den Hintergrund zu treten, alle Differenzen wurden eingeebnet, die Komplexität der Haltungen reduziert, bis nur noch eine Leitfrage übrig war: Sag, wie hältst du es mit der Migration?

Danach schien sich zu entscheiden, wo einer stand, auf der Seite Merkels und der Flüchtlingsfreunde oder der Seehofer-Spahn-Seite der Flüchtlingsgegner. Hü oder Hott. Eine ganze Volkspartei verkleinert auf eine übermäßig vereinfachte Grunddifferenz.

Und doch wirkte diese Vereinfachung. Es ging ein Riss durch die Partei. Wut staute sich auf. Entsetzen. Unverständnis. Auf beiden Seiten der Konfliktlinie. Wer in Berlin mit Unions-Politikern sprach, der hörte immer wieder, er wisse nicht mehr, wie eine Zusammenarbeit auf Dauer möglich sein solle.

Dann aber wurde die CSU für ihren Konfrontationskurs in Bayern abgestraft, die Partei kam zum Schluss: Mit allzu großer Härte und der Dauerfixierung auf Flüchtlinge gewinnt eine moderne christlich-konservative Partei den rechten Rand nicht zurück. Sie verliert womöglich sogar mehr in der Mitte. Selbst Markus Söder und Alexander Dobrindt schlugen daraufhin leisere Töne an. Horst Seehofer bereitete seinen Abschied vor.

Dann, nach der Landtagswahl in Hessen, kündigte auch noch Angela Merkelüberraschend ihren Rücktritt als Parteichefin an. Sie, auf die Unterstützer, vor allem aber Gegner so viel projizieren, sie, die bei vielen Rechten und sehr Rechten so verhasst ist, sie, die ewige Vorsitzende, trat beiseite. Und sie tat es ruhig, besonnen, ohne nachzutreten oder Streit zu schüren.

In der CDU empfanden das viele als Befreiung.

Für die CDU bot sich die Möglichkeit, noch einmal ganz neu anzufangen. Die irgendwann übergroß gewordenen Konflikte zurückzustellen, durchzuatmen, neue und andere Themen zu bespielen, neue Allianzen zuzulassen, sich insgesamt neu zu verorten. Sich wieder zu befrieden.

Merz eröffnete die PR-Offensive mit einer eher zurückhaltenden Pressekonferenz, auf der er vage "Aufbruch und Erneuerung" versprach. Um Flüchtlinge ging es dabei kaum. Merz stimulierte vor allem die Sehnsucht nach mehr Wirtschaftsliberalismus. Daneben positionierte er sich als überzeugter Europäer. Kramp-Karrenbauer inszenierte sich mit streitbaren Aussagen zur gleichgeschlechtlichen Ehe und einer Beibehaltung des Informationsverbots für Ärzte in Bezug auf Abtreibungen als gesellschaftspolitisch konservativ. Sie forderte eine Steuerreform und eine europäische Armee. Und sie referenzierte oft Helmut Kohl.

Nur Spahn nannte beinahe verschämt in seinem ersten Aufschlag, einem Gastbeitrag in der "FAZ", Migration den "weißen Elefanten im Raum"; das Thema also, um das man nicht herumkomme.

Man ahnte, dass alles komplexer ist

Aber man kam herum, eine Weile zumindest. Eine Weile, in der man manchmal zu ahnen begann, dass Kramp-Karrenbauer nicht dem populären Zerrbild der quasi-grünen Parteilinken entsprach und Merz und Spahn nicht dem populären Zerrbild der aus der Zeit gefallenen oder selbstbestimmt aus der Zeit fallenden Parteirechten. Dass alles komplexer sein könnte.

Damit ist es jetzt vorbei. Peter Ramsauer von der CSU stellte sich gegen alle Parteivorderen und stellte den von der AfD so heftig kritisierten UN-Migrationspakt in Frage, den sogar der parteirechte Landesgruppenchef Alexander Dobrindt verteidigt. Indem Spahn sich der durch diese extrem rechte Kampagne seit Monaten nach oben gespülten Kritik am UN-Migrationspakt anschloss und indem Merz das individuelle Grundrecht auf Asyl in Frage stellt, auch wenn er das wieder etwas abmilderte – indem beide also das taten, riss der alte Graben wieder auf. Die Konfliktlinie des Sommers wird in rasendem Tempo wieder beherrschend.

