Tucker Carlson war das Zugpferd von Fox News. Dann kam sein plötzlicher Fall.Bild: IMAGO/ZUMA Wire
Analyse
Der abrupte Rauswurf von Starmoderator Tucker Carlson bei Fox News liess viele Fragen offen. Nun sind Textnachrichten aufgetaucht, die sein verstörendes Weltbild aufzeigen.
Peter Blunschi / watson.ch
Unter den Schreihälsen auf Fox News war Tucker Carlson der Quotenkönig. Fast drei Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer verfolgten seine Show an Werktagen zur besten Sendezeit. Denn der 53-Jährige lieferte dem Publikum – überwiegend Fans von Donald Trump –, was es hören wollte, also Rassismus und Verschwörungstheorien.
Umso überraschender kam sein Rauswurf am vorletzten Montag, auch für Carlson selbst. Es sei "ein Schock" für ihn gewesen, berichtete die "Washington Post". Noch in seiner letzten Sendung am Freitag zuvor deutete nichts auf ein baldiges Ende hin. Gründe gab Fox News keine an, weshalb gerätselt wurde, warum der Starmoderator gehen musste.
Am Dienstag hat die "New York Times" Textnachrichten veröffentlicht, die eine Erklärung liefern könnten. Sie stammten aus den Unterlagen zum Verleumdungsprozess des Wahlmaschinen-Herstellers Dominion gegen Fox News. Darin wurden die SMS geschwärzt, doch der "New York Times" gelang es, an die Originale zu kommen.
"So kämpfen weiße Männer nicht"
Carlson hatte sie in den Stunden nach dem Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 an einen seiner Produzenten versandt. Sie zeigen sein verstörendes Weltbild. So beschreibt er ein Video, in dem Trump-Anhänger ein "Antifa kid" verprügelt hätten. Es waren drei gegen einen, und das sei unehrenhaft: "So kämpfen weiße Männer nicht."
Nicht die Gewalttat hatte Tucker Carlson empört, sondern das Ungleichgewicht. Dennoch habe er begonnen, die Schläger anzufeuern und zu hoffen, sie würden den Mann "härter treffen, ihn töten", schrieb er weiter. Um sogleich einzuräumen, dass dies "nicht gut" sei: "Ich sollte mich nicht an seinem Leiden erfreuen. Ich sollte deswegen besorgt sein."
Show oder Überzeugung?
Immer wieder wurde spekuliert, ob Carlson, einst ein durchaus respektierter Journalist, nur eine Show für sein Publikum abzieht, oder ob er sein Gerede vom "großen Austausch" der weißen Amerikaner gegen "andersfarbige" Migranten wirklich glaubt. In einer anderen SMS aus den Dominion-Akten schrieb er, dass er Donald Trump "leidenschaftlich" hasse.
Fox-Besitzer Rupert Murdoch soll sich zunehmend über Carlson geärgert haben.Bild: AP / Mary Altaffer
Die nun aufgetauchten Nachrichten deuten darauf hin, dass er zunehmend dem weißen Rassismus und Nationalismus verfallen war. Der Vorstand von Fox News bekam sie gemäß "New York Times" kurz vor Prozessbeginn zu sehen. Er sei dermaßen schockiert gewesen, dass er eine renommierte Anwaltskanzlei mit Ermittlungen gegen Carlson beauftragte.
Angst vor Aussage vor Gericht
Offenbar war die Fox-Chefetage besorgt, dass der Moderator in den Zeugenstand gerufen werden könnte und seine Ausfälligkeiten ans Licht der Öffentlichkeit kämen. Dazu gehörten auch private SMS, in denen er das Management von Fox vehement kritisiert und eine weibliche Vorgesetzte mit vulgären und sexistischen Bemerkungen bedacht hatte.
Dieses drohende Szenario dürfte dazu beigetragen haben, dass Fox News in letzter Minute mit Dominion einen Vergleich über die happige Summe von 787 Millionen Dollar vereinbarte. Über das definitive Aus für Tucker Carlson soll die Besitzerfamilie am folgenden Wochenende entschieden haben, also Rupert Murdoch und sein Sohn Lachlan.
Murdoch greift zur Axt
Sie hatten ihrem Starmoderator lange die Treue gehalten, trotz dessen Hasstiraden und wiederholten Werbeboykotten. Der wichtigste Werbekunde in seiner Show war am Ende die Firma MyPillow des rechtsextremen Trump-Verehrers Mike Lindell. Dennoch trug Carlson einen beträchtlichen Teil zum finanziellen Erfolg des rechten Nachrichtensenders bei.
Ein ehemaliger hoher Kadermann von Rupert Murdochs News Corp. zeigte sich gegenüber der "Washington Post" überrascht, "dass ausgerechnet Tucker gehen musste". Murdoch wette nicht gegen sich selbst und verliere nicht gerne Geld, und Carlson habe viel davon generiert, "deshalb nehme ich an, dass es eine zutiefst persönliche Entscheidung war".
Angedeutetes Comeback
Der 92-jährige Milliardär habe zunehmend Mühe damit bekundet, wie weit sein Star ins rechtsextreme Lager abgedriftet sei, berichtete die "Washington Post" unter Berufung auf Quellen aus dem Umfeld des Australiers. In einer Sitzung bei Fox News habe sich Murdoch etwa lautstark über Carlsons Hetze gegen die US-Unterstützung für die Ukraine beklagt.
Die rassistischen Textnachrichten waren wohl der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Und zu Tucker Carlsons Rauswurf führte. Der gefallene Superstar der Rechten hat sich seither nur in einem Twitter-Video zu Wort gemeldet, in dem er gegen Politik und Medien in den USA pöbelte. Und vage ein mögliches Comeback andeutete.
Boris Pistorius (SPD) ist seit Januar 2023 Bundesverteidigungsminister unter Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Er gilt als einer der beliebtesten Politiker Deutschlands.