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Ukraine-Krieg: Russland zerstört Getreide – die wichtigsten Fragen und Antworten

Die Ukraine gehört zu den größten Getreide-Exporteuren weltweit.
Die Ukraine gehört zu den größten Getreide-Exporteuren weltweit.Bild: Ukrinform / dpa
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Russland zerstört ukrainisches Getreide: Was du darüber wissen musst

05.08.2023, 15:04
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Für Ukrainer:innen ist Bombenalarm nicht mehr unbedingt etwas Ungewöhnliches. Täglich heulen im Land mehrfach die Sirenen. Auch Angriffe mit Drohnen oder Raketen gehören mittlerweile zum traurigen und riskanten Alltag des von Russland angegriffenen Landes.

Doch zurzeit konzentrieren sich russische Drohnenangriffe neben der Hauptstadt Kiew wieder auf ganz bestimmte Ziele: Hafenstädte, Getreidelager und Hafen-Terminals.

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Erst kürzlich hatte Russland ukrainische Infrastruktur nahe der Landesgrenze zu Rumänien angegriffen – einem Nato-Partner. Dieser verurteilte die Attacken aufs Schärfste, Präsident Klaus Johannis nannte den Angriff auf den ukrainischen Donau-Hafen Ismail inakzeptabel und warf Russland vor, Kriegsverbrechen zu verüben.

Aber was bedeutet dieser ganz bestimmte Konflikt innerhalb eines imperialistischen Angriffskriegs überhaupt? Ein Überblick:

Wie viel Getreide exportiert die Ukraine?

Sowohl Russland als auch die Ukraine gehören weltweit zu den größten Lieferanten von Getreide und Sonnenblumenöl. Wegen des Krieges ist die weltweite Versorgung mit wichtigen Agrargütern gefährdet.

Vor Kriegsbeginn am 24. Februar 2022 hatte die Ukraine monatlich rund fünf Millionen Tonnen Weizen, Mais, Gerste und Sonnenblumenöl exportiert. Nachdem Russland einmarschiert war, waren die Ausfuhren zunächst eingebrochen.

Nachdem die beiden Kriegsparteien unter Moderation der Vereinten Nationen und der Türkei ein Abkommen geschlossen hatten, wurde ein humanitärer Korridor im Schwarzen Meer geöffnet. Infolgedessen konnte wieder geliefert werden.

26.11.2022, Ukraine, Kiew: Wolodymyr Selenskyj, Pr�sident der Ukraine, w�hrend der Lancierung des humanit�ren Programms �Getreide aus der Ukraine�. Der belgische Premierminister De Croo und die belgis ...
November 2022: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj präsentiert das humanitäre Programm "Getreide aus der Ukraine".Bild: BELGA / Pool Philip Reynaers

Im August vergangenen Jahres konnte die Ukraine die Ausfuhren laut den Aussagen eines Beamten des US-Außenministeriums fast wieder auf Vorkriegsniveau anheben. Dank "intensiver internationaler Zusammenarbeit" sei das Land auf dem Weg, monatlich vier Millionen Tonnen Agrarprodukte auszuführen, sagte der Beamte damals der Nachrichtenagentur AFP.

Allerdings erklärte er auch, dass von der EU organisierte Alternativrouten hierbei bereits einen erheblichen Anteil hatten. Auf dem Flussweg sowie über Schienennetze und Straßen seien monatlich zwischen 2,5 und drei Millionen Tonnen in die EU und auf den restlichen Weltmarkt gelangt. Die EU hatte sich im Sommer 2022 darum gekümmert, zusätzliche Lastwagen bereitzustellen und den Transport per Eisenbahn zu erleichtern.

Bis zum 3. August hat die Ukraine in diesem Jahr 32,9 Millionen Tonnen Getreide exportiert.

Wohin liefert die Ukraine?

Einigermaßen überraschend ist das Ranking der wichtigsten Abnehmerländer ukrainischen Getreides: Rund 52 Prozent aller Exporte gingen laut der Black Sea Grain Initiative an China, Spanien und die Türkei. Danach folgten mit etwas Abstand Italien und die Niederlande.

Das erste Land Afrikas folgt dann mit Ägypten auf Platz fünf der Importländer.

Im Jahr 2021 waren die Top-Fünf laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen noch China, Indien, die Niederlande, Ägypten und die Türkei.

Wohin exportiert Russland sein Getreide?

Das Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien berichtet, dass russischer Weizen hauptsächlich in die Länder im Nahen Osten und Nordafrika exportiert wird, allen voran in die Türkei und Ägypten. Hinzu kommen die zunehmend von Nahrungsmittelimporten abhängigen Länder Subsahara-Afrikas. Dabei macht russischer Weizen ein Viertel der Einfuhren Afrikas insgesamt aus.

Präsident Wladimir Putin hat beim Auftakt des Afrika-Gipfels in St. Petersburg erklärt, Russland könne ausbleibende Getreidelieferungen aus der Ukraine ersetzen. Gleichzeitig versprach er sechs afrikanischen Staaten in den kommenden Monaten kostenlose Getreidelieferungen.

