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USA: Sind die Amerikaner zu dumm für die Demokratie?

Rep. Matt Gaetz, R-Fla., left, and Rep. Lauren Boebert, R-Colo., propose amendments to the Department of Homeland Security Appropriations Bill before the House Rules Committee, at the Capitol in Washi ...
Hardcore Republikaner und loyale Trump-Anhänger Matt Gaetz und Lauren Boebert.Bild: AP / J. Scott Applewhite
Analyse

Sind die Amerikaner zu dumm für die Demokratie?

Wieder drohte ein Shutdown. Eine zweite Amtszeit von Donald Trump ist ein realistisches Szenario. Geht "die Mutter aller Demokratien" vor die Hunde?
01.10.2023, 14:41
Philipp Löpfe / watson.ch
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China befindet sich in einer Wirtschaftskrise. Wladimir Putin führt Russland ins Elend. Ganz anders sieht es bei der Supermacht USA aus. Die amerikanische Wirtschaft ist weit besser als alle anderen aus der Pandemie gekommen. Der "Economist" hat kürzlich gar aufgezeigt, dass sie derzeit so stark ist wie schon lange nicht mehr.

Und trotzdem: Schon Ende dieses Monats könnten weite Teile der amerikanischen Verwaltung temporär geschlossen werden. Einen vernünftigen Grund dazu gibt es nicht. Doch eine Handvoll von "Verrückten" wie Matt Gaetz, Marjorie Taylor Green und Lauren Boebert nutzen die hauchdünnen Mehrheitsverhältnisse im Abgeordnetenhaus aus und erzwingen einen Shutdown, der allen schadet. Immerhin konnte dieser in der Nacht von Samstag auf Sonntag abgewendet werden.

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Lauren Boebert, Matt Gaetz und Marjorie Taylor Green sorgen oft für Ärger (v.l.n.r.). Bild: imago images / Michael Reynold

Gleichzeitig ist es nach wie vor denkbar, dass Trump die Wahlen nächstes Jahr gewinnt und ein zweites Mal ins Weiße Haus einzieht. Die Folgen wären fatal. Anders als in seiner ersten Amtszeit wird es dann keine "Erwachsenen" wie den ehemaligen Verteidigungsminister Jim Mattis oder den Stabschef John Kelly mehr geben, die Trump stoppen könnten.

Trump könnte der US-Demokratie erheblich schaden

Ein Team arbeitet bereits daran, wie die "checks and balances" der US-Demokratie ausgehebelt und Trump regieren kann wie sein Vorbild Wladimir Putin. Gewinnt Trump, wird seine zweite Amtszeit deshalb ein einziger Rachefeldzug eines pathologischen Narzissten – er verspricht seinen Anhängern bereits, er werde "Vergeltung" üben – und das prominenteste Opfer wird die amerikanische Demokratie sein.

Das alles wirft die Frage auf: Sind die Amerikaner zu dumm für die Demokratie? Ja, meint Jason Brennan. Der Philosoph und Politologe an der Georgetown University in Washington hat schon vor sieben Jahren mit seinem Buch "Against Democracy" Aufsehen erregt. Darin stellt er klipp und klar fest:

"Die meisten meiner Mitbürger sind – was die Politik betrifft – inkompetent, ignorant, irrational und moralisch unzuverlässig. Trotzdem haben sie Macht über mich. Sie können Leute mit großer Machtfülle in Stellung bringen und die Autorität des Staates gegen mich verwenden. Sie können mich zwingen, Dinge zu tun, die ich nicht will und in denen ich keinen Sinn sehe. Sie können Macht über mich ausüben, die sie nicht rechtfertigen können, und mir politische Maßnahmen auferlegen, die sie niemals unterstützen würden, wären sie informiert und würden sie rational handeln."

