Der Jahresbericht von Amnesty International zeigt: Die Lage der Menschenrechte weltweit ist prekär.Bild: imago images / IPON
International
24.04.2024, 08:0624.04.2024, 08:08
Die Welt ist bedrohlich. Wie nah Krieg und Zerstörung sein können, erleben auch die friedensverwöhnten Europäer:innen seit über zwei Jahren. Seit Russland die Ukraine überfallen hat. Mit dem Hamas Überfall auf Israel am 7. Oktober und dem daraufhin wieder aufflammenden Krieg in Nahost hat sich das Sicherheitsgefühl vieler Menschen auch hierzulande weiter verschlechtert.
Und dabei geht es Europa noch immer sehr gut. Der neue Jahresbericht von Amnesty International prangert nun an: Es sollen auch deutsche und europäische Doppelstandards sein, die die Menschenrechtslage in der Welt weiter verschlechtern.
So sind laut den Erkenntnissen der NGO Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte weltweit so bedroht wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Dokumentiert wird in dem Jahresbericht die Menschenrechtslage in 155 Ländern der Erde. Das Fazit ist bitter.
Zahlreiche Regierungen beschädigten mit Verstößen gegen das Völkerrecht und durch die Missachtung grundlegender Rechte die internationale Ordnung, heißt es darin etwa. Kriege und Konflikte, wachsende soziale Ungleichheit und die Klimakrise erforderten den Schutz der Rechte aller Menschen, heißt es in einer von Amnesty veröffentlichten Mitteilung. Gleichzeitig würde aktuell die Universalität der Menschenrechte infrage gestellt werden.
Amnesty gibt Deutschland Mitschuld an Menschenrechtsverletzungen
An der prekären Situation weltweit trägt aus Sicht der Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, Julia Duchrow, auch Deutschland eine Mitschuld. Sie sagt:
"Im Umgang mit bewaffneten Konflikten dominieren Doppelstandards. Das beschädigt die internationalen Menschenrechtsstandards, die die Staaten nach den Schrecken des Zweiten Weltkrieges errichtet hatten. Dafür trägt auch die Bundesregierung eine Mitverantwortung."
In dem Jahresbericht ist die Menschenrechtslage in zahlreichen Bereichen dokumentiert. So seien etwa Zivilist:innen bewaffneten Konflikten zunehmend schutzlos ausgeliefert. Der Grund aus Sicht von Amnesty: Regierungen, Sicherheitskräfte und bewaffnete Gruppen treten das Völkerrecht zunehmend mit Füßen.
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Ein Beispiel dafür sei der russische Überfall auf die Ukraine, in dessen Zusammenhang die Menschenrechtsorganisation etwa Folter und Misshandlung von Kriegsgefangenen dokumentiert hatte.
Auch im Sudan sei laut der Organisation zu beobachten, dass beide Konfliktparteien gezielte Angriffe durchführten, bei denen zahlreiche Zivilist:innen getötet und verstümmelt werden.
In Nahost würden ebenfalls von beiden Seiten Kriegsverbrechen begannen, stellt Amnesty klar. So habe es sich bei dem brutalen Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober um ein Kriegsverbrechen gehandelt. "Der danach begonnene Militäreinsatz der israelischen Streitkräfte geht ebenfalls mit zahlreichen Kriegsverbrechen und Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht einher, wie Amnesty in einer Reihe untersuchter Fälle dokumentiert hat", heißt es in der Mitteilung weiter.
Die Menschenrechtsorganisation fordert daher die Staaten – darunter auch Deutschland – auf, Waffenlieferungen an Israel und andere Beteiligte des Konfliktes einzustellen. Stattdessen sollten sich die Unterstützer:innen für die Freilassung der Geiseln und einen "sofortigen und dauerhaften Waffenstillstand" einsetzen.
Die Generalsekretärin Duchrow sagt dazu:
"Angesichts der düsteren globalen Lage müssen Regierungen die internationalen Institutionen, die zum Schutz der Menschenrechte errichtet wurden, stärken und erneuern. Eine Reform des UN-Sicherheitsrats ist überfällig. Die ständigen Mitglieder dürfen ihr Vetorecht nicht dazu einsetzen, den Schutz von Zivilpersonen zu verhindern."
Amnesty-Bericht: Geschlechterungerechtigkeit nimmt weltweit zu
Und nicht nur in Kriegs- und Krisenregionen ist die Menschenrechtslage laut des Berichts angespannt. Stattdessen prangert Amnesty auch zahlreiche Rückschläge im Bereich der Geschlechtergerechtigkeit an. "In den USA haben es Frauen immer schwerer, eine Schwangerschaft abzubrechen. In Afghanistan wurde für Mädchen der Schulbesuch weiter eingeschränkt. Im Iran gehen die Behörden mit zunehmender Härte gegen Frauen vor, die sich der Zwangsverschleierung widersetzen", listet die Organisation auf.
Auch um die Rechte der LGBTQIA+-Community stehe es in vielen Ländern der Erde schlechter als zuvor. In insgesamt 62 Ländern gebe es Gesetze, die gleichgeschlechtliche Liebe und Sexualität kriminalisieren. Zudem nehme Gewalt gegen Menschenrechts- oder auch Umweltaktivist:innen weiter zu.
Auch in Deutschland hätten menschenrechtsfeindliche Entwicklungen im Jahr 2023 zugenommen. So hätten politisch motivierte Straftaten und Übergriffe auf Schutzsuchende und Geflüchtetenunterkünfte zugenommen. Verschiedene NGOs hätten zudem von einem starken Anstieg rassistischer und antisemitischer Gewalt berichtet. "Deutschland erkennt strukturellen Rassismus nicht ausreichend an und tut zu wenig, um Menschen vor Hasskriminalität zu schützen", kritisiert Duchrow.
Die Lage für Aktivist:innen sei in Deutschland angespannt. Amnesty nennt in diesem Zusammenhang Hausdurchsuchungen und mehrwöchigen Präventivgewahrsam für Aktivist:innen der Letzten Generation. Auch die pauschalen Verbote für Solidaritäts-Demos mit Palästinenser:innen sieht die Menschenrechtsorganisation kritisch. "Dieses Vorgehen stellt einen Angriff auf das Recht auf friedlichen Protest und die Zivilgesellschaft dar", stellt die Generalsekretärin fest.
Um den Menschenrechtsschutz besser abzusichern, fordert Amnesty den gemeinsamen Einsatz der internationalen Staatengemeinschaft. Die Organisation stellt klar: Menschen müssen besser geschützt werden. Seien es Zivilist:innen in bewaffneten Konflikten, Schutzsuchende, Menschen aus der LGBTQIA+-Community oder Frauen. Auch die Meinungs- und Versammlungsfreiheit müsse weiter gestärkt werden.
Russland und das abgeschottete Nordkorea nähern sich politisch immer weiter an. Im Juni dieses Jahres besuchte der russische Machthaber Wladimir Putin Nordkorea. Es waren 24 Jahre seit seinem ersten Besuch vergangen.