Elon Musk hat die Autobranche revolutioniert. Er hat als Privatunternehmer den Weltraum erobert. Und er wird jetzt zu einer der wichtigsten Persönlichkeiten in der Welt der sozialen Netzwerke. Mit der Übernahme des Kurzbotschaftendienstes Twitter für umgerechnet 41 Milliarden Euro wird sich der reichste Mensch der Welt nach turbulenten Wochen eines der wichtigsten digitalen Sprachrohre überhaupt einverleiben.
Doch es bestehen erhebliche Zweifel, in welche Richtung sich die Online-Plattform unter Führung des ebenso visionären wie umstrittenen Hightech-Pioniers entwickeln wird. Der eifrige Twitter-Nutzer Musk, dem auf der Plattform mehr als 83 Millionen Menschen folgen, hat dem Netzwerk wiederholt eine Einschränkung der Meinungsfreiheit vorgeworfen.
Der 50-jährige Gründer des Elektroautobauers Tesla und des Raumfahrtunternehmens SpaceX schlägt dabei einen ähnlichen Tonfall an wie rechte Politiker, die eine angebliche "Zensur" durch die Online-Plattformen aus dem liberal gesinnten Silicon Valley anprangern. Twitter hatte in den vergangenen Jahren versucht, gegen die Verbreitung von Hassbotschaften und Falschinformationen vorzugehen – und nach der Erstürmung des US-Kapitols am 6. Januar 2021 den damaligen US-Präsidenten Donald Trump verbannt. Musk, der selbst auf Twitter immer wieder ausfallend über Kritiker herzieht, könnte einer solchen Form der Moderation von Inhalten ein Ende bereiten.
Unterdessen äußern sich zahlreiche Experten zu den Twitter-Neuigkeiten. So auch der Analyst Roger Kay von Endpoint Technologies. "Musk ist im Grunde genommen ein Autokrat", findet er. Und: "Seine Form des Libertarismus hat einen Einschlag von Rechtsaußen-Politik." Kay verweist dabei auch auf die Freundschaft von Musk zu dem in Deutschland geborenen Technologie-Investor Peter Thiel, der als Unterstützer von Trump und anderen rechten Politikern bekannt ist.
Auch der Analyst Rob Enderle äußert kritische Worte. Enderle warnt vor dem "kapriziösen Auftreten und Führungsstil", mit dem Musk immer wieder für Schlagzeilen sorgt. "Es ist, als würde er mit einer Schere in der Hand herumrennen. Schlechte Impulskontrolle und zu viel Geld sind keine gute Mischung." Eine Politik des Laisser-faire beim Moderieren von Inhalten könnte zudem letztlich Twitter schaden: "Die Trolle übernehmen, sie werden zu feindselig und vertreiben Menschen von der Plattform."
Dabei hat Musk versprochen, er wolle das "außergewöhnliche Potenzial" von Twitter freisetzen. Tatsächlich hat die Plattform bei ihrem Geschäftsmodell Probleme und enttäuscht immer wieder bei Nutzerzahlen und Einnahmen. Deswegen gibt es auch Experten, die davon ausgehen, dass der in Südafrika geborene Multimilliardär – derzeit geschätztes Vermögen: rund 268 Milliarden Dollar – dem Kurzbotschaftendienst zurück auf die Erfolgsspur bringen kann." Niemand kann leugnen, was Musk erreicht hat", sagt der Analyst Richard Smith. "Ich denke, er könnte Twitter transformieren."
Das hat er offenbar auch vor. Nachdem Twitter sein Angebot angenommen hatte, das Social-Media-Unternehmen zu privatisieren, twitterte der Milliardär: "Die freie Meinungsäußerung ist das Fundament einer funktionierenden Demokratie." Er wolle Twitter durch neue Features und Bekämpfung von Spambots "besser als je zuvor" machen und fügte hinzu: "Twitter ist der digitale Marktplatz, auf dem die für die Zukunft der Menschheit wichtigen Themen debattiert werden."
Zur Twitter-Übernahme schreibt die australische Zeitung "Sydney Morning Herald" am Dienstag:
Was genau Musk vorhat, wurde noch nicht veröffentlicht. Doch der Milliardär reagiert auf seinem Twitter-Account mit Humor auf seine Kritiker und die geplante "Meinungsfreiheit": "Ich hoffe, dass selbst meine schlimmsten Kritiker auf Twitter bleiben, denn das bedeutet Meinungsfreiheit."
