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Frankreich-Experte: Jordan Bardella könnte Marine Le Pen in den Schatten stellen

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Frankreichs Rechtspopulist Jordan Bardella könnte Premierminister werden.Bild: imago images / WilliamCannarella
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Frankreich-Experte: Polit-Jungstar Jordan Bardella "verkörpert den Aufbruch" in Frankreich

26.06.2024, 18:22
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Er ist jung, er ist rechts und könnte bald Frankreichs erster Premierminister einer europafeindlichen Rechtsaußenpartei werden: Jordan Bardella hält Präsident Emmanuel Macron auf Trab. Das Ergebnis der Europawahl zeigt deutlich: Der Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen und Bardella gehen als klare Sieger hervor.

Die Rechtspopulisten sind in Frankreich auf dem Vormarsch. Macron reagierte mit einem drastischen Schritt: Er löst das Parlament auf und kündigte Neuwahlen an. Das könnte nun die große Chance des Polit-Jungstars Bardella werden.

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Mit Jordan Bardella will Marine Le Pen ganz nach oben an die Spitze Frankreichs. Bild: imago images / Alexandre MARCHI

Bardella ist Parteichef des rechtspopulistischen sowie europaskeptischen RN und "verkörpert einen Aufbruch", sagt Frankreich-Experte Jacob Ross von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) auf watson-Anfrage.

Frankreich-Experte: Jordan Bardella ist "glatt, ohne Überzeugungen"

Bardella hat Ross zufolge schon bei der Europawahl am meisten Vorfreude auf den Wahltermin ausgestrahlt. "Während viele etablierte Politiker und Parteien zunehmend das Gefühl vermitteln, den Wahlterminen mit Sorge entgegenzublicken", führt Ross aus.

Bardella mache hingegen Lust auf einen politischen Richtungswechsel. Laut Ross hängt dem 28-Jährigen zudem weder das Image der ewigen Zweiten an (wie Marine Le Pen), noch wird er als Rassist oder Mann von gestern gesehen – obwohl es durchaus solche Vorwürfe gegen ihn gibt.

Es wirke aber, dass Bardella wesentlich gemäßigtere Positionen als Le Pen habe: sei es mit Blick auf gesellschaftspolitische Themen wie den Umgang mit Homosexualität, oder auch außenpolitische Positionen; die Zugehörigkeit zur EU, der Nato und den Positionen gegenüber Russland.

"Zudem ist er sehr pragmatisch und smart. Man könnte auch sagen glatt, ohne Überzeugungen", meint Ross. Das spiele er auch im laufenden Wahlkampf aus, wenn er die RN-Positionen der Vergangenheit abmildert.

Macron wollte das zu Beginn des Jahres mit der Nominierung des ebenfalls sehr jungen Gabriel Attal als Premier kontern, der ein vergleichbares Image hat. "Das hat aber im Europawahlkampf nicht funktioniert und es scheint auch jetzt nicht zu funktionieren", meint Ross.

Fakt ist: Der stets geschniegelt auftretende Bardella hat in den vergangenen Jahren eine Blitzkarriere hingelegt. Mit 16 Jahren trat er dem RN bei, der damals noch Front National hieß. Die damalige Chefin Le Pen wurde bei einem Pizzaabend mit dem Parteinachwuchs auf ihn aufmerksam und traute ihm sehr früh sehr viel zu.

Jordan Bardella soll Partei von Le Pen "entteufeln"

Einen Uni-Abschluss hat Bardella nicht, schon vor seinem Bachelor in Geografie hatte ihn die Politik in ihren Bann gezogen. Wäre er nicht in die Politik gegangen, hätte er Soldat werden wollen. Stattdessen wurde er Parteisoldat und kletterte unter Le Pens Kommando im RN unaufhaltsam nach oben.

Schon mit 22 Jahren war Bardella Sprecher der Partei und Chef ihrer Jugendorganisation, mit 23 Spitzenkandidat bei der Europawahl. "Die haben mich alle für verrückt gehalten", sagt Le Pen später über ihre Parteifreunde, die dem Zögling der Chefin dessen schnellen Aufstieg nicht gönnten.

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Doch Bardella passt hervorragend zu Le Pens Strategie der "Entteufelung", wie sie den Versuch nannte, der von ihrem Vater Jean-Marie Le Pen und einem Mitglied der Waffen-SS gegründeten Partei ein weniger radikales Image zu verpassen.

Tiktok-Star Bardella: Wie erfolgreich er Social Media nutzt

Dabei mauserte sich Bardella zum Medienprofi, der Wissenslücken und Widersprüche ungerührt weglächelt. Erfolg hat er auch mit seinen Tiktok-Auftritten vor inzwischen 1,7 Millionen Abonnent:innen – obwohl er selbst dort selten die Krawatte ablegt und sich oft im schwarzen Ledersessel vor der französischen Flagge sitzend zeigt.

"Die Videos, die Bardella, aber auch andere junge Rechtsaußen erfolgreich machen, transportieren politische Botschaften unterschwellig", sagt Ross. Oft gehe es eher um den Alltag der jungen Politiker:innen, die sich öffnen, den Blick hinter die Kulissen gewähren und so die Tür zu ihren Programmen und Inhalten öffnen.

