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Die andere Perspektive

Frauen- und LGBTQI-Feindlichkeit in Polen: Warum selbst junge Katholiken zweifeln

Die "Christus-König-Statue" in Świebodzin (dt. Schwiebus). 2010 wurde sie erbaut, der Architekt hat einen Preis für die hässlichste Architektur des Jahres erhalten
Bild: watson / Joana Rettig

Polen und seine Menschen:

Die andere Perspektive

Bröckelnde Macht – über die katholische Kirche, ihren Einfluss auf das Leben aller und zweifelnde junge Gläubige

Unsere Autorin verbrachte fünf Tage in Polen, sprach mit vielen Menschen, versorgte Geflüchtete im Wald an der Grenze zu Belarus. Sie hörte schreiende Babys aus Lautsprechern bei einer Frauenhasser-Demonstration und lauschte den Gesängen in einer katholischen Messe. Sie wollte erfahren, wer "diese Polen" sind – und fand mehr Antworten, als sie erwartet hatte. Sie hat daraus eine Reportage in vier Kapiteln gemacht.
28.12.2021, 17:1606.02.2022, 14:57
Im ersten Kapitel der Multimedia-Reportage geht es um die katholische Kirche, die in Polen so präsent ist wie kaum anderswo in Europa. Wie beeinflusst sie die Menschen und den Staat? Wie mächtig ist sie wirklich?
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Höre dir hier das gesamte erste Kapitel der Reportage als Audiofassung an:

Ich hatte Angst.

Ich hatte Angst davor, mit Frauenhassern zu sprechen und ich hatte Angst, sie würden gar nicht mit mir sprechen wollen. Während ich meine Recherchereise nach Polen plante, bekam ich sofort einen Knoten im Hals, als ich daran dachte, dass ich ja vielleicht mit Geflüchteten in Kontakt kommen würde, dass mich ihre Geschichten, ihr Leid so schmerzen könnten, dass ich darüber nicht hinwegkommen würde. Ich hatte Angst vor fundamentalistischen Katholiken, Angst vor Rechtsextremen und Nationalisten.

Ich wollte lernen. Wollte herausfinden, wer "diese Polen" sind. Wenn man denn überhaupt von einem Volk als eine homogene Masse sprechen kann.

Wir aus der watson-Politikredaktion wollten uns die Lage in unserem Nachbarland aus nächster Nähe anschauen. Nicht nur von Außen betrachten und urteilen. Nein. Mit Menschen reden, mittendrin sein. Die vielen Krisen, in denen Polen steckt, verstehen – und zwar aus der Sicht jener, die dort leben.

Ich machte mich also auf den Weg in unser östliches Nachbarland. Mit im Gepäck: meine polnische Freundin Kamila, die für mich Kontaktperson, Vermittlerin, Übersetzerin und Seelsorgerin in einem war.

Inside Polen
Bild: picture alliance / NurPhoto
Polen, was geht?
Was ist da eigentlich los in unserem Nachbarland?

Was bedeutet der Angriff auf den Rechtsstaat der nationalistischen PiS-Regierung für die Menschen vor Ort? Wie verwurzelt ist die Regierungspartei in der Bevölkerung? Wieso sind die Polen so wie sie sind? Wer sind sie überhaupt, "diese Polen"? Und wo steuern wir mit der Staatengemeinschaft EU hin?

In einer mehrteiligen Serie nimmt sich die watson-Politikredaktion dieser Fragen an, stellt Polen und seine Geschichte vor – und ordnet die aktuellen Probleme ein.

Serienteil 1:

Eskalation an der Grenze, Streit um Verfassung, Frauenrechte: So erlebt ein Student die Krisen in Polen

Serienteil 2:

Die Demokratie schwankt: Wie ist Polen da hingekommen? Ein Blick in die Vergangenheit

Serienteil 3:
Ein Staat und seine Krisen: Das ist Polens Rechtssystem – und darum könnte das Land zu einer Autokratie werden

Serienteil 4: Reportage - Polen und seine Menschen,
Kapitel 1: Bröckelnde Macht – über die katholische Kirche, ihren Einfluss auf das Leben aller und zweifelnde junge Gläubige
Kapitel 2: Zone der Schande – über Waldengel, Geflüchtete in Not und die Grenzpolizei
Kapitel 3: Schrei nach Liebe – über Wut, Müdigkeit, Frauen und ihre Gegner

In Polen gibt es eine Tradition zu Weihnachten: Wenn es am Heiligen Abend ein Festmahl gibt, wird für eine weitere Person eingedeckt. Eine Person, die nicht erwartet wird. Eine notleidende Person.