Unterdessen äußern sich zahlreiche Vereine und Organisationen mit der Bitte, harsch gegen Rechtsextremismus und Hass-Botschaften vorzugehen.
Auch die gegen Rechtsextremismus engagierte Amadeu-Antonio-Stiftung ruft den Tesla-Gründer zu einem konsequenten Vorgehen gegen Hassbotschaften auf: "Rechtsextreme Hatespeech ist nach wie vor ein Riesenproblem auf Twitter", sagte ein Sprecher der Stiftung dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND, Dienstagsausgaben). "Wenn Herr Musk dem etwas entgegensetzen will, muss er die Transparenz und Zugänglichkeit der Meldewege verbessern und insgesamt einfach viel restriktiver gegen alle Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit vorgehen", fordert er.
Musks Übernahmeattacke dauerte nur wenige Wochen. Der Milliardär teilte Anfang April mit, dass er sich still und heimlich eine Twitter-Beteiligung zusammenkaufte. Dann überschlugen sich die Ereignisse. Erst sollte Musk in den Twitter-Verwaltungsrat einziehen. Damit wäre aber die Bedingung verbunden gewesen, dass der Chef des Elektroautobauers Tesla seine Beteiligung an Twitter nicht über 15 Prozent erhöht. Stattdessen schlug er den Sitz im Gremium aus und kündigte an, Twitter kaufen zu wollen.
Elon Musk hält nach bisherigen Angaben gut neun Prozent und müsste über 50 Prozent kommen.
Der Verwaltungsrat führte daraufhin eine Gegenmaßnahme ein, bei der andere Aktionäre günstiger Anteile hinzukaufen können, sobald die Beteiligung eines Angreifers wie Musk 15 Prozent überschreitet. Zugleich behielt sich Twitter generell vor, einem Deal zuzustimmen.
Der 50-Jährige präsentierte in der vergangenen Woche Zusagen für Kredite über 25,5 Milliarden Dollar und will darüber hinaus Aktien im Wert von rund 21 Milliarden Dollar einbringen. Musk ist die mit Abstand reichste Person der Welt. Sein Vermögen besteht aber fast ausschließlich aus Aktien von Tesla und seiner Weltraumfirma SpaceX, sodass er für einen Twitter-Kauf auch zu Krediten greifen müsste.
Musk zählt zu den aktivsten prominenten Twitter-Nutzern und hat rund 83 Millionen Follower.
Seine Kritik am Stand der Redefreiheit bei Twitter findet bei Anhängern von Ex-Präsident Donald Trump und anderen US-Konservativen Anklang. Sie wettern schon lange unter anderem dagegen, dass Twitter und andere Online-Plattformen gegen Falschinformationen rund um das Coronavirus sowie Trumps ungedeckte Wahlbetrugsvorwürfe vorgingen.
Trump wurde bei Twitter verbannt, nachdem er Sympathie für seine Anhänger bekundet hatte, die am 6. Januar 2021 das US-Kapitol in Washington erstürmt hatten. Das Management betonte bisher, dass es für den Ex-Präsidenten keinen Weg zurück auf die Plattform gebe. Musks Ansätze könnten Trump mit Blick auf eine erneute Kandidatur bei der Präsidentenwahl 2024 nun aufhorchen lassen: Er finde vorläufige "Timeouts" besser als permanente Ausschlüsse, sagte der Tesla-Chef allgemein. Musk hatte in der Anfangszeit die Gefahren durch das Coronavirus selbst heruntergespielt und Einschränkungen in Kalifornien als "faschistisch" kritisiert.
Twitter, gegründet 2006, wurde schnell zu einer Art Nervensystem der Nachrichtenbranche. Die breite Öffentlichkeit wurde auf Twitter 2009 aufmerksam, nachdem ein Nutzer Fotos eines im New Yorker Fluss Hudson gelandeten Passagierflugzeugs veröffentlichte. Für Trump war Twitter sowohl vor als auch während seiner Amtszeit das mit Abstand wichtigste Kommunikationsmittel.
(Mit Material von dpa)