Dürfte der Präsident sogar jemanden erschießen? Trumps Anwälte behaupten neuerdings, seine Macht schütze ihn vor Ermittlungen. Dahinter steckt eine Strategie, die schon einmal funktioniert hat.
Nachdem Richard Nixon wegen der Watergate-Affäre aus dem Amt gejagt worden war, brachte er seine Auffassung über seine Machtfülle als US-Präsident mit einem Satz auf den Punkt. "Wenn der Präsident etwas tut, bedeutet es, dass es nicht illegal ist."
Dieser Satz fehlt in keinem Buch über amerikanische Zeitgeschichte. Meist dient er dem Zweck zu zeigen, wie weit sich ein Präsident vom festgeschriebenen System der Gewaltenteilung und -verschränkung entfernen kann.
Jetzt, vierzig Jahre später, holt Donald Trump die Ideen hinter diesem Satz zurück ins Weiße Haus.
Trump und seine Anwälte feuern aus allen Rohren mit einer Botschaft: Die Macht des Präsidenten ist so gut wie unendlich und nimmt ihn von Strafverfolgung aus. Damit wollen sie ihn vor Sonderermittler Robert Mueller schützen.
Die neueste Volte lautet dabei, dass sich Donald Trump im Fall der Fälle auch selbst begnadigen könne. Erst hatte sie Rudy Giuliani, der Anwalt des US-Präsidenten, am Wochenende ins Gespräch gebracht, dann legte Trump selbst am Montag nach. Er habe das "absolute Recht, mich selbst zu begnadigen", aber natürlich habe er sich nichts zuschulden kommen lassen. Kurz darauf nannte er die Sonderermittlungen gegen ihn "verfassungswidrig".
Seit einem Jahr laufen die Sonderermittlungen von Ex-FBI-Chef Robert Mueller gegen Trump wegen möglicher Kooperation mit Russland und Vorwürfen, die Arbeit der Justiz zu behindern. Trump selbst soll noch vernommen werden und zahlreiche Widersprüche des Präsidenten dürften dabei untersucht werden.
Und während der in den ersten Monaten zähneknirschend die Ermittlungen hat laufen lassen, in der Hoffnung, dass das Ganze schnell überstanden sein könnte, hat sich in den vergangenen Monaten, je näher eine mögliche Aussage rückt, ein anderer Kurs durchgesetzt: Trump versucht die Untersuchungen als politisch motiviert zu diskreditieren und nun setzen er und seine Anwälte ergänzend auf die juristische Diskreditierung, indem sie Trump als immun darstellen.
Dass sich Trump bei der angeblichen Macht zur Selbstbegnadigung auf "zahlreiche verfassungsrechtliche Forscher" beruft, ist zweifelhaft. Eine Mehrzahl weist das Konstrukt zurück. Richterlich entschieden ist die Frage allerdings nicht.
Anwalt Giuliani ist's egal, er feuert längst aus allen Rohren: Trump könne als Präsident gar nicht angeklagt werden, betont sein alter Gefährte in diesen Tagen besonders oft. Um seinen Punkt zu unterstreichen, griff Giuliani zu diesem Bild: Trump durfte Comey nicht nur entlassen, er hätte ihn auch im Oval Office erschießen können, ohne eine Anklage fürchten zu müssen, sagte er der "Huffington Post". Erst wenn der Präsident des Amtes enthoben sei, könne er angeklagt werden.
Comeys Fall steht im Zentrum, weil er ein Hinweis darauf liefern könnte, dass Trump womöglich die Arbeit der Justiz behindert hat. Doch darauf haben Trumps Anwälte auch schon eine Antwort gefunden, wie sich einem Schreiben an Sonderermittler Mueller entnehmen lässt, das die "New York Times" am Wochenende veröffentlichte.
Trump könne die Arbeit der Justiz gar nicht behindern, weil er selbst der oberste Justizbeamte der Republik sei, heißt es sinngemäß. Dementsprechend könne er alle Untergebenen feuern, ohne darüber Rechenschaft abzulegen. Zwar galt als oberster Justizbeamter bislang der "attorney general", Justizminister und Generalbundesanwalt in Personalunion, aber sei's drum.
Folgt man der Argumentation, hieße dies: Selbst wenn die Ermittler Trump nachweisen könnten, dass er Comey entlassen habe, um sich der Russland-Ermittlungen zu entledigen, sei dies egal.
Der neue Verweis auf die Quasi-Unberührbarkeit des Präsidenten tritt also nun auch öffentlich neben die Diskreditierung der Sonderermittlungen als politisches Manöver von Trump-Gegnern. Trump spricht und twittert seit Monaten von einer Hexenjagd, auch die Sprecherin des Weißen Hauses benutzt den Begriff. Außerdem behaupten die beiden, er sei erwiesen, dass es keinerlei illegale Zusammenarbeit mit Russland gegeben habe.
Das gebetsmühlenartige Wiederholen dieser Begriffe hat Folgen. Immer mehr Trump-Anhänger übernehmen diese Kategorien. 75 Prozent der Republikaner bezeichneten in einer "Economist"-Umfrage vom Mai die Sonderermittlungen ebenfalls als "Hexenjagd". 61 Prozent sagten gar, das FBI wolle Trump etwas in die Schuhe schieben.
Die Umfrage ist nur eine von mehreren, die folgende Entwicklung zeigen: Die Mehrheit von Trumps Anhänger übernimmt irgendwann seine Äußerungen gegen FBI und Sonderermittler. Er dürfte auf einen ähnlichen Effekt hoffen, wenn er nur oft genug die Auslegung wiederholt, dass Ermittlungen dem Präsidenten nichts anhaben können.
Dieser Artikel erschien zuerst auf t-online.de.