Das ist eine Tradition, von der ich erst erfahre, als ich mich näher mit diesem Land auseinandersetze. Und sie hat mein Herz erwärmt.

Doch es kühlt schnell wieder ab.

Denn Kamila, meine polnische Freundin, erzählt mir davon. Tage, bevor wir uns auf den Weg nach Polen machen. "Jeder in Polen macht das, so wachsen wir auf", erzählt sie, während wir abends in Berlin-Mitte bei einem Vietnamesen sitzen. Unseren Tofu in uns reinstopfen. Früher, sagt sie, habe ihr diese Tradition gefallen. Heute ist das für sie nur noch eine Lüge.

Ein leerer Teller mit leeren Versprechungen.

96,7 Prozent der polnischen Bevölkerung sind christlich

Der Tag unserer Abreise ist gekommen. Kamila und ich starten unsere Suche nach Antworten. Mietwagen vollgepackt. Es ist kalt. Die Strecke von Kamilas Berliner Wohnung bis zu unserem Airbnb in Warschau: 563 Kilometer. 5,5 Stunden Fahrt.

Wir hören Musik, sind nervös, reden viel. Manchmal reden wir gar nicht. Bleiben allein mit unseren Gedanken. Jede für sich.

Aber wenn wir sprechen, dann meist über die Geflüchteten in den Wäldern an der Grenze zu Belarus. Über die Tellertradition. Über den Katholizismus und den Wert, den wir darin sehen, den andere darin sehen. Wir haben ja Zeit für solche Gespräche. Und wir fragen uns, was wohl die christlich sozialisierten Menschen, mit 96,7 Prozent immerhin fast die gesamte polnische Bevölkerung, dazu sagten, spräche man sie auf diesen Widerspruch an: hier die Weihnachtstradition mit dem leeren Teller für Arme, dort die Menschen an der Grenze zu Belarus, die in Eis und Schnee im Wald verrecken.

Sind diese – vor allem aus dem Nordirak und Nordafrika kommenden – Frauen, Männer, Kinder für sie keine Menschen? Leiden sie nicht genug, um sie an den gedeckten Tisch bitten zu dürfen? Hat man Angst? So viel, dass man seine christlichen Werte vergisst?

Wir finden keine Antworten. Wie denn auch, wir sitzen ja nur zu zweit im Auto und philosophieren.

"Mein Jesus ist größer
als deiner"

Ein großer Teil der Polen ist traditionell. Die polnische Regierung ist strikt. Die allermeisten Polen sind katholisch, die katholische Kirche dort ist eitel.

Das lernte ich schon vor der Reise. Als ich mich schlaumachen wollte, las ich viel über die katholische Konfession. Über deren Bedeutung für das Land, für die Menschen. Über deren Anteil daran, den Kommunismus zu überwinden. Über den Halt, den sie der Freiheitsbewegung unter Führung der Gewerkschaft Solidarność in den 1980er Jahren gab. Und ich las von der 1050-jährigen Taufe, die Polen und seine Bürgerinnen und Bürger im Jahr 2016 begingen.

Immer wieder blickte mich bei meiner Recherche ein seltsamer Jesus von meinem Bildschirm aus an. Ein Beton-Mann mit Goldkrone. Die Arme weit ausgestreckt.

"Da will ich hin", dachte ich mir schon bei der Vorbereitung. "Der muss doch was bedeuten."

Die Christus-König-Statue ist eine monumentale Christusfigur in Świebodzin in der Woiwodschaft Lebus im Westen Polens. Sie wurde 2010 auf einem gut 16 Meter hohen aufgeschütteten Hügel errichtet und m ...
Mit 36 Metern Höhe ist die Christus-König-Statur in Świebodzin die größte der Welt.Bild: watson / Joana Rettig

Jetzt im Auto, zwei Stunden, nachdem wir in Berlin gestartet sind, wird mir schon mulmig. Ich kenne Religion nicht gut. Habe mich in meinem Leben nie viel damit befasst. Ich würde sogar so weit gehen, zu sagen: Mich gruselt es vor Religion. Und jetzt will ich unbedingt diesen Riesen-Jesus sehen. Einen Jesus, der mir kompromisslos und unweigerlich zeigt: Ich. Bin. Stärker. Als. Du.

