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Analyse

Chinas Wirtschaft gerät in immer ärgere Schieflage: die Probleme in 4 Punkten

ARCHIV - 03.09.2022, China, Harbin: Ein Arbeiter arbeitet in einer Fabrik der Harbin Electric Machinery Company Ltd. der Harbin Electric Corporation in Harbin in der nordostchinesischen Provinz Heilon ...
Deflation, Exporteinbruch – der Wirtschaft in China geht es zunehmend schlechter.Bild: XinHua / Wang Song
Analyse

Chinas Wirtschaft gerät in immer ärgere Schieflage: die Probleme in 4 Punkten

Mit den jüngsten Zahlen enttäuscht das Land der Mitte noch mehr als angenommen. Ein Überblick über die vier gewichtigsten Probleme, die sich Chinas Wirtschaft derzeit stellen.
14.08.2023, 19:28
Lara Knuchel / watson.ch
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Dass 2023, das Jahr des Hasen, kein gutes Jahr für die chinesische Wirtschaft sein wird, zeichnete sich schon länger ab. Doch die neusten Zahlen, die diese Woche veröffentlicht wurden, zeigen ein immer düstereres Bild.

Am Dienstag wurde bekannt, dass die Exporte der zweitgrößten Volkswirtschaft im Juli so stark eingebrochen sind wie zuletzt nur in den ersten Pandemie-Monaten. Und am Mittwoch bestätigten sich nun die Befürchtungen, wonach China sich mit einer Deflation herumschlagen muss.

Zwar versucht die chinesische Regierung, den Konsum und damit die gesamte Wirtschaft wieder anzukurbeln, bislang zeigen ihre Bemühungen aber wenig Erfolg. Eine Übersicht über die größten Baustellen:

Deflation

Es ist ein Begriff, der westlichen Ländern derzeit wie ein Fremdwort vorkommen dürfte: Deflation. Zum ersten Mal seit Anfang 2021 erlebt die chinesische Wirtschaft wieder sinkende Preise.

Der Konsumentenpreisindex ist im Juli gegenüber dem Vorjahr um 0,3 Prozent gesunken, wie aus den am vergangenen Mittwoch veröffentlichten offiziellen Statistiken hervorgeht. Dies, nachdem er im Vormonat unverändert geblieben war. Und der Produzentenpreisindex, der die Preise von Waren direkt ab Werk misst, sank im selben Zeitraum gar um 4,4 Prozent.

Wo liegt der Unterschied zu westlichen Ländern, die die steigenden Preise nur langsam in den Griff kriegen? Während Europa und die USA zu Pandemie-Zeiten umfassende Konjunkturmaßnahmen einleiteten – die in der Folge zu steigenden Preisen beitrugen –, setzte China auf eine dreijährige Zero-Covid-Politik.

Zwar versuchte die Regierung nach der Aufhebung dieser Zero-Covid-Politik mit Zinssenkungen und Steueranreizen für Firmen, die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Die erhofften Effekte blieben bislang allerdings weitgehend aus.

230804 -- BEIJING, Aug. 4, 2023 -- Consumers visit a shopping mall in Kunming, southwest China s Yunnan Province, Jan. 1, 2023. Photo by /Xinhua Xinhua Headlines: China rolls out measures to boost eco ...
Eine Shopping-Mall in Kunming. In China sinken die Preise erstmals seit zweieinhalb Jahren. Bild: imago images / Xinhua

In den Augen der meisten Ökonomen ist eine Deflation problematischer als eine – wenn auch nicht allzu hohe – Inflation. Das liegt einerseits an den Erwartungen: Wenn Konsumentinnen und Konsumenten davon ausgehen, dass Produkte immer billiger werden, schieben sie ihren Konsum immer weiter auf.

Das kann, andererseits, zu sinkenden Gewinnen, tieferen Löhnen oder Entlassungen bei Firmen führen. Eine Spirale, die, wenn sie an Fahrt gewinnt, nur schwer unter Kontrolle zu bringen ist.

Einbruch bei den Exporten

Zu Chinas Unglück können derzeit auch vom sonst so wichtigen Außenhandel keine positiven Impulse erwartet werden. Im Gegenteil: Der Wert der Exporte, gemessen in US-Dollar, fiel im vergangenen Monat gegenüber dem Vorjahr um 14,5 Prozent. Es ist der stärkste Rückgang seit Februar 2020 und gleichzeitig der dritte Monat in Folge, in dem die Exporte zurückgehen.

Zwar muss man hier etwas relativieren: Die Zahlen werden mit Juli 2022 verglichen, als die Exporte außergewöhnlich hoch und die Preise noch deutlich tiefer waren. Dennoch: Der Einbruch übersteigt die Erwartungen der Analystinnen und Analysten und ist ein weiteres Zeichen für die anhaltende Baisse in der globalen Nachfrage nach Konsumgütern.

ARCHIV - 10.07.2021, China, Shanghai: Übersicht von dem Yangshan-Containerhafen. Chinas Exporte sind im Juni 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 12,4 % gesunken, was auf die schwächere globale Nachfrage  ...
Die Exporte sinken bereits seit mehreren Monaten: Container im Hafen von Schanghai.Bild: CHINATOPIX

Schwächelnde Exporte versetzen der chinesischen Wirtschaft einen herben Schlag. Schließlich war der Außenhandel gerade zu Pandemie-Zeiten ein wichtiger Lichtblick – 2022 waren die Exporte für 17 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verantwortlich.

