In den dunklen Zeiten der FDP zeigt sich der Vorsitzende Christian Lindner optimistisch. Die jungen Liberalen fordern allerdings Lösungsvorschläge und einen frischen Wind. Bild: IMAGO / Political-Moments
Analyse
Es geht auf und ab für die FDP.
Bei der Bundestagswahl 2021 befanden sich die Liberalen im Höhenflug. Zum zweiten Mal hintereinander konnten sie bei einer Bundestagswahl ein zweistelliges Ergebnis vorweisen. Besonders bei den Erststimmenanteilen befand sich die Partei auf der Überholspur. Nach Einschätzungen von Expert:innen sei die FDP bei den Erstwähler:innen die erfolgreichste Partei gewesen.
FDP-Parteivorstandsitzung am Tag nach der Bundestagswahl 2021: Da war noch gut lachen bei Christian Lindner.Bild: imago images/Political-Moments
Der hohe Fall: FDP kassiert fünf Wahlschlappen seit Ampelbeginn
Am Wahlabend der Bundestagswahl 2021 verkündetet der FDP-Vorsitzende Christian Lindner, dass die Liberalen "eines der besten Wahlergebnisse in ihrer Geschichte erzielt" haben. Zwei Jahre später kommt der große Knall bei der Berliner Wiederholungswahl. Die Liberalen scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde. Die Zahlen sind im Keller – und das nicht zum ersten Mal.
Nach der fünften erfolglosen Landtagswahl stehen die Freien Demokrat:innen vor der Frage: Was läuft momentan schief?
FDP steht im Schatten der Ampel-Koalition
"Es gelingt der FDP in der Ampel-Koalition zu wenig, als 'bürgerliche Partei' sichtbar zu werden", meint der Politikwissenschaftler und Autor Benjamin Höhne. Das habe strukturelle, personelle, inhaltliche sowie partei-organisatorische Gründe.
Laut des Parteiexperten wird die FDP inhaltlich wenig mit eigenen Positionen wahrgenommen oder hinterlässt einen ambivalenten Eindruck: Wofür steht die FDP beim Krieg in der Ukraine und den Waffenlieferungen? Wie sieht ihre Position bei verkehrspolitischen Themen aus?
Bei der Verkehrspolitik hat sich die FDP laut Expertenstimme nicht genug positioniert.Bild: imago / Stefan Zeitz
"War es nicht so, dass sie beim Deutschland-Ticket zuerst auf die Bremse trat, um es sich dann später mit auf die Fahnen zu schreiben?", fragt Höhne. Weiter meint er, dass es die FDP als kleinste Partei im Ampel-Dreierbündnis nicht so leicht habe, strukturell wahrgenommen zu werden wie die beiden größeren Partner SPD und Grüne.
FDP-Basis fremdelt wohl noch immer mit der Ampel-Koalition
Höhne zufolge liegen FDP-Politiker:innen in der Regierung in Rankings hinter den beiden populären Grünen, Robert Habeck und Annalena Baerbock. Für die SPD stehe der Kanzler Olaf Scholz im Vordergrund. Der Experte sagt:
"Partei-organisatorisch ist mein Eindruck, dass die liberale Parteibasis nach wie vor mit dem Ampel-Experiment fremdelt. Habituell sehen sich viele Liberale näher bei der Union als bei Sozialdemokraten oder Bündnisgrünen."
Man lasse sich auf die Ampel-Fahrt immer nur mit angezogener Handbremse ein, sagt der Experte. So fällt auf, dass Lindner nach dem bitteren Wahlergebnis für die FDP bei der Berlin-Wahl auch den Finger auf die Ampel-Koalition zeigt.
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Lindner hebt Wahlschlappe von Rot-Rot-Grün hervor
Laut Lindner hat die Berlin-Wahl bundespolitische Auswirkungen. In der Pressekonferenz zum Ausgang der Berlin-Wahl 2023 verkündet er, dass dieses Linksbündnis in Berlin nicht habe punkten können. Sprich: erfolglos war. Nach Lindners Auffassung haben SPD, Grüne und Linkspartei "enorm an Zuspruch verloren". Das sollte wohl auch der Ampel-Koalition zu denken geben. Er sagt:
"SPD, Grüne und Linkspartei haben ja enorm an Zuspruch verloren. Die FDP hat fraglos nicht von der Wechselstimmung profitieren können, das ist klar. Aber trotzdem sind aus dem Wahlergebnis, dass wir hier gemeinsam in der Hauptstadt als Ampel-Koalition hatten, auch politische Schlussfolgerungen für die Politik der Ampel in Berlin nötig."
Christian Lindner bei der Pressekonferenz zum Ergebnis der Wiederholungswahl zum Berliner Abgeordnetenhaus.Bild: dpa / Sebastian Gollnow
Lindner blickt dennoch optimistisch in die Zukunft
Die FDP sei weiterhin "Garant für eine Politik der Mitte". "Mögen andere über Verbote, Fesseln, Steuererhöhungen und neue Schulden nachdenken, wir sorgen dafür, dass das Land in der politischen Mitte verbleibt", sagt Lindner. Ihm zufolge halte die FDP an ihrer Strategie fest, mit der es wieder bergauf gehen soll.