Dieser Jesus ist größer als Cristo Redentor, die wohl bekannteste Christus-Statue der Welt in Rio de Janeiro, Brasilien. Größer als Cristo de la Concordia in Bolivien. 36 Meter. Der größte Jesus der Welt.

Kamila muss lachen, als ich diese Vergleiche zur Sprache bringe. "Mein Jesus ist größer als deiner", sagt sie.

Anti-Preis für den
Christus-König in Świebodzin

Wir nehmen also den Umweg von einer halben Stunde in Kauf. Für Jesus in Świebodzin. Übrigens ist er preisgekrönt: 2010 bekam der Bildhauer Mirosław Kazimierz Patecki den inoffiziellen polnischen Architektur-Anti-Preis Macabryła verliehen – eine ironische Auszeichnung, über die Bürgerinnen und Bürger online abstimmen konnten. Dabei geht es darum, aufzuzeigen, dass sich ein Gebäude, Denkmal oder ein anderes Bauwerk nicht in die Umgebung einfügt, unverhältnismäßig oder nicht funktionsfähig ist.

Also selbst in Polen ist dieses Bauwerk umstritten.

Touristen sehen wir keine. Der Weg zur Statue wird als Kreuzweg bezeichnet. Die Bäume, die uns wie ein Spalier den Weg nach oben bereiten und im Dezember noch immer kleine Früchte tragen, wirken trostlos.

Das Umland liegt brach. Es ist Winter, viel Grün sehen wir nicht. Aus der Ferne höre ich einen Hahn krähen. Der Wind bläst mir ins Gesicht, es schüttelt mich. Rauch schlängelt sich aus dem Kamin eines heruntergekommenen Hotels, etwa 30 Meter von der Statue entfernt.

Die Christus-König-Statue blickt über mich hinweg. Schatten ziehen sich durch Jesu Gesicht. An seinem Sockel steht ein Blechkasten, in den Besucher Spenden einwerfen sollen, um die Statue zu erhalten. Auch ihren Bau haben offiziellen Angaben zufolge private Spender finanziert. Eingeweiht hat sie Ende 2010 der im Jahr 2020 verstorbene polnische Kardinal Henryk Gulbinowicz. Zu den Anwesenden hatte er damals gesagt: "Christus hat offene Arme für Euch und die ganze Welt."

Unsere Welt ist das nicht. Wir wollen einfach weiter nach Warschau.

Die Hala Koszyki liegt in der Warschauer Innenstadt.Bild: www.imago-images.de

Wir fahren also tiefer in den Osten. Je weiter wir kommen, desto verschneiter wird die Gegend, desto weiter rutscht die Temperatur nach unten. Wieder sprechen wir über die Lage der Menschen in den Elendslagern an der Grenze zu Belarus.

Doch darum soll es heute nicht gehen. Wir wollen darüber reden, wie die Menschen in Polen mit Religion umgehen, wie sie sie erleben und wie sich die Kirche auf die Politik auswirkt.

Beispielsweise hat sich eine Mehrheit im polnischen Parlament im November für ein LGBTQI-feindliches Gesetz ausgesprochen. Der Sejm, der gemeinsam mit dem Senat die Legislative in Polen bildet, stimmte für den Entwurf mit dem Titel "Stop LGBT".

Mit diesem Gesetz könnte es Homosexuellen, trans* Personen, queeren Menschen und Intersexuellen bald verboten werden, für ihre Rechte zu demonstrieren. Laut Joanna Maria Stolarek von der Heinrich-Böll-Stiftung in Warschau hat eine fundamentalistisch-christliche Bewegung diese Debatte überhaupt angetrieben. Im "Deutschlandfunk" sagte sie, diese Bewegung sehe Ehe und Familie bedroht. In der Rhetorik habe dabei auch die katholische Kirche einen großen Einfluss gehabt.

Um mehr über die Macht des Katholizismus in Polen zu erfahren, sind wir am Abend mit zwei Studentinnen zum Essen verabredet.

Die "natürliche" Verhütung
ist erlaubt

Wir treffen sie vor einer großen Markthalle in der Warschauer Innenstadt. Die Hala Koszyki. Überall glitzert und leuchtet es, am Eingang der Halle begrüßt uns ein überdimensionaler Lebkuchenmann aus Lichterketten.

Dominika und Wiktoria sind Schwestern. Sie kommen aus einem kleinen Dorf, weit im Osten Polens, für das Studium sind sie in die Hauptstadt mit ihren gut 1,7 Millionen Einwohnern gekommen. Ihre Eltern haben sie katholisch erzogen und sie jahrelang in eine katholische Jugendgruppe geschickt. "Oase" heißt sie. Und Dominika und Wiktoria glauben an das, was in der Kirche gelehrt wird. Aber nicht alles ergibt für sie Sinn. Einiges hinterfragen sie.

