Ein zerstörter russischer Panzer. Ukrainische Soldaten haben darauf ihre Landesflagge gezeichnet.Bild: www.imago-images.de / imago images
Analyse
09.09.2022, 16:4009.09.2022, 16:47
Patrick Toggweiler / watson.ch
Ukrainische Truppen haben in dieser Woche im Nordosten des Landes, in der Oblast Charkiw, einen überraschenden Gegenangriff gestartet. Dabei drangen sie mindestens 20 bis 40 Kilometer tief in bisher von Russland besetzte Gebiete vor.
400 Quadratkilometer sollen in der Region um Balaklija zurückerobert worden sein. Russland hatte zuvor einen Großteil der dort stationierten Truppen in Richtung Süden abgezogen. Welche Dörfer und Stellungen tatsächlich zurückerobert werden konnten, ist nicht bekannt. Die ukrainische Militärführung hatte einen Kommunikationsstopp eingeführt.
Aktuelle Informationsquellen sind vorwiegend russische Militärblogger mit Kontakten zur Front. Deshalb sind die Angaben mit Vorsicht zu genießen und können nicht unabhängig überprüft werden. Später bestätigte allerdings Oleksiy Hromov, ein Vertreter der ukrainischen Armee, die Operation in der Region Charkiw während eines Briefings in Kiew.
Laut Hromov rückten die ukrainischen Truppen 50 Kilometer in ursprünglich besetztes Gebiet vor, dabei seien 20 Ortschaften zurückerobert worden.
Die russischen Militärblogger berichteten aber nicht nur von der ukrainischen Offensive, sondern auch von "Schockmomenten" und zeichneten ein verheerendes Bild der Lage ihrer Truppen. Sie seien komplett überrascht worden. Auf russischer Seite wird nun befürchtet, Ziel des ukrainischen Gegenangriffs sei es, Versorgungslinien in Richtung Isjum und Kupjansk zu kappen. Die Städte liegen im Osten des Landes, nahe der Stadt Slowjansk. Die Städte gehören zur Region Charkiw.
Im Erfolgsfall wären dort stationierte russische Einheiten isoliert und einfach zu besiegen. Die Ukraine könnte damit einen großen Territorialgewinn verzeichnen und die Invasoren zusätzlich demoralisieren.
Russische Militärfahrzeuge in der Region um die ukrainische Stadt Isjum.Bild: www.imago-images.de / imago images
Ähnlich sieht das der Militärexperte und ETH-Dozent Marcus Matthias Keupp gegenüber dem SRF: "Der Vorstoß hat sich auf Balaklija gerichtet. Diese Ortschaft ist mittlerweile von den Ukrainern eingenommen worden und sie stoßen weiter in nordöstlicher Richtung auf Schewtschenkowe vor."
Ziel: Nachschub verhindern
Ziel sei es, diese Front einzudrücken, nur auf einem Abschnitt, um dort die Artillerie hineinstellen zu können und von dort aus die russischen Nachschublinien zu zerstören.
Russland ist beim Nachschub traditionell stark von Eisenbahnlinien abhängig. Eine solche versorgt rund 20 Bataillone an der Front bei Slowjansk. Ein Kappen dieser Linien bezeichnet Keupp als eine "eine entscheidende Wende": "Wenn diese große Zahl an Truppen nicht mehr versorgt werden kann und unter ständigem Artilleriefeuer liegt, können sie sich entweder zurückziehen oder kapitulieren. Oder sie werden aufgerieben."
Seit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine liefert Apple keine Produkte mehr nach Russland. Auch Apple Pay und Apple Maps stellte das Unternehmen dort ein. Trotzdem stand Apple schon häufiger in der Kritik, inoffiziell mit dem Kreml zu kooperieren.