Am 8. November werden zwei Staatsmänner die Midterms in den USA genau verfolgen. Wladimir Putin und Wolodymyr Selenskyj wissen, der Ausgang der Wahlen könnte auch Einfluss auf den Krieg in der Ukraine nehmen. Seit dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine gilt die USA als einer der größten Unterstützer Selenskyjs.
Die Biden-Regierung hat der Ukraine milliardenschwere Finanz- und Militärhilfen bereitgestellt. Doch bei den bevorstehenden Midterms könnten Bidens Demokraten die knappe Mehrheit im Senat und im Repräsentantenhaus verlieren.
Wie steht es um die amerikanische Unterstützung der Ukraine, gewinnen die Republikaner die Überhand im Kongress?
Die Agenda der Republikaner hinsichtlich der Ukraine-Unterstützung hat sich gewendet. Das beobachtet der Politikwissenschaftler Nikita Gerasimov von der Freien Universität Berlin. So signalisiert der republikanische Minderheitsführer, Kevin McCarthy, im US-Repräsentantenhaus recht offen: Sollten die Republikaner die Mehrheit erlangen, werde die Waffenhilfe an die Ukraine "geprüft".
Ende April hatten sie noch mit einer überwältigenden Mehrheit für das Lend-Lease-Programm gestimmt. Das Programm ermöglicht der Biden-Regierung, Waffen und andere Hilfsgüter schneller an die Ukraine zu liefern.
Laut konservativen US-Einschätzungen ist die Rede davon, dass die Republikaner die Waffenhilfe an die Ukraine "signifikant reduzieren" könnten. "Gleichzeitig könnten sie die Biden-Administration zu Verhandlungen mit Moskau drängen", sagt Gerasimov. Ihm zufolge hätte das gravierende Konsequenzen für die Ukraine.
Er sagt:
Ganz besonders kritisch sehen die MAGA-Repbulikaner:innen von Donald Trump die Unterstützung der Ukraine.
"Sie fragen sich, warum die USA so sehr auf der Seite der Ukraine steht. Was der Krieg mit Amerika zu tun habe und warum amerikanische Steuergelder für die Unterstützung der Ukraine verwandt werden ", sagt Dominik Tolksdorf gegenüber watson. Einige vertreten die Ansicht, dass auch Putins Sicherheitsinteressen in Europa berücksichtigt werden müssten, meint der US-Experte von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik.
Die moderaten Republikaner wünschen sich laut Tolksdorf mehr Kontrolle über die Militärhilfen. Wie viel Hilfe ist tatsächlich notwendig, und gibt es genügend Übersicht darüber, wo die Waffen landen? Gibt es mögliche Korruption? "Die negativen Erfahrungen vom Afghanistan-Abzug wirken hier nach", meint Tolksdorf. Ihm zufolge besteht Bedenken, dass die US-Waffen, die in die Ukraine geliefert werden, nach Beendigung der Kämpfe in die falschen Hände geraten könnten.
Doch trotz all dieser Drohungen sind sich die Experten einig: Im Falle eines Erdrutschsieges werden die Republikaner die Militärhilfe für die Ukraine nicht komplett kappen. "Das ist gar nicht möglich", sagt Gerasimov. Grund dafür: der "Presidential Drawdown Authority" (PDA).
Mithilfe des PDA ist es möglich bei einem Notfall, Waffen auch ohne Zustimmung des Kongresses zu liefern. "Zum anderen bleibt es bislang doch ein klarer parteiübergreifender Konsens in den USA, dass ein militärischer Sieg Russlands in der Ukraine verhindert werden muss", meint Gerasimov. Militärhilfen werden ihm zufolge vermutlich weitergeführt.
Doch wie sieht es mit der finanziellen Unterstützung aus?
Einschnitte in der Finanzhilfe für die Ukraine sind laut Gerasimov möglich – vor allem im Hinblick auf die Energiekrise und Inflation in den USA. Die Republikaner könnten das Thema vor allem innenpolitisch ausschlachten, um:
Beim letzten Punkt sind laut Gerasimov innenpolitische Deals denkbar. Nach der Devise: "Okay, Biden, wir stimmen für weitere Waffenlieferungen, aber dafür machst du uns Zugeständnisse bei schärferen Einwanderungsgesetzen".
Um hier Druck auf Biden aufzubauen, könnten sie beispielsweise mit dem Abbruch des Lend-Lease-Programms drohen. Es ist zeitlich befristet und müsste im kommenden Jahr verlängert werden.