Seit über einem Jahr führt Wladimir Putin einen Krieg gegen die Ukraine – und wenn es nach ihm geht, dürfte der wohl noch eine Weile dauern.Bild: AP / Uncredited
Analyse
Kriegswirtschaft und Durchhalte-Parolen: So will der russische Präsident sein Volk bei der Stange halten.
Philipp Löpfe / watson.ch
Leo Trotzki war ein Vordenker der Bolschewisten. Nach der erfolgreichen Oktoberrevolution schwor er die Russen auf das Konzept einer "permanenten Revolution" ein. Darunter verstand er eine immerwährende Umgestaltung der kapitalistischen Gesellschaft bis zum Endsieg des Kommunismus.
Wladimir Putin ist kein Kommunist, doch er hat offenbar seine eigene Version einer permanenten Revolution im Sinn: Er will einen endlosen Krieg. "Putin hat praktisch aufgehört, von konkreten Kriegszielen zu sprechen", erklärt der Politologe Maxim Trudolyubow gegenüber dem "Guardian". "Er stellt auch keine Vision eines zukünftigen Siegs in Aussicht. Sein Krieg hat weder einen klaren Anfang noch ein absehbares Ende."
Ein nicht namentlich genannter Diplomat wird vom "Guardian" wie folgt zitiert: "Putin bereitet die russische Bevölkerung auf einen Krieg vor, der nie zu Ende geht."
Der endlose Krieg war nicht geplant
Dabei war ein endloser Krieg ursprünglich nicht vorgesehen. Putin wollte die Ukraine in einem Blitzkrieg erobern und in Kiew eine Marionetten-Regierung installieren. Das ging gründlich in die Hose. Die russischen Truppen mussten sich nach schweren Verlusten in den Donbass zurückziehen und auch dort weite zuvor eroberte Gebiete wieder abgeben.
Als Folge davon berief Putin im vergangenen Herbst 300.000 Reservisten ein. Diese hätten in den vergangenen Wochen in einer Winteroffensive die ukrainischen Soldaten zermürben sollen. Auch dieser Plan ging nicht auf. An keiner Front konnten die russischen Truppen namhafte Erfolge erzielen. Das dürfte sich kaum ändern.
Der amerikanische Militärexperte Rob Lee erklärt ebenfalls im "Guardian", dass derzeit höchstens zehn Prozent der russischen Soldaten in der Lage seien, offensive Aktionen durchzuführen. "Sie können allenfalls ein paar und mit großen Opfern errungene Teilsiege erreichen", so Lee. "Aber sie haben keine Möglichkeit, die defensiven Linien der Ukrainer zu durchbrechen und so den Verlauf des Krieges zu ihren Gunsten zu verändern."
Die russischen Truppen haben sich offenbar immer noch nicht von ihrer Niederlage der ersten Kriegstage erholt. Die beiden Militärexperten Margarita Konaev und Owen Daniels stellen dazu in "Foreign Affairs" fest:
"Zurückgehalten von schlechter Führung und einer miserablen Kampfmoral fällt es den russischen Truppen schwer, sich vom desaströsen Versuch, im Februar 2022 Kiew zu erobern, zu erholen, ihre Strategie anzupassen und aus ihren Fehlern zu lernen."
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskyj bei einem Besuch in der umkämpften Stadt Saporischschja. Bild: AP / Efrem Lukatsky
Gemäß Konaev und Daniels ist es daher durchaus möglich, dass Putins "endloser Krieg" bald zu einem unfreiwilligen Ende kommen könnte. "Angesichts der Leistung der russischen Truppen halten es verschiedene westliche Experten für möglich, dass die russische Frühlingsoffensive vollends scheitern wird. Eine Meuterei der Soldaten, ja, selbst ein Kollaps des Regimes von Wladimir Putin wäre dann denkbar."
Auch in der russischen Wirtschaft machen sich die Folgen des Krieges und der Sanktionen immer stärker bemerkbar. Wichtige Kunden für Öl und Gas sind verschwunden. Gleichzeitig sind die Staatsausgaben sprunghaft angestiegen. Im Januar und Februar sind die Einnahmen aus den fossilen Brennstoffen im Jahresvergleich um 46 Prozent gesunken, die Staatsausgaben um mehr als 50 Prozent in die Höhe geschnellt.
Alexandra Prokopenko, eine hohe Beamtin der russischen Zentralbank, erklärt daher gegenüber dem "Wall Street Journal": "Die russische Wirtschaft ist im Begriff, in eine lange Rezession zu gleiten." Prokopenko hat Russland nach Ausbruch des Krieges verlassen.
Oleg Deripaska, der Milliardär und Rohstoff-Oligarch, warnt gar: "Nächstes Jahr geht uns das Geld aus. Wir brauchen ausländische Investoren."
Tatsächlich sind die wirtschaftlichen Aussichten Russlands düster. Um seine Staatskasse im Gleichgewicht zu halten, müsste der Ölpreis mehr als 100 Dollar pro Fass betragen. Im Februar wurde russisches Öl jedoch durchschnittlich zum Preis von 49.56 Dollar pro Fass verhökert. In den ersten beiden Monaten betrug das Defizit in der Staatskasse daher 34 Milliarden Dollar.
Russisches Öl geht aktuell zum Spotpreis über den Tresen.Bild: Stringer/dpa
Das bedeutet nicht, dass Russland demnächst pleite sein wird. Im Staatsfonds liegen immer noch 147 Milliarden Dollar. Doch Putin kann sein Versprechen, die zivile Wirtschaft trotz des Krieges nicht zurückzufahren, nicht mehr einhalten. Ein Großteil der industriellen Produktion besteht nun darin, Raketen, Artillerie-Munition und Kleider für die Soldaten herzustellen. "Das ist kein reales Wachstum der Produktivität", erklärt dazu Prokopenko. "Es ist keine Entwicklung der Wirtschaft."
Auch der Konsum bricht ein. Die Umsätze im Detailhandel sind 2022 um 6.7 Prozentpunkte zurückgegangen. Im Februar wurden 62 Prozent weniger Autos verkauft als im Vorjahr. Der Rubel wurde um 20 Prozent abgewertet, die Inflation liegt derzeit bei 11 Prozent. Dazu kommt, dass Hunderttausende junger Männer entweder ausgewandert sind oder ins Militär eingezogen wurden.
All dies wird Folgen haben. Wasily Astrow, ein Ökonom am Institut for International Economic Studies in Wien, erklärt daher gegenüber dem "Wall Street Journal":
"Wir sprechen hier nicht von einer Krise, die ein oder zwei Jahre dauern wird. Die russische Wirtschaft ist auf einen anderen Wachstumspfad geraten."
Die Bevölkerung scheint sich jedoch mit Kriegswirtschaft und Putins endlosem Krieg abgefunden zu haben. Andrei Kolesnikow von der Denkfabrik Carnegie Endowment erklärt gegenüber dem "Guardian": "Die meisten Russen haben akzeptiert, dass dieser Krieg nicht so schnell vorbei sein wird, und glauben, dass sie sich an die neuen Verhältnisse gewöhnen müssen."
Die Grünen, die haben laut konservativen und rechten Kräften immer Schuld an allem. Oder der "woke Wahnsinn". Was für viele Revisionisten eigentlich dasselbe ist. Und was machen die Woken laut rechter und konservativer Ecke? Natürlich alles wegcanceln aka zensieren, was nicht in ihre "Ideologie" passe. Die böse "Cancel Culture" ist längst ein Kampfbegriff der Rechten geworden.