Diese Promis sollten unbedingt in die Politik gehen

1 / 9
Diese Promis sollten unbedingt in die Politik gehen
Bibiana Steinhaus pfeift schon in der Bundesliga, next step: Kanzlerinnenamt!
quelle: imago sportfotodienst / yvonne fischer
Auf Facebook teilenAuf X teilen

Fortsetzung alter Kämpfe

Die Ambivalenzen verschwinden, die Perspektive auf die drei Kandidaten verengt sich wieder. Es ist kaum anzunehmen, dass die Kandidatin und die Kandidaten es bis zum Parteitag in zwei Wochen schaffen, die Debatte wieder vom Thema Zuwanderung und Flucht wegzulenken – und ob sie das überhaupt wollen.

Dann aber wird die Abstimmung um den Parteivorsitz wahrscheinlich eine, die sich vor allem an der Frage entscheidet, die die Partei seit zwei Jahren lähmt. Anstatt einer möglichen inhaltlichen Neuaufstellung am Ende der Ära Merkel sieht alles nach einer Fortsetzung der alten Kämpfe aus, unter denen die Union so litt.

Dieser Text ist zuerst auf t-online.de erschienen. 

Das könnte dich auch interessieren:
Taucher holt Iphone nach 15 Monaten aus Fluss – sein Fund schockiert eine Frau
Taucher holt Iphone nach 15 Monaten aus Fluss – sein Fund schockiert eine Frau
Mockridge spricht Sarah Connor auf Schwager Bushido an – Reaktion ist vielsagend
2
Mockridge spricht Sarah Connor auf Schwager Bushido an – Reaktion ist vielsagend
Aufwachsen mit 18 Geschwistern: "Mein Vater hatte 5 Frauen gleichzeitig"
Aufwachsen mit 18 Geschwistern: "Mein Vater hatte 5 Frauen gleichzeitig"
von Agatha Kremplewski
Heidi Klum über Ehe mit Tom Kaulitz: "Daumen drücken. Ich hoffe, es bleibt so"
Heidi Klum über Ehe mit Tom Kaulitz: "Daumen drücken. Ich hoffe, es bleibt so"
Palmer warnt bei Lanz vor "schwarzer Pädagogik" – und provoziert heftige Reaktionen
Palmer warnt bei Lanz vor "schwarzer Pädagogik" – und provoziert heftige Reaktionen
Heidi Klum und Tom Kaulitz verraten, wie es in ihrer Patchwork-Familie läuft
Heidi Klum und Tom Kaulitz verraten, wie es in ihrer Patchwork-Familie läuft
Früherer Jobcenter-Mitarbeiter packt aus: "Da kursiert die Angst"
5
Früherer Jobcenter-Mitarbeiter packt aus: "Da kursiert die Angst"
Als Singles bei TV-Date über Helene Fischer sprechen, geht alles ganz schnell ganz schief
Als Singles bei TV-Date über Helene Fischer sprechen, geht alles ganz schnell ganz schief
Hartz-IV-Empfängerin erhält 15.000 Euro – und erfüllt sich einen lang gehegten Wunsch
5
Hartz-IV-Empfängerin erhält 15.000 Euro – und erfüllt sich einen lang gehegten Wunsch
Urlauber sitzen wegen Thomas-Cook-Pleite fest: "Angst, am Strand schlafen zu müssen"
Urlauber sitzen wegen Thomas-Cook-Pleite fest: "Angst, am Strand schlafen zu müssen"
von Sophia Sichtermann
Lena mit Dirndl-Panne auf dem Oktoberfest – Kai Pflaume drückt ihr Blusen-Spruch rein
1
Lena mit Dirndl-Panne auf dem Oktoberfest – Kai Pflaume drückt ihr Blusen-Spruch rein
Du bist fit in Physik? Dann weißt du, wo der Blitz am unwahrscheinlichsten einschlägt
Du bist fit in Physik? Dann weißt du, wo der Blitz am unwahrscheinlichsten einschlägt
Einer muss den Mund aufmachen: Reus und die "Mentalitätsscheiße"
Einer muss den Mund aufmachen: Reus und die "Mentalitätsscheiße"
von Arne Siegmund
Wegen politischer Fragen? Andreas Gabalier brach TV-Interview ab
Wegen politischer Fragen? Andreas Gabalier brach TV-Interview ab
140.000 deutsche Urlauber von Cook-Insolvenz betroffen – 6 Antworten
140.000 deutsche Urlauber von Cook-Insolvenz betroffen – 6 Antworten
Drei Fälle in kurzer Zeit: Arzt erklärt, was hinter Fehlbildungen bei Babys stecken kann
4
Drei Fälle in kurzer Zeit: Arzt erklärt, was hinter Fehlbildungen bei Babys stecken kann
von Arne Siegmund
Ich habe meinen Vater in die Psychiatrie einweisen lassen