Im Schnelldurchlauf sprechen wir auf Englisch darüber, wie der Katholizismus den polnischen Staat tatsächlich beeinflusst. Es geht um Verhütung, Homo- und Transphobie, Gewalt, Exklusion, Abtreibungen.

Dominika ist 21. Sie erklärt uns, wenn man nach dem gehe, was die Kirche sagt, sollten strenge Katholiken "natürlich" verhüten. Was sie damit meint, will meine religionskritische Begleiterin Kamila von ihr wissen. "Geht es um diese Kalendermethode?", fragt sie.

"Ja", sagt Dominika schnell und irgendwie endgültig. Dann ist es still.

"Der neue Papst ist hier nicht gerade beliebt. Er ist ihnen zu fortschrittlich"

Wir hören das Klirren der Teller in der überfüllten Halle. Ich schaue Dominika in die Augen. Sie schaut zurück. Die vielen Stimmen im Raum vermengen sich zu einem Grundrauschen. Um uns herum: Überall Menschen. Sie essen, trinken, reden. Wir nicht. Zwei Sekunden, vielleicht drei. Bis Wiktoria den Moment bricht und wieder über Verhütung spricht.

"Ich glaube aber nicht, dass das heute noch viele machen", sagt sie. Wiktoria ist zwei Jahre jünger als Dominika. Klar, sagt sie, gebe es noch Menschen, die wirklich so strikt seien. Und ich frage, ob diese denn niemals Kondome nutzen. Allein wegen des gesundheitlichen Schutzes. "Zum Beispiel, um sich vor HIV zu schützen", sage ich. "Der Papst hat doch sogar erlaubt, Kondome zu nutzen."

Und damit habe ich schon den nächsten wunden Punkt der polnischen Kirche getroffen: "Die Leute hier in Polen mögen diese neue Regel nicht", sagt Kamila. Doch Wiktoria unterbricht sie: "Die Menschen hier in Polen kennen diese neue Regel gar nicht. Der neue Papst ist hier auch nicht gerade beliebt. Er ist ihnen zu fortschrittlich."

Selbst der Katholizismus ist in Polen gespalten.

Die Statur der heiligen Maria vor der Römisch-katholische Pfarrei St. Andreas der Apostel mitten in Warschau.Bild: watson / Joana Rettig

Der Theologe und Germanist Theo Mechtenberg schreibt in einem Beitrag für die Bundeszentrale für politische Bildung, in Polen herrsche eine "enorme Spannweite innerkirchlicher Probleme".

Er schreibt:

"'Verschlossenheit', bedacht auf 'eigene Sicherheit', stets und überall den 'Mittelpunkt' bilden, 'fixen Ideen' zugetan, in 'Streitigkeiten verstrickt', Vertrauen auf den 'falschen Schutz' der 'Strukturen', 'unnachsichtige Richter' – diese Stichpunkte umreißen das Bild einer Kirche, dem sich die 'wahren' Katholiken verpflichtet wissen und das von P. Tadeusz Rydzyk (ein polnischer Ordenspriester und Medienunternehmer, Anm. d. Red.) und seinem Medienimperium verbreitet wird. Dem steht ein 'offener Katholizismus' gegenüber (...) – weltoffen, dialogbereit, kirchlich loyal, doch ohne Scheu, bei Kritik an kritikwürdigen Zuständen als Nestbeschmutzer diffamiert zu werden."

Ich will mit den Studentinnen aber noch über etwas anderes sprechen. "Wie steht ihr denn zum Thema LGBTQI-Rechten?", will ich wissen. Schließlich gilt Polen, neben Ungarn, in der EU als das homo- und transfeindlichste Land. Es gibt hier sogar LGBT-freie Zonen, in denen diese Menschen etwa keine Lehrerinnen und Lehrer sein dürfen.

Und Dominikas Antwort verwirrt mich.

Ja, sie finde "es total in Ordnung, wenn jemand zur LGBTQ-Szene gehört", sagt Dominika. Und dann: "Solange sie nicht anfangen, sich weird zu verhalten. Solange sie nicht meine Religion beleidigen und damit meine Gefühle verletzen."

"Tun sie das?", frage ich.

