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USA: Biden verliert hochrangigen Beamten wegen Israel-Politik

18.10.2023, Israel, Tel Aviv: Joe Biden (l), Präsident der USA, trifft sich mit Benjamin Netanjahu, Ministerpräsident von Israel, um den Krieg zwischen Israel und der Hamas zu besprechen. US-Präsident ...
US-Präsident Joe Biden traf sich mich Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und versicherte ihm seine volle Unterstützung. Bild: Pool Flash 90/AP / Miriam Alster
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USA: Biden verliert hochrangigen Beamten wegen Israel-Politik

20.10.2023, 11:51
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"Ich lehne es ab, noch länger ein Teil davon zu sein", sagt ein Mitarbeiter der Biden-Regierung. Nicht nur irgendeiner, sondern der Abteilungsleiter im US-Außenministerium, Josh Paul. Seit elf Jahren leitete er die Kongress- und Öffentlichkeitsarbeit in der Behörde, die für die Überwachung von Waffenlieferungen an ausländische Staaten zuständig ist.

Laut ihm wiederholen die USA dieselben Fehler, die das Land in den vergangenen Jahrzehnten gemacht habe. "Die Reaktion Israels und damit die amerikanische Unterstützung sowohl für diese Reaktion als auch für den Status quo der Besatzung wird nur zu mehr und tieferem Leid sowohl für das israelische als auch für das palästinensische Volk führen", schreibt er in seinem Rücktrittsschreiben.

19.10.2023, Palästinensische Gebiete, Gaza-Stadt: Verwundete palästinensische Kinder kommen nach israelischen Luftangriffen auf Gaza-Stadt im zentralen Gazastreifen im Al-Shifa-Krankenhaus an. Foto: A ...
Verwundete Kinder werden in einem Krankenhaus in Gaza behandelt.Bild: AP / Abed Khaled

Laut Biden müssen die USA Israel uneingeschränkt unterstützen

Paul schmeißt seinen Posten hin, denn er könne die Entscheidung der Biden-Regierung, weiterhin Waffen und Munition an Israel zu liefern, nicht vertreten. Nach den brutalen Angriffen der Terrorgruppe Hamas auf israelische Zivilist:innen ruft Israel den Krieg aus. Seit Tagen bereitet sich das israelische Militär auf eine großangelegte Bodenoffensive vor. Ziel ist es, die Hamas im Gazastreifen zu eliminieren und die Geisel zu befreien.

Biden betont in seiner 15-minütigen Ansprache an die Nation, es sei für die USA von größter Bedeutung, die beiden Verbündeten Israel und Ukraine zu unterstützen – auch aus eigenem nationalen Sicherheitsinteresse. Militärhilfen für die beiden Länder seien eine "schlaue Investition", die für die Sicherheit der USA "über Generationen" eine "Dividende" erbringen würde.

Biden zog in seiner Rede im Oval Office des Weißen Hauses Parallelen zwischen dem Angriff der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas auf Israel und dem vom russischen Präsidenten Wladimir Putin angeordneten Angriffskrieg gegen die Ukraine: "Hamas und Putin stellen verschiedene Bedrohungen dar", sagt der US-Präsident. "Aber sie haben eines gemein: Sie beide wollen eine benachbarte Demokratie vollkommen vernichten." Die USA könnten nicht einfach "weglaufen".

18.10.2023, Israel, Tel Aviv: Benjamin Netanjahu (l-r), Ministerpräsident von Israel, empfängt Joe Biden, Präsident der USA, nach seiner Ankunft auf dem internationalen Flughafen Ben Gurion. Biden zu  ...
US-Präsident Biden umarmt Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.Bild: AP / Evan Vucci

In seinem Schreiben erklärt der ehemalige Beamte im Außenministerium, dass "die blinde Unterstützung einer Seite" durch die Biden-Regierung zu politischen Entscheidungen führt, "die kurzsichtig, zerstörerisch, ungerecht und im Widerspruch zu den Werten stünden, für die wir öffentlich eintreten".

Vorgehen in Gaza für Paul nicht vertretbar

In einem Interview der "New York Times" meint Paul, dass Israels Abschneiden von Wasser, Lebensmitteln, medizinischer Versorgung und Elektrizität im Gazastreifen, einer Region mit zwei Millionen Einwohner:innen, ein Fall von Menschenrechtsverletzung sei. Dieser Fall sollte ihm zufolge Schutzmaßnahmen nach sich ziehen, die es verbieten, US-amerikanische Waffen an Israel zu liefern. Aber diese rechtlichen Schutzmaßnahmen versagen, meint er.

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"Das Problem mit all diesen Bestimmungen ist, dass sie darauf beruhen, dass die Exekutive feststellt, dass Menschenrechtsverletzungen stattgefunden haben", zitiert die "New York Times" den ehemaligen Beamten. "Die Entscheidung, eine Feststellung zu treffen, liegt nicht bei einer unparteiischen akademischen Einrichtung, und es gibt keinen Anreiz für den Präsidenten, tatsächlich etwas festzustellen."

Währenddessen sieht auch die Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch" (HRW) die Abriegelung des Gazastreifens als "Kriegsverbrechen" und kritisiert das Schweigen des Westens.