1
Ich habe meinen Vater in die Psychiatrie einweisen lassen
von jolina gruber*
25 Jahre später: Das wurde aus den "Friends"-Stars – und so (alt) sehen sie heute aus
25 Jahre später: Das wurde aus den "Friends"-Stars – und so (alt) sehen sie heute aus
Lena geht auf die Wiesn – und leistet sich böse Stil-Entgleisung
3
Lena geht auf die Wiesn – und leistet sich böse Stil-Entgleisung
von Philipp Luther
Markus Lanz: Philipp Amthor führt alle hinters Licht – Zuschauer empört
Markus Lanz: Philipp Amthor führt alle hinters Licht – Zuschauer empört
Nach ZDF-Eklat: Oliver Welke macht in "heute show" bösen Höcke-Witz - Raunen im Publikum
5
Nach ZDF-Eklat: Oliver Welke macht in "heute show" bösen Höcke-Witz - Raunen im Publikum
Ter Stegen top, Neuer aber auch – jetzt gibt es einen Verlierer im Torwart-Zoff
Ter Stegen top, Neuer aber auch – jetzt gibt es einen Verlierer im Torwart-Zoff
Torwart-Zoff: Hoeneß hat mit einer Sache recht – doch er wird dem FC Bayern schaden
Torwart-Zoff: Hoeneß hat mit einer Sache recht – doch er wird dem FC Bayern schaden
von Benedikt Niessen
Lena rappt über Sex mit sich selbst bei "Gemischtes Hack"
Lena rappt über Sex mit sich selbst bei "Gemischtes Hack"
Diese Szenen zeigen: Nicht mal die Experten sind von der Hartz-IV-Show "Zahltag" überzeugt
3
Diese Szenen zeigen: Nicht mal die Experten sind von der Hartz-IV-Show "Zahltag" überzeugt
von Agatha Kremplewski
"Steh auf" – Rammstein-Sänger verstört Fans mit Video
3
"Steh auf" – Rammstein-Sänger verstört Fans mit Video
von Philipp Luther
Tiere: 11 Fotos, die zeigen, wie lustig es in der Natur manchmal zugeht
Tiere: 11 Fotos, die zeigen, wie lustig es in der Natur manchmal zugeht
Hai pirscht sich an ahnunglosen Surfer heran: Dann kommt Hilfe – von oben!
Hai pirscht sich an ahnunglosen Surfer heran: Dann kommt Hilfe – von oben!
Brief ans Jobcenter: Bitte hört auf, meine über 60-jährige Mutter in Jobs zu drängen
15
Brief ans Jobcenter: Bitte hört auf, meine über 60-jährige Mutter in Jobs zu drängen
von Agatha Kremplewski
Gottschalk über Helene Fischer und Florian Silbereisen: "Hatte immer schlechtes Gefühl"
1
Gottschalk über Helene Fischer und Florian Silbereisen: "Hatte immer schlechtes Gefühl"
Luke Mockridge macht Andrea Kiewel in seiner Show ein Angebot – die blockt ab
2
Luke Mockridge macht Andrea Kiewel in seiner Show ein Angebot – die blockt ab
Kontakt mit 2 Bundesliga-Stars – warum der FCB trotzdem keinen Lewandowski-Backup holte
Kontakt mit 2 Bundesliga-Stars – warum der FCB trotzdem keinen Lewandowski-Backup holte
Luke Mockridge traf Kiwi noch kurz vor Auftritt: Wie er beim "Fernsehgarten" alle täuschte
3
Luke Mockridge traf Kiwi noch kurz vor Auftritt: Wie er beim "Fernsehgarten" alle täuschte
Hartz-IV-Show "Zahltag": Wie die Sendung falsche Hoffnungen schürt
2
Hartz-IV-Show "Zahltag": Wie die Sendung falsche Hoffnungen schürt
von Agatha Kremplewski
7 Zitate, die zeigen, wie "bürgerlich" Alexander Gauland wirklich ist
1
7 Zitate, die zeigen, wie "bürgerlich" Alexander Gauland wirklich ist
Wegen Staatsbesuch: UK-Sender zeigt stundenlang Trump-Lügen
Donald auf großer Reise: US-Präsident Trump ist diese Woche in Großbritannien zu Besuch, wo er feierlich von Premier Keir Starmer und König Charles empfangen wird. Ein TV-Sender nimmt sich das zum Anlass, um einen kuriosen Lügen-Marathon über Trump zu zeigen.
Donald Trump wird an diesem Mittwoch als erster US-Präsident überhaupt zu einem zweiten Staatsbesuch in Großbritannien empfangen. Dabei treffen er und seine Frau Melania auf Premier Keir Starmer, König Charles III. und Königin Camilla sowie Prinz William und seine Frau Kate.
Zur Story