"Ja, manche schon", sagt Dominika. Und Wiktoria steigt wieder in das Gespräch mit ein: "Einige LGBTQ-Menschen sind sehr gegen die Kirche."

"Es gibt hier wirklich Menschen, die auf diese Menschen schießen wollen, wenn sie denn eine Waffe hätten"

Ich versuche, diese Gedankengänge nachzuvollziehen. Ob Dominika und Wiktoria eine solche Abneigung nicht verstehen könnten, will ich wissen. "Die meisten Probleme, die nicht heterosexuelle Menschen haben, gingen von der Kirche aus. Zumindest im Ursprung", sage ich. "Hat man da nicht ein bisschen Empathie dafür, dass man gegen etwas ist, das einem ein langes Leiden beschert hat?"

"Ein bisschen schon", sagt die 19-jährige Wiktoria. "Aber das ist doch nicht der richtige Weg, um das zu beenden." Es seien die extremen Seiten, die allen das Leben schwer machten, ergänzt Dominika. "Ich verstehe auch Menschen nicht, die explodieren, wenn sich zwei Männer oder zwei Frauen in der Öffentlichkeit küssen."

Bei einem Protest der LGBT-Szene in Warschau zeigt ein Demonstrant eine Bild Jesus'. Die polnische Regierung hatte im Oktober einen Gesetzesentwurf verhandelt, der die Pride-Parade verbieten sollte.Bild: www.imago-images.de

Und dann sagt Wiktoria: "Es gibt hier wirklich Menschen, die auf diese Menschen schießen wollen, wenn sie denn eine Waffe hätten." Meine Augen stehen weit offen. Dominika sagt: "Es ist echt schwer, ein schönes Leben in Polen zu führen." Ihr Mund lacht, ihre Augen nicht.

"Das sind die gleichen Narrative, die auch die Regierung verbreitet: LGBTQ-Menschen können keine guten Menschen sein. Du bist nicht gut, nicht richtig,
wenn du LGBTQ bist.
Das ist unnatürlich. Krank“

Die beiden Studentinnen erzählen, dass sie keine Geduld mehr hätten, wenn ihr Pfarrer über solche Themen spricht. Jeden Tag gibt es in polnischen Kirchen eine heilige Messe. Mindestens. Und offenbar wird häufig über Schwule, Lesben, queere Menschen gesprochen, über Abtreibung.

Was der Pfarrer denn dann erzählt, will ich wissen. "Das sind die gleichen Narrative, die auch die Regierung verbreitet", erklärt mir Dominika. Sie betet runter, was der Geistliche immer wieder erzähle: "LGBTQ-Menschen können keine guten Menschen sein. Du bist nicht gut, nicht richtig, wenn du LGBTQ bist. Das ist unnatürlich. Krank.“

Als 2020 die Präsidentschaftswahlen in Polen stattfanden, habe der Pfarrer zwar nicht wörtlich, aber ziemlich eindeutig darauf hingewiesen, dass man doch den Kandidaten der Regierungspartei PiS, Andrzej Duda, zu wählen habe. "Jeder gute Katholik weiß, wen er zu wählen hat", soll er gesagt haben. "Er nannte keinen Namen, aber natürlich wussten alle, dass es um die PiS ging", sagt Dominika.

Gefangen zwischen
zwei Welten

"Würdet ihr euch wünschen, dass die katholische Kirche progressiver wird?", frage ich. Dominika antwortet: "Ein bisschen." Was sie damit meint? "Ich bin zum Beispiel persönlich gegen Abtreibungen oder auch Sex vor der Ehe. Aber ich würde niemandem sagen, dass er es so zu machen hat wie ich."

Vor meiner Reise hat mir eine polnische Feministin, die heute in Berlin lebt, erzählt, dass die Menschen durchgehend mit Politik konfrontiert seien. Dass sich das Leben nicht mehr um einen selbst drehe, die Individualität verloren gehe. Man lebe sein Leben nicht für sich, denn alle Gespräche, alle Besuche bei der Verwandtschaft, selbst die Taxifahrten begännen und endeten mit politischen Diskussionen.

Auch die beiden Studentinnen Dominika und Wiktoria spüren diesen Druck, diese fehlende Freiheit. Sie wirken gefangen zwischen zwei Welten, zwischen strengem Katholizismus und einer progressiven Auslegung. Sie fühlen sich ihrer Religion verbunden, aber irgendwie auch entfremdet.

"Wir stehen in der Mitte", sagt Wiktoria.

"Wir versuchen nur, unser Leben zu leben", sagt Dominika.

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