17.10.2023, Palästinensische Gebiete, Gaza-Stadt: Ein junger Palästinenser trägt ein Kind aus dem Ahli Arab Krankenhaus in Richtung Al-Shifa Krankenhaus im Gazastreifen. In dem Ahli Arab Krankenhaus w ...
Die Menschen im Gazastreifen strömen in die Krankenhäuser, um Hilfe und Schutz zu suchen.Bild: dpa / Mohammad Abu Elsebah

Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch" spricht von Heuchelei

"Die Reaktion aus Washington und – mit wenigen Ausnahmen – aus den europäischen Hauptstädten auf das Vorgehen Israels im Gazastreifen seit dem 7. Oktober ist gedämpft ausgefallen", sagt Tom Porteous, stellvertretender HRW-Programmdirektor, in einem auf der Website der Organisation veröffentlichten Beitrag. Er fragt, wo "die klare Verurteilung der grausamen Verschärfung der seit 16 Jahren bestehenden Abriegelung des Gazastreifens" bleibe.

Porteous betont, die Forderungen des humanitären Völkerrechts zum Schutz der Zivilbevölkerung würden für alle gelten: "keine absichtlichen oder wahllosen Angriffe auf Zivilisten, keine Geiselnahmen, keine Bestrafung von Zivilisten für die Handlungen Einzelner, keine Verweigerung oder Vorenthaltung humanitärer Hilfe".

Porteous verweist auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine, wo die westlichen Staaten in ihrem Bemühen, internationale Unterstützung für die Ukraine zu gewinnen und Russland zu isolieren, betont hätten, wie wichtig die Einhaltung der Regeln für bewaffnete Konflikte sei.

Doch nun sehe der Rest der Welt eine gedämpfte Reaktion auf die verheerenden Schäden, die Israels Blockade und Angriff auf den Gazastreifen, für die Zivilbevölkerung mit sich brächten. "Die Heuchelei und Doppelmoral der westlichen Staaten ist ungeheuerlich und offensichtlich", kritisiert Porteous. Das sehen wohl auch einige Mitarbeitende der Biden-Regierung so.

Mitarbeiter der Biden-Regierung sprechen von "Selbstzensur"

Neben dem Rücktritt des Beamten des US-Außenministeriums Paul regten sich kürzlich mehrere Beamte über die "ungeheuerliche Missachtung des Lebens unschuldiger Palästinenser" durch die USA bei der "Huffington Post" aus. Demnach sei es für sie eine Herausforderung, Israel intern infrage zu stellen.

Die betroffenen Beamten stammen aus verschiedenen Behörden, von denen die meisten mit Fragen der nationalen Sicherheit befassen. Besonders groß sei die Angst unter Mitarbeitenden mit muslimischem Hintergrund. "Einige sagten, sie fühlten sich unsicher, wenn sie ihre Meinung vor Kollegen äußerten, weil dies ihre Karriere gefährden könnte", heißt es im Bericht.

Ein anderer Beamter, der seit mehr als einem Jahrzehnt in der Außenpolitik tätig sei, sagt, dass die Menschen über die Situation in Gaza alarmierter seien wie noch nie zuvor. Er beschreibt eine Kultur der "Selbstzensur", insbesondere unter den jüngeren Kolleg:innen. Der anonyme Beamte führt aus:

"Es gibt eine tiefe, tiefe Trauer und einen tiefen Schmerz für die Menschen, die sehen, wie die Zahl der Toten rapide ansteigt, und ein panisches und beunruhigtes Gefühl von 'Wie können wir das zulassen?'"

Der Stolz, den er während seiner Tätigkeit in der Regierung von Präsident Biden empfand, sei einer tiefen Scham gewichen.

Ein gängiger Grundsatz im Völkerrecht ist die größtmögliche Schonung der Zivilbevölkerung. Bei allem, was Israel tut, muss es diesen Grundsatz beachten und darf nicht gezielt Zivilist:innen angreifen. Die Kriegshandlungen müssen sich also auf die Terroristen der Hamas beschränken.

Dennoch hat Israel das Recht, sich zu wehren.

Israel hat das Recht, sich zu verteidigen

Wird ein Staat angegriffen, hat er das Recht zur "Selbstverteidigung". Gegenüber anderen Staaten garantiert das Artikel 51 der UN-Charta.

Mourners attend the funeral of the Kotz family in Gan Yavne, Israel, Tuesday, Oct. 17, 2023. The Israeli family of five was killed by Hamas militants on Oct. 7 at their house in Kibbutz Kfar Azza near ...
Der Schock sitzt tief: Die Hamas tötet mehr als 1400 Israelis und entführt etwa 200 von ihnen in den Gazastreifen.Bild: AP / Ohad Zwigenberg

"Der dürfte hier zwar nicht greifen, weil die Hamas eine Terrororganisation und kein Staat ist. Und dennoch hat Israel das Selbstverteidigungsrecht auch in diesem Fall. Das ergibt sich aus dem Völkergewohnheitsrecht", erklärt Christoph Safferling, Professor für Völkerrecht an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Bei der "Tagesschau" führt er aus, dass Israel sich gegen die Angriffe der Hamas zur Wehr setzen darf. Allerdings nach den Regeln und in den Grenzen, die das humanitäre Völkerrecht vorgibt, an die Israel als Staat gebunden ist.

Ein Grundsatz im Völkerrecht ist die größtmögliche Schonung der Zivilbevölkerung. Sprich, die Kriegshandlungen müssen sich auf die Terroristen der Hamas beschränken.

(Mit Material der AFP)

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