Am 8. Januar hat Sahra Wagenknecht die Partei "Bündnis Sahra Wagenknecht – Vernunft und Gerechtigkeit" gegründet.Bild: dpa / Bernd von Jutrczenka
Deutschland
08.01.2024, 16:3308.01.2024, 16:36
Mit 44 Gründungsmitgliedern gibt es nun eine neue Partei im demokratischen Spektrum: das Bündnis Sahra Wagenknecht – Vernunft und Gerechtigkeit (BSW). Benannt nach Gründungsmitglied und Partei-Co-Vorsitzende Sahra Wagenknecht. Die frühere Linkenpolitikerin hat am 8. Januar im Berlin die Neugründung ihrer Partei verkündet, gemeinsam in einer Doppelspitze mit der früheren Chefin der Linksfraktion, Amira Mohamed Ali.
Ein Teil dieser 44 Gründungsmitglieder, seien frühere Mitglieder der Linken, ein Teil habe anderen demokratischen Parteien angehört – viele seien aber auch Quereinsteiger:innen, erklärt Wagenknecht bei einer Pressekonferenz zur Gründung von BSW. Auch im Vorstand der Partei findet sich mit dem Unternehmer und Hochschulprofessor Shervin Haghsheno ein Quereinsteiger. Generalsekretär ist der Bundestagsabgeordnete Christian Leye. Der ehemalige Linken-Politiker Fabio De Masi und der langjährige SPD-Politiker Thomas Geisel sollen die neue Partei in die Europawahl führen.
Wofür BSW konkret steht, bleibt an diesem Tag wage, konkret will sich die Partei erstmal an den Eckpunkten zur Gründung des Vereins orientieren:
- "Wirtschaftliche Vernunft"
- "Soziale Gerechtigkeit"
- "Frieden"
- "Freiheit"
Ein genaues Parteiprogramm soll bis zur Bundestagswahl erarbeitet werden – und zwar unter Einbeziehung von Expert:innen. Denn die hätten sehr viel mehr Überblick, was die Bevölkerung braucht, als Berufspolitiker:innen, meint Wagenknecht.
Sie stellt klar: Ihre Partei soll dieses Jahr direkt in vier Wahlkämpfe gehen. So will das Bündnis nicht nur bei der Europawahl antreten, sondern auch bei den Wahlen in Ostdeutschland, die im Herbst anstehen. Gerade dort, meint die Politikerin, werde Ursache und Wirkung verwechselt. Die Stärke der AfD vor Ort sei die Schuld einer verfehlten Bundespolitik. Die Regierung, macht Wagenknecht deutlich, stoße die Menschen immer wieder vor den Kopf.
Wagenknecht: BSW stellt sich an die Seite der Bauern
Auch auf die Landwirt:innen, die am Tag der Parteigründung eine großangelegte Protestwoche mit Autobahnblockaden und Sternfahrten starten, kommt Wagenknecht zu sprechen. Sie stellt sich hinter die Protestierenden, die Ampel sei schuld, an den Zuständen, macht sie deutlich. Die Regierung habe keinen Plan, außer den Landwirt:innen das ohnehin schon knappe Geld aus der Tasche zu ziehen, zeigt sie sich überzeugt. Hinzu komme, dass die Opposition zum Großteil den Kurs der Regierung mittrage – das führe zu den "Denkzettel-Wahlen". Am Ende beschwere sich die Politik über das Volk.
Dass sich gerade die Union als Oppositionsführerin regelmäßig an der Ampel abarbeitet, verschweigt Wagenknecht. Und auch ihre ehemalige Partei, die als kleinste Oppositionsgruppe im Bundestag dennoch laut gegen Ampelpolitik, Union und AfD aufbegehrt, ignoriert sie.
Das Interesse an der Parteigründung ist groß.Bild: imago images / Stefan Zeitz
Angesprochen auf die Frage, ob BSW das individuelle Recht auf Asyl abschaffen will, erklärt Wagenknecht, man sei sich sehr einig, dass politisch Verfolgte Schutz bekommen müssten. Dann allerdings kommt die Politikerin ins Schwimmen: Die aktuellen Gesetze führten zu langen Verfahren, macht sie deutlich. Und diese gipfelten schließlich darin, dass in der Regel nicht jene Schutz bekämen, die ihn verdienten. "Das sehen wir an den Zahlen, noch nicht einmal ein Prozent derer, die einen Asylantrag stellen, haben auch ein Asylrecht", behauptet Wagenknecht.