French Far-right party National Rally president Jordan Bardella takes a selfie with supporters at a meeting, in Marseille, southern France, Sunday, March 3, 2024. (AP Photo/Daniel Cole)
Auf der Plattform Tiktok folgen dem Rechtspopulisten Jordan Bardella 1,7 Millionen User:innen.Bild: AP / Daniel Cole

Dabei will Bardella aus politischer Sicht die Nutzung von Social Media für Kinder und Jugendliche einschränken – ganz ähnlich wie Macron und sein Premier Attal.

Bardella: Wird er seiner "Ziehmutter" Le Pen am Ende gefährlich?

Le Pen hat indes Großes vor mit ihrem Polit-Jungstar. Schon im Wahlkampf für die Europawahl erklärt sie, dass sie 2027 als Tandem die Macht übernehmen wollten: sie als Präsidentin, er als Regierungschef.

Das Ziel von Le Pen rückt nun völlig unerwartet in greifbare Nähe, als Macron nach dem Sieg des RN bei der Europawahl Neuwahlen ausrief. Bardella tritt seitdem so auf, als sei seine Übernahme des Postens des Regierungschefs so gut wie sicher.

Aus dem "Wir" wurde in seinen Wahlkampfreden ein "Ich": Le Pen gerät zunehmend ins Abseits. Auch im Privatleben distanziert sich Bardella vom Le Pen-Clan: Nach Berichten der Klatschpresse trennt er sich von seiner bisherigen Partnerin, einer Nichte von Le Pen.

Auch Ross meint, dass Bardella zunehmend drohe, seine Fördererin Le Pen in den Schatten zu stellen. Mit Blick auf die nächste Präsidentschaftswahl liegen seine Vorteile auf der Hand:

"Bardella ist im politischen System noch unverbraucht, ihm hängt nicht eine jahrelange Medienpräsenz an. Er steht für einen Wechsel, der Generationen und politisch. Bisher gibt er sich als treuer Adjutant Le Pens, aber das könnte sich in Zukunft ändern."

Allerdings wurde dem RN und zuvor schon dem Front National in der Vergangenheit immer wieder vorgeworfen, eher wie ein Familienunternehmen zu funktionieren als wie eine Partei, sagt Ross. Es sollen teils intransparente Entscheidungen herrschen und eine große Machtkonzentration in wenigen Händen geben.

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Der Rassemblement National (RN) bei einer Wahlkampf-Veranstaltung. Bild: imago images / Vernier Jean-Bernard

Es sei aber nicht ausgeschlossen, dass Bardella irgendwann seine Chance sieht und gegen Le Pen rebelliert. Allerdings hat er laut Ross dafür noch viel Zeit, schließlich ist er gerade erst 28 Jahre alt und dürfte es sich gut überlegen, bevor er etwas überstürzt.

Bardella soll zwar den RN "entteufeln" – doch auch er nimmt inhaltlich weiter eine euroskeptische, einwanderungs- und islamfeindliche Haltung ein.

Bardella hetzt gegen Migranten – als Sohn italienischer Einwanderer

So warnte er bei der Vorstellung seines Programms ausdrücklich davor, "dass die französische Identität auf ihrem eigenen Boden auf beispiellose Weise verdrängt" werden könne. Er bedient sich zudem des klassischen Schemas des Sündenbocks: Schuld sind nach seiner Darstellung in vielen Fällen die Migrant:innen, seien es die Staatsfinanzen oder die innere Sicherheit.

Dabei ist Bardella selbst Sohn italienischer Einwanderer und Urenkel eines algerischen Einwanderers, der in den 1930er-Jahren nach Frankreich kam.

Bardella will als Kind einer Einwandererfamilie nun aber Zuwanderung drastisch reduzieren. "Aus seiner Sicht haben vergangene Generationen von Einwanderern, etwa die italienischen der 1950/60er-Jahre, sich angestrengt, um sich möglichst schnell zu integrieren und zu assimilieren", sagt Ross.

Jordan Bardella Visits The Franco-Italian Border Crossing - Menton French far-right Rassemblement National RN party President Jordan Bardella on the Franco-Italian border with Fabrice Leggeri, new arr ...
Jordan Bardella bei einem Besuch an der Grenze zwischen Italien und Frankreich.Bild: imago images / Shootpi

Damals haben laut Bardella die Migrant:innen die Sprache gelernt, teils französische Namen angenommen und sich nicht so stark abgegrenzt. Das sei heute seiner Ansicht nach nicht der Fall. Er trifft damit offenbar einen Nerv in Frankreich – auch bei jenen mit Einwanderungsgeschichte.

Laut Ross verfängt sich das Argument, dass Frankreich mit der unkontrollierten Einwanderung immer mehr überfordert sei, zunehmend bei Migrant:innen. "Ich war in den vergangenen Tagen überrascht, wie viele Menschen mit ausländischen Wurzeln in Interviews gesagt haben, dass sie für den RN stimmen wollen."

(mit Material der AFP)

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