Sahra Wagenknecht ist die Namensgeberin und Vorsitzende ihres Personenkults BSW.Bild: dpa / Bernd von Jutrczenka
Analyse
Mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) gibt es seit einigen Monaten eine weitere nationalpopulistische Partei, die versucht, die etablierten Parteien anzugreifen. In dem Fall von links. Und es ist gekommen, um zu bleiben.
"Das BSW ist auf den Bund fixiert, darunter macht es Sahra Wagenknecht nicht", ist Politikwissenschaftler Gero Neugebauer bei watson überzeugt. Er forscht unter anderem zum Wahlverhalten und dem politischen System Deutschlands.
Bis zu 15 Prozent könne sich das Bündnis der ehemaligen Linken-Politikerin zu den Landtagswahlen im Osten ausrechnen, meint Politikwissenschaftler Klaus Schroeder von der FU Berlin im Gespräch mit watson.
Sahra Wagenknechts Mann Oskar Lafontaine wird nachgesagt, er ziehe die Strippen hinter BSW.Bild: imago images / Chris Emil Janßen
Das Ergebnis der Europawahl (6,2 Prozent aus dem Stand), zu der Wagenknecht mit dem BSW erstmals antrat, kommt einem Senkrecht-Start gleich – obwohl die EU-Wahl auch als Testwahl gilt. Meint: Wähler:innen probieren dabei auch mal Parteien aus, die sie sonst nicht wählen würden.
Sollte das Ergebnis aber im Osten stimmen, ist sich Schroeder sicher, dass das BSW im kommenden Jahr auch im Bund antreten wird. Dafür müssen jedoch noch zwölf der 16 Landesverbände gegründet werden. Bis dato gibt es vier.
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Chancen hat das BSW also offenbar. Doch reicht es für eine Regierungsbeteiligung im Bund – und in welcher Konstellation ist das überhaupt realistisch?
Bekannte Gefahr von ganz weit rechts außen: die AfD
Neben dem BSW sind alle Augen vor allem auf die AfD gerichtet. Die ausgedehnten Proteste auf Deutschlands Straßen Anfang des Jahres 2024 nach Veröffentlichung der "Correctiv"-Recherchen zu den dunklen Machenschaften der Ganz-weit-rechts-außen-Partei sind abgeebbt. Der Aufschrei nach der EU-Wahl zu einem Rechtsruck in Europa ebenfalls.
Was bleibt, sind die zu erwartenden Erfolge der AfD bei den Ostwahlen in diesem Jahr. Im September könnte die in Thüringen und Sachsen als gesichert rechtsextrem eingestufte Partei in ebenjenen Landtagen sowie in Brandenburg bis zu 30 Prozent erreichen.
Die Unionsparteien stehen dort derzeit zwischen 18 (Brandenburg) und 29 Prozent (Sachsen). Sie haben die Hoffnung noch nicht aufgegeben, die AfD zu besiegen. Ein Drahtseilakt.
Um die AfD zu verhindern, muss die CDU womöglich ein Bündnis mit dem BSW eingehen. Ausgeschlossen ist eine Regierungsbeteiligung der Rechtsaußen-Partei im Osten dennoch nicht.
Chance für das BSW – die AfD verhindern? (Im Bild: AfD-Vorsitzende Chrupalla und Weidel)Bild: imago images / Future Image
Auf Bundesebene sieht es da anders aus, sagen Expert:innen wie Schroeder. Er ist sich sicher, dass es sich keine demokratische Partei leisten könne, mit der AfD auf Bundesebene zusammenzuarbeiten.
AfD verhindern: Es kommt auf die CDU an
Auch auf Bundesebene kommt es dann auf die CDU an. Derzeit würden die Unionsparteien auf 31 Prozent kommen, die AfD auf knapp 17. Die SPD liegt in aktuellen Umfragen auf Platz drei mit rund 14 Prozent, gefolgt von Grünen (12 Prozent) und BSW (7,7 Prozent).
Die CDU schließt eigentlich eine Zusammenarbeit mit den Grünen aus. Für eine Große Koalition (GroKo) aus CDU und SPD könnte es knapp werden. Zu Hintergrund: Um eine Koalition stellen zu können, benötigen die entsprechenden Parteien zusammen mindestens die Hälfte der Sitze im Bundestag. Das sind nach der Wahlrechtsreform zur nächsten Bundestagswahl 315 von 630.
Wüst (l.), Merz (m.) oder doch Söder (r.): Auf den Kanzlerkandidaten der Union kommt es an.Bild: dpa / Michael Kappeler
Dazu kommt die Unsicherheit, dass die FDP an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern könnte. So oder so wird es wohl wieder weniger eine Liebesheirat und mehr eine Vernunftehe werden.
Unter welchen Bedingungen das BSW Regierungsverantwortung bekommt
Politikwissenschaftler Neugebauer schließt Koalitionen zumindest auf Landesebene aus CDU, SPD und BSW nicht aus, sollte das BSW auf Platz zwei oder drei rangieren. Schroeder gibt hier jedoch zu bedenken, dass die SPD unter Beteiligung des BSW obsolet würde. Auf Bundesebene sieht Neugebauer derzeit noch keine ernstere Bereitschaft der etablierten Parteien, mit dem BSW zu koalieren.
Schroeder stellt sogar in Aussicht, dass die CDU wohl eher mit den Grünen koalieren würde als mit dem BSW. Das allerdings komme auf den jeweiligen Kanzlerkandidaten der CDU/CSU an. Es deute vieles auf eine GroKo unter Federführung der Unionsparteien hin. Nach derzeitigem Stand bräuchte Schwarz/Grün jedoch das BSW für eine Sitz-Mehrheit. So oder so: "Nur als federführende Kraft in der Koalition" würden CDU oder SPD mit dem BSW koalieren, meint Neugebauer.
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