Wagenknecht irritiert mit Zahlen zu Asylbescheiden
Eine Aussage, die auf Social Media schnell als Fake News entlarvt wird. So schreibt etwa die Linken-Politikerin Gökay Akbulut auf X, früher Twitter: "Dabei unterschlägt sie den Hinweis, dass die bereinigte Schutzquote 2023 bei knapp 70 Prozent lag. Denn neben der Asylanerkennung sind Flüchtlingsstatus nach der GFK, subsidiärer Schutz und Abschiebeverbote auch zu berücksichtigen."
Eine Zahl, zu der auch die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl kommt. Auf der Webseite steht:
"Derzeit bekommen über 70 Prozent der Menschen, deren Asylgründe vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geprüft werden, Schutz in Deutschland. Die Quote liegt damit auf Rekordniveau und beweist, dass der allergrößte Teil der Menschen, die nach Deutschland kommen und Schutz suchen, sehr gute Asylgründe hat."
"Die genannten ein Prozent sind eine pure Fantasiezahl. Es gibt keinerlei Empirie, die das stützt oder belegt. Weder von NGO's, noch aus dem BAMF", fasst auch Martin Glasenapp von der Menschenrechtsorganisation "European Center for Constitutional and Human Rights" auf X zusammen.
Was ist die bereinigte Schutzquote
Viele Asylanträge werden ohne inhaltliche Prüfung entschieden, etwa wenn ein Antrag zurückgezogen wird oder ein anderes EU-Land zuständig ist. Diese "formell bearbeiteten Fälle" werden in der bereinigten Statistik von den Gesamtfällen abgezogen.
Der Soziologe Oliver Nachtwey teilt zudem einen Artikel der Bundeszentrale für politische Bildung zum Thema Asylentscheidungen. Auch dort sind die angesprochenen ein Prozent nicht zu finden, stattdessen bezieht sich die bpb auf die nicht bereinigten Zahlen: 51,8 Prozent der Asylanträge (inklusive Schutzansprüche) wurden 2023 bewilligt.
Für BSW ist wohl dennoch klar: Die Asylpolitik Deutschlands und Europas muss sich verändern. Dazu gehöre aus Sicht der neuen Partei auch, Fluchtursachen zu bekämpfen. Durch wirtschaftliche Unterstützung – aber auch durch eine Friedenspolitik. Denn: Kriege brächten Menschen dazu, zu fliehen. Auch mit Blick auf die Ukraine sprechen die Gründungsmitglieder auf der Pressekonferenz von einer Entspannungspolitik. Ohne auf die möglichen Folgen der Ukraine – Gebietsverlust und damit Verlust der Autonomie – zu sprechen.
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BSW will Mitglieder persönlich auswählen
Und nicht nur die inhaltliche Ausrichtung der Partei sorgt für Kritik. Auch die Neumitglieder-Rekrutierung irritiert. So könnten Interessierte dem Bündnis nicht einfach beitreten. Stattdessen wollten Wagenknecht und Co zunächst prüfen, wer Teil ihrer Partei werden wolle. Die Politikerin empfiehlt daher denen, die sie und die ihren schon jetzt unterstützen wollen, Fördermitgliedschaften oder Wahlkampfhilfe. Zum Parteimitglied wird also erst, wer sich als würdig erweist.
Sie stellt aber auch klar: Die Menschen, die die Programmatik teilen und konstruktiv mitarbeiten wollen, werden irgendwann aufgenommen werden. Die Sorge, die junge Partei könnte von Rechten oder gar Rechtsextremen unterwandert werden, ist wohl groß. Wagenknecht macht außerdem klar: Einen direkten Wechsel von der AfD in das BSW werde es nicht geben.
Die Grünen, die haben laut konservativen und rechten Kräften immer Schuld an allem. Oder der "woke Wahnsinn". Was für viele Revisionisten eigentlich dasselbe ist. Und was machen die Woken laut rechter und konservativer Ecke? Natürlich alles wegcanceln aka zensieren, was nicht in ihre "Ideologie" passe. Die böse "Cancel Culture" ist längst ein Kampfbegriff der Rechten geworden.