Wie schnell die Algorithmen von Spotify, YouTube und Co. rechte Musik verbreiten, hat die Inititiative "Laut gegen Nazis" mit der Fake-Neonazi-Band "Hetzjaeger" gezeigt. foto: laut gegen nazis
Analyse
08.02.2022, 17:4009.02.2022, 08:04
Noch immer haben es rechte Bands leicht, ihre Musik über Streaming-Plattformen zu verbreiten. Wie leicht, das hat jetzt ein Experiment von "Laut gegen Nazis" gezeigt. Dieser Verein, der sich mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen gegen Rechtsextremismus engagiert, hat sich eine Fake-Neonazi-Band namens "Hetzjaeger" ausgedacht, einen Song namens "Kameraden" produziert und den dann bei YouTube, Spotify, SoundCloud und Co. platziert. Dort wurde der Titel tausendfach geklickt sowie von den Plattform-eigenen Algorithmen aufgegriffen und weiterempfohlen.
Inzwischen hat "Laut gegen Nazis" das Geheimnis gelüftet und die Ergebnisse des Experiments veröffentlicht. Auf eine entsprechende Anfrage von watson hat Spotify nicht geantwortet. Überhaupt ist das schwedische Unternehmen in solchen Belangen wenig auskunftsfreudig. Erst als sich 2020 der Verfassungsschutz einschaltete und die Streaming-Dienste für ihren laxen Umgang mit Rechtsrock rügte, beteuerte Spotify, dass man das Thema sehr ernst nehme und "feindselige Inhalte" sofort lösche.
Rechtsextreme Inhalte leicht auffindbar
Doch obwohl der Verfassungsschutz schon 2020 mitteilte, es sei "wünschenswert", dass zum Beispiel die Lieder der Band "Übermensch" gelöscht werden, da diese eindeutig der rechtsextremen Szene zugehörig sei, ist das bis heute nicht geschehen.
Im Gegensatz zu Spotify reagierte SoundCloud auf die Anfrage von watson. Man sei schlicht nicht in der Lage, alle hochgeladenen Inhalte zu überprüfen, sagt eine Unternehmenssprecherin. Das würden unter anderem Urheberrechtsgesetze verhindern. SoundCloud arbeite aber an einer Lösung und habe bereits einen externen Dienstleister engagiert, der die Inhalte auf der Seite permanent prüfe.
Experte warnt: Rechtsrock darf nicht normal werden
Wie schwerfällig Streamingdienste wie Spotify oder SoundCloud bei der Löschung rechter Musik sind, weiß auch der Musikwissenschaftler Dr. Thorsten Hindrichs. Er forscht an der Uni Mainz zum Thema Rechtsrock. Die Streamingdienste werden oft nur nach Nutzerbeschwerden tätig, erzählt er im Interview mit watson. Dann also, wenn es eigentlich schon zu spät ist. Dabei steht auch für Hindrichs fest: "Spotify und Co. sind verantwortlich für die Inhalte auf ihren Plattformen."
Das ganze Musikvideo zu "Kameraden", von dem anfangs nur die erste Strophe veröffentlicht wurde, um den Schein einer Neonazi-Band zu wahren. Video: YouTube/Hetzjaeger Dass darunter auch rechte Musik ist, ist für ihn aus mindestens zwei Gründen problematisch: "Zum einen besteht die Gefahr, dass dadurch Menschen mit Rechtsrock konfrontiert werden, die das gar nicht wollen und womöglich bereits von Rechtsextremismus oder Rassismus betroffen sind." Wenn rechte Musik auf Streamingportalen weiter toleriert wird, könne außerdem ein Normalisierungsprozess einsetzen und rechte Musik somit immer selbstverständlicher werden, warnt der Forscher.
"Kein Mensch wird allein durchs Musikhören zum Nazi."
Rechtsrock-Experte Dr. Thorsten Hindrichs
Doch was wollen rechte Bands eigentlich auf Spotify und Co.? Viel Geld verdienen sie da, wie die allermeisten Künstler, ja nicht. Der Musikwissenschaftler bestätigt das und sagt auch, dass es den Rechten nicht darum ginge, über Spotify eine neue Klientel zu rekrutieren. "Denn kein Mensch wird allein durchs Musikhören zum Nazi", so Hindrichs. Vielmehr wollen die Akteure ihre Musik enttabuisieren sowie eine Art "Service" für ihr Publikum schaffen. "Damit die nicht die Plattform wechseln müssen, wenn sie keine Lust mehr auf zum Beispiel Elton John oder Tina Turner haben und jetzt Rechtsrock hören wollen."
Streaming-Dienste brauchen klare Firmenpolicys
Viele der Plattformen argumentieren, dass sie Musik, die auf dem Index steht, also von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien als gefährlich einstuft wurde, umgehend löschen würden. Das Problem daran: Weil Neonazi-Bands das natürlich auch wissen, laden sie bei Spotify nur die "harmloseren" Sachen hoch, erklärt Hindrichs.
Allein nach dem Index dürften die Plattformen beim Löschen gefährlicher Inhalte also nicht gehen, findet der Experte. Besser wäre es, sich stattdessen an Datenbanken zu orientieren, die alle Akteure der rechten Musikszene erfassen, unabhängig davon, ob deren Musik nun indiziert ist oder nicht. Zudem bräuchten die Streamingdienste klare Firmenpolicys, in denen sie festhalten, was sie auf ihren Plattformen wollen und was nicht. Doch dazu fehle der Wille, sagt Hindrichs. "Und solange sich das nicht ändert, wird sich wohl auch an dem Problem nichts ändern."
Das Duell der Vize-Präsidentschaftskandidaten in der Nacht zu Mittwoch hat gleich durch mehrere Erkenntnisse überrascht. Tim Walz von den Demokraten und Republikaner J.D. Vance traten dabei unter deutlich gegensätzlichen Vorzeichen an. Die Debatte zwischen den "Running Mates" von Donald Trump und Kamala Harris könnte das letzte Duell im US-Wahlkampf gewesen sein.