Seit einer Woche macht das Buch Schlagzeilen, jetzt ist es erschienen: Bob Woodwards Werk über das Innenleben der Regierung von Donald Trump liegt seit Dienstag in den US-Buchläden aus – mit einer Startauflage von einer Million Exemplaren.
Für "Fear – Trump in the White House" hat Woodward nach eigenen Angaben Hunderte Stunden Interviews im inneren Zirkel Trumps geführt, meist im Hintergrund, das heißt, die Zitate durften benutzt werden, aber die Quelle wird nicht genannt. Er hat die Gespräche aufgezeichnet.
Das Buch erscheint in Deutschland am 11. Oktober. Hier sind fünf bislang unbekannte Episoden, die stellvertretend dafür stehen, wie Woodward den Alltag im Weißen Haus beschreibt, nämlich als eine Art Belagerungszustand durch die Russland-Ermittlungen und die Launen eines allzeit gereizten Präsidenten:
Nach der Amtsübernahme brauchte die Trump-Regierung dringend eine Nato-Politik, nachdem Trump das Bündnis im Wahlkampf als "obsolet" betitelt hatte. Dazu traf sich eine Runde im Februar 2017 zum Abendessen im Red Room der Residenz, schreibt Woodward.
Dabei waren Verteidigungsminister Jim Mattis, der oberste Militär, Generalstabschef Joseph Dunford, sowie der Stabschef des Nationalen Sicherheitsrates, Keith Kellogg. Erst habe Kellogg Trumps Position wiedergegeben, dann Dunford die Gegenposition erklärt: Dass das Bündnis immer noch wichtig sei und dass sich osteuropäische Nationen wie Polen von Russland bedroht fühlten. Mattis sagte, er denke, die Deutschen würden bald zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes bezahlen.
Trumps damaliger Stabschef Reince Priebus erklärte, dass die zwei Prozent auch nur eine Zielvereinbarung seien, kein Gesetz. Trump sagte, das sei ihm egal. "Es ist das, was sie tun sollen", zitiert ihn Woodward. Es ging noch weiter hin und her. Erst zum Ende des Abendessens schien Trump überzeugt: "Du kannst Deine Nato haben", sagte er zu Mattis, "aber Du wirst dort der Mieteneintreiber." Mattis lachte und nickte.
Im Juni 2017 feuerte Trump eine Reihe Tweets gegen die Moderatorin einer MSNBC-Morgenshow ab, in denen er sie etwa als verrückt und dumm bezeichnete und unterstellte, sie habe nach "einer Schönheits-OP schrecklich geblutet". Das entsetzte nicht nur die Republikaner, sondern auch Trumps eigene Mitarbeiter.
"Sie schießen sich damit selbst in den Fuß", sagte ihm Hope Hicks, Trumps Vertraute, laut Woodwards Darstellung. Hicks, Stabssekretär Rob Porter, Wirtschaftsberater Gary Cohn und der Social-Media-Beauftragte Dan Scavino schlugen Trump vor, eine Kommission zu bilden: Sie würden ihm Tweets entwerfen und seine Ideen für Tweets beurteilen. "Wahrscheinlich habt Ihr Recht", entgegnete Trump.
Doch er ignorierte den Vorschlag. Trump twitterte weiter, wie es beliebte. Er ordnete an, dass seine besonders erfolgreichen Tweets ausgedruckt und ihm vorgelegt werden sollten. Er wolle selbst studieren, was sie so erfolgreich macht.
Immer wieder beschriebt Woodward den Streit zwischen Trumps Chef-Wirtschaftsberater Cohn und Handelsberater Peter Navarro, der Trump dazu bewegen will, mit Zöllen gegen das Handelsdefizit vorzugehen. Im September 2017 kommt es zum Streitgespräch vor Stabschef Kelly. Cohn habe gesagt, dass Navarro Trump Lügen einflüstere. "Er ist die Quelle für das ganze Chaos im Haus."
Navarro habe zurück gegiftet: "Gary ist einfach ein Globalist. Er ist dem Präsidenten nicht loyal gegenüber." Kelly entscheidet, dass Cohn Navarros Vorgesetzter sei und dass dieser nicht mehr allein mit dem Präsident reden dürfe. Doch diese Regel wird nicht umgesetzt. Im Januar 2018 schwärmte Navarro dann laut Woodward Trump vor, die Zölle würden vor den Kongresswahlen im November die Wählerbasis sowie Gewerkschaftler begeistern.
Navarro konnte gemeinsam mit Handelsminister Willbur Ross Ende Februar Trump von den Strafzöllen überzeugen und ohne Absprache Chefs aus der Aluminium- und Stahlbranche für eine Zeremonie ins Weiße Haus einladen. Top-Wirtschaftsberater Cohn habe davon über Flurfunk erfahren, auch Stabschef Kelly wusste offenbar von nichts. Cohn teilte Trump seinen Rücktritt mit. Zur Begründung sagte er:
Nach dem Neonazi-Aufmarsch von Charlottesville im August 2017 stand Trump unter heftiger Kritik, weil er es nicht fertig gebracht hatte, die gewaltbereiten Rassisten eindrücklich zu verdammen. Stattdessen sprach Trump von Gewalt auf beiden Seiten. Die Lage war angespannt, die Republikaner im Kongress schossen auf Trump, dem niemand im Weißen Haus zur Seite springen wollte.
Chefberater Steve Bannon, der wegen seiner Verbindungen nach rechtsaußen bereits in der Kritik stand, habe den frischgebackenen Stabschef Kelly angerufen. "Du musst anfangen, den Typen zu beschützen", sagte er unter Verweis auf Trump. Kelly giftete laut Woodward zurück: "Willst Du etwa verdammt noch mal meinen Job?" Er fürchte, sagte er, dass er die Hälfte der Mitarbeiter und vielleicht ein Drittel des Kabinetts verlieren könne wegen Trumps Äußerungen zu Charlottesville.
Bannon erwiderte, er werde Freitag seinen Hut nehmen. Das sei das Beste, so Kelly. Bannon trat zurück – der Rest der Führungsriege blieb.
Trumps persönlicher Anwalt John Dowd versuchte monatelang, Trump davon abzubringen, sich von Russland-Sonderermittler Robert Mueller vernehmen zu lassen. Er fürchtete, der Präsident werde sich um Kopf und Kragen reden. Als er das nicht schaffte, trat Dowd im März 2018 zurück.
Woodward beschreibt den Anruf Dowds bei Trump. "Ich liebe Sie, ich unterstütze Sie, ich wünsche Ihnen alles Gute. Aber wenn Sie nicht meinen Rat annehmen, kann ich Sie nicht vertreten." Trump dankte ihm. Sie legten auf. Zwei Minuten später klingelte Dowds Telefon, die "New York Times" war dran, später die "Washington Post".
Für Dowd war klar: Der Präsident hatte sofort nach ihrem Telefonat selbst die Reporterin der "New York Times" angerufen. Trump, der sich ständig über die Zeitung beklagt, wolle doch immer der erste sein, der Neuigkeiten verbreitete. Dowd konnte eine Sache im Telefonat nicht aussprechen, habe er sich anschließend eingestanden, so Woodward: Das größte Problem bei einer Vernehmung wäre, dass Trump "ein verdammter Lügner" sei.
Dieser Text erschien zuerst auf t-online.de