Dabei zählt er drei Punkte auf, mit denen die FDP etwa auch bei Landtagswahlen wieder Erfolg erzielen soll:
- Wir stellen heraus, dass Deutschland gut regiert wird.
- Wir haben eine Reihe von liberalen Modernisierungsprojekten, an denen wir arbeiten.
- Wir sind in der Ampel-Koalition Garant für eine Politik der Mitte.
"Die Umfragen für die FDP auf Bundesebene zeigen eine stabile Situation", meint der liberale Finanzminister und Parteichef. Auch weist er auf die Mitgliederentwicklung der FDP im Februar hin, die sehr positiv sei. "All das sind Indikatoren dafür, dass wir im Prinzip ein solides Fundament haben", sagt Lindner.
Liberale wollen an FDP-Spitzenkandidat Czaja festhalten
Auch werden die Liberalen weiterhin an Sebastian Czaja festhalten, der als FDP-Spitzenkandidat zur Abgeordnetenhauswahl in Berlin angetreten war. Dieser zeigt sich sichtlich erschüttert von dem Ausgang der Wahl.
"Die Wahlniederlage sitzt tief", schreibt er auf Twitter. Er sehe das Ergebnis in erster Linie als "persönliche Niederlage" und nehme alle Verantwortung dafür auf sich. Im Anschluss an die Sitzung des Präsidiums der FDP sagt Czaja: "Wir sind angetreten, um das Wahlergebnis von 2021 zu stabilisieren oder auch auszubauen. Das ist uns nicht gelungen."
Wenn es nach der FDP geht, soll Czaja allerdings nicht das Handtuch werfen. Laut Lindner bleibt sein Parteikollege eine starke Persönlichkeit bei den Freien Demokrat:innen, auf den sie auch in der Zukunft bauen.
Sichtlich mitgenommen tritt FDP-Spitzenkandidat Sebastian Czaja nach der Wahlniederlage vor die Presse. Bild: dpa / Sebastian Gollnow
Auf Twitter teilt Czaja mit, dass seine Stimmung derzeit noch getrübt sei. Er freue sich aber auf alles, was kommt. "Denn was uns gemeinsam ausmacht, ist unser Optimismus und der feste Glaube an eine bessere Zukunft, sowie der Mut, die Dinge immer wieder neu zu denken", schreibt er mit dem Hashtag "#BleibenWirMutig".
Blicken die jungen Liberalen (Julis) genauso optimistisch in die Zukunft nach der Serie von Wahlpleiten? Für die Bundesvorsitzende der Julis, Franziska Brandmann, steht fest: Etwas "läuft fundamental falsch."
Junge Liberalen erwarten Kompetenz statt Krawall
Im Gespräch mit dem "Spiegel" lässt Brandmann ihrem Frust freien Lauf. "Dass wir nun erneut eine Landtagswahl verloren haben, mag den einen oder anderen in der FDP dazu einladen, mehr Krawall zu fordern", sagt Brandmann. In ihr löse das Ergebnis eher Demut aus.
Bundesvorsitzende der Julis, Franziska Brandmann, fordert Lösungen, um die FDP wieder auf Erfolgskurs zu bringen.Bild: dpa / Michael Kappeler
Wenn sich die Wähler:innen in Berlin – einer Stadt, in der so viel schieflaufe – die FDP offenbar nicht als Problemlöserin vorstellen könnten, laufe etwas grundlegend falsch.
Weiter sagt sie:
"Jeder einzelne Parteifreund sollte das zum Anlass nehmen, darüber nachzudenken, welche politischen Lösungsvorschläge er in die Partei aktuell einbringt und welchen Anteil er an einem lösungsorientierten Auftreten der Partei hat."
Die Juli-Chefin erwarte Kompetenz statt Krawall, Selbstreflexion statt Beißreflex – und werde sich auch selbst daran halten.
Landesvorsitzende der Julis Berlin fordert eine Bewegung des Aufbruchs
Auch die Landesvorsitzende der Julis Berlin, Cristina Turbatu, teilt ihre Enttäuschung über das Wahlergebnis. Für sie sei es ein herber Rückschlag für den organisierten Liberalismus in Berlin. Auf watson-Anfrage sagt sie:
"Unsere Ambition an diese Wahl war, zukünftig einen Senat mit einer starken FDP zu bilden. Daher ist das Wahlergebnis für uns natürlich eine herbe Enttäuschung. Wir sind trotzdem der festen Überzeugung, dass die FDP und wir Jungen Liberalen die richtigen Lösungen für die Probleme dieser Stadt haben."
Die Liberalen dürfen ihr zufolge jetzt nicht in "lähmende Angst und internes Selbstmitleid" verfallen. "Bis zur nächsten Wahl müssen wir eine neue Bewegung des Aufbruchs schaffen, der uns selbst erneuert", meint Turbatu. Es sei an der Zeit, den Menschen in Berlin zu zeigen, dass eine starke FDP dringend nötig sei, um die Hauptstadt in die Zukunft zu führen.