Die US-Regierung nähert sich dem Kreml an. Donald Trump besteht auf einem Treffen mit Wladimir Putin – zum Entsetzen seiner Berater. Der Gipfel soll schon bald in Europa stattfinden.
Alles begann mit einer kurzen Notiz in Großbuchstaben: NICHT GRATULIEREN. Einen Zettel mit diesem Hinweis schoben die Berater im Oval Office Donald Trump unter die Nase, als dieser im März mit Wladimir Putin telefonierte. Putin hatte sich gerade als Präsident bestätigen lassen, und im Weißen Haus wollte man die unfreie Wahl nicht mit einem Glückwunsch aufwerten.
Was tat Trump? Er gratulierte trotzdem und lud Putin sogar nach Washington ein.
Seit diesem Telefonat vom 20. März arbeitet Trump auf ein Treffen mit dem russischen Präsidenten hin. Der will allerdings nicht ins Weiße Haus kommen, sondern sich auf neutralem Boden treffen. In dieser Woche sollen die Formalitäten geklärt werden: Trumps Sicherheitsberater John Bolton spricht dazu am heutigen Mittwoch im Kreml.
Zugleich kamen in Washington am Dienstag die Energieminister der beiden Länder zusammen, abgeschirmt von der Öffentlichkeit, um über Öl- und Gasindustrie zu sprechen. Abseits der Schlagzeilen findet momentan eine Annäherung zwischen Washington und Moskau statt, die wohl bald mit einem Gipfeltreffen sichtbar werden soll.
Trump setzt, wie beim Treffen mit Kim Jong Un, auf persönliche Diplomatie, darauf dass sich über ein direktes Kennenlernen Entspannung herbeiführen lässt.
In Washington wird der geplante Gipfel allerdings mit großer Sorge gesehen – denn aus amerikanischer Sicht birgt das Treffen Sprengstoff. Die US-Regierung ist gespalten im Umgang mit Moskau und auch Trumps eigene Beamte sehen es mit Entsetzen, dass der Präsident keine Antwort auf die russische Politik der Einflussnahme findet.
Die Sorge lautet, dass Trump Putin bei einem Treffen weitgehende Zugeständnisse machen könnte.
Projektionsfläche ist Trumps Treffen mit Kim Jong-un vor zwei Wochen. Auch dieses Treffen hat er gegen die Warnungen von Mitarbeitern durchgedrückt. Einen konkreten Ertrag, das wird immer deutlicher, hat das Treffen nicht gebracht, dafür aber Trumps Absage von US-Manövern mit Südkorea.
Ähnliches fürchten Experten jetzt auch: Es könnte ein "Kennenlerntreffen mit einem weiteren brutalen Diktator" werden, gab bereits Alexander Vershbow zu Protokoll, US-Botschafter in Moskau unter George W. Bush und später Nato-Vizegeneralsekretär. Und könnte Trump womöglich gar Nato-Militärmanöver an der Grenze zu Russland in Frage stellen?
Von den Gesprächen John Boltons in Moskau dürfte abhängen, wann und wo das geplante Treffen stattfindet. Aller Voraussicht nach würde es nach dem Nato-Gipfel in Brüssel (10./11. Juli) und Trumps Besuch in London stattfinden. Im Gespräch war zunächst Wien, jetzt ist es Helsinki.
Bislang trafen die Präsidenten der USA und Russlands nur kurz beim G20-Gipfel in Hamburg sowie beim Apec-Treffen in Vietnam aufeinander. In Hamburg kam es bereits zu einem Einzelgespräch ohne Berater. Doch ein eigener Gipfel birgt eine andere Art des Austausches und eine eigene Symbolik.
Putin ist erbost über die harten Sanktionen, die Washington nach der Krim-Annexion, Einmischung in die USA-Wahlen und dem Giftgasanschlag auf den Ex-Agenten Sergej Skripal verhängt hat.
Und was will Trump? Eine klare amerikanische Russland-Politik gibt es nicht, stattdessen herrschen in Washington drei Ansätze vor, die sich immer wieder gegenseitig blockieren.
Diese drei Kräfte wirken immer wieder gegeneinander. Zuletzt führte das im Frühjahr zu einer seltsamen Begebenheit. Als Reaktion auf das Giftgasattentat in Großbritannien wies die US-Regierung 60 Russen des Landes, die sie beschuldigte, als Agenten zu arbeiten. Trump zeterte im Nachhinein öffentlich, dass ihm das zu viel war.
Und nach dem Giftgaseinsatz in Syrien im April kündigte die amerikanische Uno-Botschafterin Nikki Haley für die kommenden Tagen weitere Strafmaßnahmen an, weil Russland die dortigen Regimetruppen unterstützt. Diese Sanktionen kamen nach Veto des Weißen Hauses dann aber nicht.
Putin dürfte bei einem Gipfeltreffen auf die Aufhebung von Sanktionen drängen. Und ganz offensichtlich fürchten viele in Trumps eigenem Umfeld, dass dieser gewillt sein könnte, dem zuzustimmen.
Dieser Artikel ist zuerst auf t-online.de erschienen.