Hinzu kommt, dass die USA, der wichtigste Handelspartner Chinas, immer stärker auf eine Entkopplung der beiden Volkswirtschaften drängt. Gut möglich, dass die Regierung Xi Jin Ping deshalb zurzeit auf Versöhnungskurs ist. Dazu passen Spekulationen, wonach Chinas Außenminister abgesetzt wurde, weil er einen zu rigorosen anti-amerikanischen Kurs fuhr.

Gleichzeitig mit den Exporten fielen auch Chinas Importe um über zwölf Prozent – deutlich mehr als die von Analysten erwarteten fünf Prozent. Auch das ein Zeugnis dafür, dass die Menschen in China nicht gerade in Kauflaune sind. Angesichts der dürftigen Auftragslage und der schlechten Konjunkturaussichten haben Chinesinnen und Chinesen derzeit wenig Grund, ihr Geld auszugeben.

Vielmehr will man sich absichern und sparen – nicht zuletzt, da das soziale Sicherungssystem in China eher schwach ist und die Menschen dazu angehalten werden, sich selbst zu versichern.

Immobilienkrise

Während Jahrzehnten waren große private Baufirmen die großen Treiber hinter Chinas Urbanisierung: Zahlreiche gigantische Projekte ließen den Immobiliensektor so stark anwachsen, dass die gesamte Branche (inklusive der Dienstleistungen) mittlerweile 25 Prozent der Wirtschaftsleistung Chinas ausmacht. Das war von der Regierung, die die Branche mit entsprechenden Regulierungen und Anreizen unterstützte und sogar Wachstumsziele vorgab, so gewollt.

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In China gibt es mittlerweile zu viele Immobilien: Wohngebäude in Peking, China.Bild: imago images / YAY Images

Doch seit etwa zwei Jahren holt diese Politik die Regierung ein. Ende 2021 kollabierte der zweitgrößte Immobilienkonzern Chinas, Evergrande, und musste massive Restrukturierungen vornehmen. Er war nicht der einzige Konzern mit großen Problemen. Der Grund: Die Immobilienbranche baute jahrelang auf Pump.

Und da der Markt nach wie vor stark durch die Regierung gesteuert – und maßgeblich finanziert – wird, sieht sich die Branche nun mit einem Überangebot konfrontiert. "Die kommunistischen Planer haben es zugelassen, dass am Bedarf vorbei gebaut wurde", formuliert es die NZZ. Das führte unter anderem dazu, dass zahlreiche Immobilien nicht fertig gebaut werden oder leer stehen, gleichzeitig können viele Konzerne ihren riesigen finanziellen Verpflichtungen nicht mehr oder nur mit Mühe und Not nachkommen.

Jetzt, da der Konsum generell nachlässt, scheint eine Erholung des Immobiliensektors in weite Ferne gerückt. Laut der "Financial Times" sinkt die Nachfrage nach Immobilien weiterhin kontinuierlich. Ein Analyst sagt gegenüber der Zeitung: "Das Finanzierungsmodell für chinesische Entwickler ist kaputt und es gibt nichts, was es ersetzen könnte. Letztendlich werden sie an den Punkt kommen, an dem sie nichts mehr verkaufen können und keine Einnahmen mehr haben."

Arbeitslosigkeit

Sie dürfen nicht zu hohe Ziele haben und bei der Arbeit nicht wählerisch sein, wird den jungen Leuten in China derzeit eingetrichtert. Der Hintergrund: Die Jugendarbeitslosigkeit in städtischen Gebieten ist auf eine Rekordrate von über 21 Prozent geklettert.

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China sieht sich mit einer rekordverdächtigen Jugendarbeitslosigkeit konfrontiert. Besonders in Großstädten ist die Lage ernst. 2023 machen 11,6 Millionen Studierende ihren Abschluss.Bild: imago images / VCG

Die Gründe für diese Verdoppelung innerhalb von zwei Jahren können so zusammengefasst werden: Einerseits gibt es einen sichtbaren "Mismatch" zwischen Angebot und Nachfrage. Während Chinas Regierung eine höhere Bildungsquote forcierte, bildeten sich die entsprechenden Jobs für Hochqualifizierte nicht mit derselben Geschwindigkeit. Die Folge: Zu viele Jobs für Niedrigqualifizierte, zu viele Chinesinnen und Chinesen mit hohen Abschlüssen.

Darüber hinaus haben das harte Durchgreifen der Regierung und die verschärfte Aufsicht bei Technologiefirmen wie zum Beispiel Alibaba eine gesamte Branche gedämpft, wie die "New York Times" schreibt. Es sind Bereiche, in die junge Menschen strömten, um Arbeit zu finden.

Und nicht zuletzt ist auch die bisher unbekannt hohe Arbeitslosigkeit eine Folge der Konjunkturlage: Seit der Pandemie sträuben sich private Firmen gegen die Schaffung von mehr Jobs.

Zwar erhoffte man sich eine schnelle Besserung nach der Öffnung, aufgrund der enttäuschenden Wachstumszahlen im zweiten Quartal sah sich aber auch hier die Regierung gezwungen, nachzuhelfen. So veröffentlichte Peking einen 31-Punkte-Plan, der die Firmen dazu animieren sollte, Arbeitsplätze zu schaffen.

Wie eine Elite-Einheit Russland abwehrt und die Ukraine dennoch in die Bredouille kommt

Der Krieg begleitet die Ukraine mittlerweile seit über zehn Jahren, zumindest auf der Krim. Seit dem russischen Überfall vor über zwei Jahren befindet sich das gesamte Land im Kampfmodus. Wider Erwartens hat es die Ukraine bis heute geschafft, sich zu verteidigen. Zahlreiche Militärexpert:innen sind zu Beginn davon ausgegangen, dass der Krieg nicht lange andauern würde.

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