"Gefangener Russlands": Donald Trump nimmt zum Auftakt des Nato-Gipfels Deutschland ins Visier. Bild: Pablo Martinez Monsivais/ AP
Analyse
Immer auf die Schwachen – was hinter Trumps Knallhart-Strategie beim Nato-Gipfel steckt
12.07.2018, 02:2712.07.2018, 07:08
fabian reinbold
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Donald Trump hat es wieder einmal geschafft. Seine Attacken auf Deutschland und seine Forderung, dass die Partner noch viel mehr Geld für Rüstung ausgeben sollen, haben den Nato-Gipfel dominiert.
Dabei hätte es niemanden überraschen dürfen, dass Trump das Treffen in Brüssel nutzt, um sich auf Angela Merkel und die Bundesregierung einzuschießen. Zu deutlich waren seine Äußerungen in den letzten Wochen.
Doch seine Rhetorik fiel schärfer als erwartet aus. Trump bezeichnete Deutschland wegen seiner Gas-Importe als "Gefangenen Russlands". Trump sagte, so könne die Nato überhaupt nicht funktionieren: Wenn man Energie aus Russland beziehe, könne man kein Teil des Verteidigungsbündnis gegen Russland sein. Hinter verschlossenen Türen forderte er dann, die Verbündeten sollten nicht nur zwei Prozent, sondern gar vier Prozent ihrer Bruttoinlandsprodukte für das Militär aufwenden.
Der Nato-Gipfel vom Juli 2018 könnte also in den Geschichtsbüchern künftig neben Trumps Aufkündigung des Iran-Deals vom Mai stehen, den die Europäer so sehr retten wollten. Und neben dem G7-Gipfel vom Juni, bei dem Trump die Abschlusserklärung zurückzog, als er schon wieder abgereist war.
Und wieder einmal fragen sich viele: Warum behandelt Trump die Verbündeten so, als wären sie Feinde?
Immer auf die Schwachen
Die Antwort ist gar nicht so kompliziert: Trump verfolgt überall eine knallharte Interessenpolitik. Dort, wo er Nachteile für die USA oder für seine eigene politische Agenda daheim sieht, attackiert er ohne Rücksicht auf Verluste. immer in der Hoffnung, dass schon irgendetwas abfallen wird.
Und er sucht sich dafür die Schwachen aus. Trump weiß, dass Deutschland verwundbar ist. Merkel hat gerade erst die schwerste Regierungskrise ihrer 13-jährigen Amtszeit überstanden, ihre Stellung in der EU ist angefochten.
Hinzu kommt, dass das Thema NordStream2, die deutschen Gas-Unternehmungen mit Russland, in der EU und in der Nato hochumstritten ist. Polen etwa lehnt die Pipeline ab, weil Transitzahlungen ausfallen und es fürchtet, im Konfliktfall von russischen Gaslieferungen abgeschnitten zu werden. In dieser Hinsicht ist Deutschland für Trump ein bequemes Angriffsziel.
Trump will, dass vor allem die Deutschen mehr für die Verteidigung ausgeben (was sie zugesagt haben), mehr amerikanische Autos kaufen und mehr amerikanisches Flüssiggas. Die USA fördern derzeit dank neuer Techniken wie Fracking viel mehr Gas als sie selbst brauchen.
Trump fuhr seine Attacke aber freilich nicht im Beisein der Kanzlerin, sondern bei einem Frühstück mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Dessen hilflose Versuche, Trump die grundsätzliche Idee des Bündnisses zu erklären und zu erläutern, dass auch Nato-Staaten früher schon Handel mit der Sowjetunion betrieben, blieben fruchtlos.
Das Manöver zeigte einen von Trumps ältesten Kniffs: Vorwürfe, die gegen ihn erhoben werden, auf andere zu schieben. Man kennt das aus der amerikanischen Innenpolitik: Ich soll mit Russland zusammengearbeitet haben? Ach was, die Demokraten sind die einzigen, die mit den Russen zusammen gearbeitet haben. Diese Unwahrheit hat er zu Dutzenden Gelegenheiten verbreitet.
Auf internationaler Ebene sollen es nun also die Deutschen sein, die mit Wladimir Putin eine ungesunde Verbindung eingegangen sind – und nicht er selbst. Was für ein willkommener Spin vor Trumps Treffen mit Putin am kommenden Montag, das in Washington und Brüssel die Alarmglocken schrillen lässt.
Beim Frühstück: Trump spricht Klartext
Es gäbe auch gute Nachrichten
Trump führt in Brüssel also jene Show auf, die die Amerikaner daheim nur allzu gut kennen.
Die Attacken kamen punktgenau zum Beginn und am Abend per Tweet, kurz bevor es zum gemeinsamen Dinner losging. Dazwischen blieb es ruhig. Nach einem Gespräch mit Merkel lobte Trump wie nach jeder persönlichen Begegnung die angebliche "großartige Beziehung". Es ist dieselbe Dynamik wie beim G7-Gipfel vor fünf Wochen.
Was bedeutet das für die Nato? Womöglich gar nicht so viel. Trump hat das Beistandsgelöbnis nicht angetastet, es gab nach jetzigem Wissen keine Absagen an Manöver an der Ostgrenze. Seine Vier-Prozent-Forderung wird von allen zurückgewiesen werden – in der gemeinsamen Abschlusserklärung ist allein vom Zwei-Prozent-Ziel die Rede.
Auch sonst hatte die Nato eigentlich ein paar Erfolgsmeldungen zu präsentieren: Zahlreiche Länder wie eben Deutschland erhöhen tatsächlich ihre Ausgaben. Es gibt mehr Kooperation zwischen den Europäern, beides vor allem auch dank Trump. Es soll mit Mazedonien ein neues Mitglied geben. Doch das kommt, wie auch in diesem Text, nur weit hinter Trumps Theater.