An Beispielen für seine These mangelt es Brennan nicht. Hier ein paar wenige Beispiele:

  • Die meisten Wählerinnen und Wähler wissen bei Wahlen nicht, wer in ihrem Bezirk kandidiert.
  • Sie wissen nicht, wer die Mehrheit im Kongress hat.
  • Sie haben keine Ahnung, wie viel Geld der Staat für Entwicklungshilfe ausgibt, und überschätzen den Betrag um ein Vielfaches.
  • Sie haben auch keine Ahnung, wie hoch die Sozialausgaben sind.

Wenn "Hobbits und Hooligans" wählen

Brennan unterteilt die Wählerschaft in drei Gruppen: in Hobbits, Hooligans und Vulkanier. Die Hobbits sind ignorant und opportunistisch. Sie wählen mal so, mal so. Die Hooligans sind die Parteisoldaten, die blind den Parolen ihrer Anführer folgen. Hobbits und Hooligans machen gemäß Brennan 90 Prozent der Wählerschaft aus. Den kümmerlichen Rest bilden die Vulkanier. Sie allein verhalten sich rational und kennen sich auch in den Sachfragen aus.

So weit, so schlecht. Doch es kommt noch schlimmer. Politik ist gemäß Brennan alles andere als eine Form von Volkshochschule. "Die meisten Formen von politischem Engagement versagen nicht nur, wenn es darum geht, uns zu erziehen, sie machen uns abgestumpfter und korrupt", stellt er fest. Das führt dazu, dass aus den meisten Hobbits mit der Zeit Hooligans werden und so die Demokratie zur Herrschaft des Mobs verkommt.

Diese Entwicklung lässt sich tatsächlich in den meisten westlichen Demokratien feststellen. In den USA ist sie besonders ausgeprägt. Dort hat die Polarisierung inzwischen massive Ausmaße angenommen, die an die Zeit der Religionskriege erinnern. Die Rivalität ist von blankem Hass geprägt.

Eine Demokratie, die zu einer Mob-Herrschaft verkommen ist, kann gefährliche Auswüchse haben. Brennan erinnert daran, dass Hitler demokratisch an die Macht gekommen sei. Deshalb schlägt er eine Alternative vor: die Epistokratie, die Herrschaft der Weisen.

Experte fordert Herrschaft der Weisen

Demokratie sei nicht per se etwas Edles, so Brennan. Sie habe keinen Wert an sich. Sie sei vielmehr ein Instrument, so wie ein Hammer, und stelle man fest, dass dieser Hammer seinen Zweck nicht mehr erfülle, müsse man sich nach einer Alternative umschauen.

Brennan fordert nicht die Abschaffung der Demokratie, sondern eine Verbesserung hin zu einer Epistokratie. Konkret könnte dies bedeuten, dass Wählerinnen und Wähler eine Prüfung bestehen müssen, bevor sie zur Urne schreiten dürfen. Oder die herkömmlichen politischen Institutionen werden durch Experten-Gremien ergänzt. Obwohl Brennan nicht darauf eingeht, drängt sich der Einsatz von künstlicher Intelligenz und Expertensystemen auf. Die Diskussionen darüber werden sicher noch kommen.

So zutreffend Brennans Kritik an der Demokratie ist, so vage sind seine Vorschläge bezüglich Epistokratie. Ja, sie sind gar gefährlich. Wladimir Putin, Viktor Orbán und Xi Jinping werden diese Vorschläge mit Freude zur Kenntnis nehmen. Ihre "gelenkten Demokratien" werden sie gerne in Epistokratien umtaufen. Das Resultat ist alles andere als erfreulich.

So berechtigt die Kritik an der Demokratie ist – letztlich hat deshalb das legendäre Zitat von Winston Churchill nach wie vor Gültigkeit. Es lautet: "Demokratie ist die schlechteste aller Regierungsformen – abgesehen von allen anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind."

Und ja, wenn ihr euch wieder mal darüber ärgert, dass die Idioten um euch herum falsch gewählt haben, denkt an den verstorbenen Punk-Musiker Ian Dury. Dieser hat einst in einem Lied über Dummköpfe gesungen: "Wenn alles gesagt ist, bist du auch nur ein Dummkopf."

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