Moskau werde Getreide nach Burkina Faso, Simbabwe, Mali, Somalia, in die Zentralafrikanische Republik und nach Eritrea liefern können – in einem Umfang von 25.000 bis 50.000 Tonnen.

Warum greift Russland Getreidesilos und -lager an?

Für die Nato ist klar, dass Russland die Getreideausfuhren der Ukraine stoppen will – und zwar, um Hunger als Waffe einzusetzen. Das hatte auch der Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg betont. Nach einem Angriff auf den Donauhafen Reni an der Grenze zu Rumänien forderte Stoltenberg Moskau auf, den "Hunger nicht als Waffe einzusetzen".

Seitdem Moskau das Getreideabkommen Mitte Juli hatte auslaufen lassen, beschießt es ukrainische Hafenstädte quasi täglich.

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Russland verstärkt seine Angriffe auf die Hafenstadt Odessa.Bild: imago images / ZUMA Wire

Russland hatte zudem kurz nach Ende des Getreideabkommens angekündigt, alle Schiffe, die ukrainische Schwarzmeer-Häfen anlaufen, als "Gegner" und "potenzielle Träger militärischer Fracht" einzustufen. Länder, unter deren Flagge Frachtschiffe in Richtung ukrainischer Häfen fahren, würden künftig als Konfliktparteien gewertet, teilte das russische Verteidigungsministerium mit.

Ist auch die Versorgung in Deutschland betroffen?

Im Jahr 2022 wurden mehr als 11 Millionen Tonnen Getreide nach Deutschland importiert – 4,5 Prozent davon kamen aus der Ukraine, heißt es vonseiten des Statistischen Bundesamtes.

Bereits vor dem russischen Angriff auf die Ukraine spielten den Angaben nach die Importe beider Länder eher eine untergeordnete Rolle in der deutschen Versorgung. Der Anteil der Einfuhren aus Russland lag bei 0,02 Prozent.

Wie will die Ukraine weiterhin Getreide liefern?

Die Ukraine hat gerade einen Deal mit Kroatien geschlossen. Das Land möchte künftig mehr Getreide über kroatische Häfen an der Adria ausführen. Der Weg führt zunächst über die Donau bis nach Kroatien, anschließend sollen die Agrargüter per Eisenbahn an die Küste gebracht werden, wo sie dann in Schiffe verladen werden können.

Eine entsprechende Einigung sei mit dem kroatischen Au­ßenminister zustande gekommen, als dieser in der Ukraine war, teilte der ukrainische Außenminister Dmitri Kuleba Anfang der Woche mit. Wie viel Getreide über diese Route exportiert werden soll, erklärte er nicht.

Daneben versucht Kiew, Deals mit Bulgarien und Griechenland auszuhandeln. Auch hier spielt das Schienennetz wieder eine große Rolle: Per Zug soll ukrainisches Getreide durch Bulgarien an griechische Häfen transportiert werden.

Was hat die Türkei mit all dem zu tun?

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat ein seltsames Verhältnis zu Putin. Hatte man die beiden in der Vergangenheit eher als Partner gesehen (Erdoğan war damals schon immer ein eher untergeordnetes Mitglied in Putins Netz), ändert sich diese Sichtweise langsam.

Ankara war es lange Zeit gelungen, freundschaftliche Beziehungen sowohl zu Russland als auch zur Ukraine zu pflegen. Die Türkei lieferte einerseits Waffen an die Ukraine, unterstützte aber andererseits keine westlichen Sanktionen gegen Russland.

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Recep Tayyip Erdoğan und Wladimir Putin im September 2022 im usbekischen Samarkand. Bild: Pool Sputnik Kremlin / Alexandr Demyanchuk

Im Juli hatte Erdoğan seinen alten Freund Putin allerdings mächtig verärgert, als er erst zustimmte, dass Schweden in die Nato eintreten darf. Zudem sagte er, die Ukraine verdiene die Nato-Mitgliedschaft. Um dem Ganzen noch eins draufzusetzen, hatte Erdoğan entgegen einer Abmachung mit Putin die in der Türkei festgehaltenen Asov-Kämpfer aus Mariupol entlassen.

Putin war mächtig sauer auf seinen kleineren Partner.

Doch kürzlich telefonierten die beiden wieder miteinander. Im Mittelpunkt dieses Gesprächs soll das von Russland aufgekündigte Getreideabkommen gestanden haben. Ankara hatte sich stets für die Fortführung des Abkommens eingesetzt und will im Ukraine-Krieg nun erneut als Ermittler fungieren.

Putin soll allerdings vorgeschlagen haben, dass die Türkei beim Export russischen Getreides an Afrika helfen solle. Das Getreideabkommen will er nämlich so schnell nicht wiederbeleben – erst, wenn ein Großteil der Sanktionen gegen Russland aufgehoben werden.

Das dürfte allerdings erst einmal nicht geschehen.

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