Es beginnt schon beim ersten Satz: Geflüchtete gibt es für die rechtspopulistische AfD offenbar nicht.
Sie werden nur so genannt.
Die AfD ruft Menschen zu Protesten auf – und stellt ihre Kampagne dafür vor. Dabei nutzt die Partei Mittel, die ihr schon öfter bei der Mobilisierung geholfen haben: Angst, Rassismus, Hass.
Am 8. Oktober will die AfD auf die Straße gehen und gegen die Krisenpolitik der Ampelregierung demonstrieren.
Grund genug, sich einige Stilmittel der Partei genauer anzuschauen.
Auf der Webseite zur AfD-Kampagne "Unser Land zuerst" schreibt die Partei:
Die AfD weiß genau, wie sie damit umgehen will: "Wir tragen den Protest der Bürger ins Berliner Regierungsviertel." Schon im August hatte Parteichef Tino Chrupalla von "Volkes Zorn" gesprochen.
Martialisch. Rigoros. Radikal.
Immer härter werden die Aussagen. Auch am Donnerstag: Bei der Pressekonferenz platzt Co-Chefin Alice Weidel der Kragen, als sie auf mögliche Gewaltausbrüche während der Demonstration im Oktober angesprochen wird.
Eine Antwort auf die Frage, wie sie so etwas verhindern will, bleibt sie dem Journalisten schuldig. Stattdessen startet sie eine Schimpftirade auf die Ampelregierung.
Wie die Regierung handelt, sei "so unfassbar unseriös und unglaublich verblödet, dass es nur so kracht". Am Ende hätten die Menschen in Deutschland nichts mehr.
Es wirkt, als hätte der Journalist eine besonders provokante Frage gestellt. Weidel blickt ihn boshaft und verbittert an, während sie ins Mikrofon – ja fast schon – brüllt:
Zur Erinnerung: Der Journalist hatte gefragt, wie die Partei als Veranstalterin der Demo gewaltvolle Ausschreitungen verhindern wolle.
Und wieder einmal versteckt die AfD in ihren Ankündigungen und Reden russische Propaganda und sogenannte Dog Whistles.
Diese "Hundepfeifen" haben eine politische Bedeutung: geheime Codes in der Sprache. Für Beobachter:innen rechter Netzwerke sind sie eindeutig – für Unbedarfte klingen sie nach allgemeinen Äußerungen.
Weidel spricht etwa von "denen da oben":
Was klingt, wie einfach mal eben so dahergesagt, hat Konzept.
Mit einer solchen Abgrenzung – "wir da unten" gegen "die da oben" – will der rechte Rand die Menschen von der demokratischen Politik distanzieren. Er will die Wut steigern. Hass schüren. Frei nach dem Prinzip: Denen da oben sind wir scheiß egal.
Schon im Juni dieses Jahres hatte die Partei mit etlichen Anträgen für ihr neues Parteiprogramm Beobachter:innen aufhorchen lassen. Man sprach von "Schlafwandlern", "den Eliten", "Globalisten" – alles geheime Codes, die zum Teil antisemitisch sind.
Auch die russische Propaganda kommt nicht zu kurz: Tino Chrupalla spricht gleich zu Beginn der Pressekonferenz am Donnerstag von "Habecks Wirtschaftskrieg". Damit verbreitet er die russische Erzählung, der Westen habe Putin dazu gezwungen, den Krieg gegen die Ukraine zu starten. Der Westen sei schuld daran, dass die Gaspreise immer weiter steigen.
Natürlich darf in diesem Zusammenhang keineswegs verschwiegen werden: Die Politik der vergangen zwei Jahrzehnte war davon geprägt, die Abhängigkeit von russischer Energierohstoffe zu steigern. Dass das ein Fehler war, erfährt Deutschland jetzt schmerzlich. Es war zu erwarten, dass Russland auf die Sanktionen reagiert und nach und nach – unter Vorwänden – den Gashahn zudreht.
Allerdings nutzt Chrupalla hier ein typisches Propaganda-Instrument: Eine Tatsache nehmen und die Ursachen verdrehen.
Die wirtschaftlichen Sanktionen sind eine Reaktion auf die völkerrechtswidrige Invasion in die Ukraine. Sie starteten im Übrigen schon 2014, als Russland die Schwarzmeer-Halbinsel Krim illegal annektierte – allerdings nicht in dieser Härte.
Für die neue Kampagne, mit der die AfD ihre Anhänger:innen auf die Straße bewegen will, hat die Partei ein altbewährtes Populisten-Ass aus dem Ärmel gezogen: das Spiel mit der Angst.
"Früher hatte meine Familie ein sorgenfreies Leben", wird etwa ein gewisser Enrico S., der "Familienvater", auf der Webseite zitiert. Dann erzählt er von den teuren Preisen für Essen, die Raten für das Haus und die zwei Autos. Doch sein "geliebtes Auto" habe Enrico "wegen der Benzinpreise" verkaufen müssen. Die hohen Strompreise, der Gaspreis, der "bald durch die Decke geht" – Enrico wird laut der AfD-Kampagne im Winter nicht mehr heizen können.
"Denke ich über die Zukunft nach, kriege ich Angst. Denke ich an die Regierung, spüre ich nur noch Wut" – sein letzter Satz im emotionalen Propaganda-Storytelling.
Zwei weitere herzzerreißende und angsteinflößende Geschichten folgen prompt darauf.
Was die AfD allerdings nicht auf ihrer Webseite zeigt: Offenbar wünschen sich einige Mitglieder genau das. Nämlich, dass es den Menschen schlecht gehen wird in diesem Winter.
Auf Tiktok streamte die Partei kürzlich eine Veranstaltung. Dabei vergaß wohl jemand, in der Pause die Mikrofone auszustellen. So kam es, dass man plötzlich den EU-politischen Sprecher der AfD im Bundestag, Harald Weyel, bei einem privaten Gespräch hörte.
Zuvor sagte einer der Podiumsteilnehmer: "Es wird so dramatisch werden." Weyel antwortete: "Man muss sagen hoffentlich, oder? Wenn es nicht dramatisch genug wird, dann geht es so weiter...."
Darauf angesprochen, dementierte Weyel, dass er sich eine Verschärfung der Krise wünsche. Allerdings ist auch das ein typisches Populisten-Instrument: Hass schüren, aufregen mit heftigsten Aussagen – und danach zurückrudern.
Ein Beispiel lieferte 2016 die damalige Europa-Abgeordnete Beatrix von Storch:
Damals stand sie ihrer Kollegin Frauke Petry (mittlerweile aus der AfD ausgetreten) bei, die den Gebrauch von Schusswaffen an den europäischen Außengrenzen forderte – um Geflüchtete fernzuhalten.
Als ein Facebook-Nutzer fragte: "Wollt Ihr etwa Frauen mit Kindern an der grünen Wiese den Zutritt mit Waffengewalt verhindern?" antwortete sie: "Ja".
Auf die Frage, welches deutsche Gesetz einen solchen "Schießbefehl" erlaube, sagte von Storch: "Ich habe das Wort Schießbefehl nicht benutzt. Kein Polizist will auf einen Flüchtling schießen. Ich will das auch nicht. Aber zur Ultima Ratio gehört der Einsatz von Waffengewalt."