Die CDU sucht eine neue Person an ihrer Spitze. Schon wieder. Der Noch-Vorsitzende und gescheiterte Kanzlerkandidat Armin Laschet wurde beim 33. Parteitag im Januar 2021 in sein Amt gewählt. Er setzte sich gegen Friedrich Merz und Norbert Röttgen durch. Jetzt gibt er seinen Posten wieder frei. Die Christdemokraten wollen sich erneuern.
Erneuern ist zumindest die Losung, die seither aus allen Mündern kommt. Die Bewerbungsphase für das Amt hat am 6. November begonnen – bis zum 17. November werden die Interessierten dann die Möglichkeit haben, ihren Namen in den Hut zu werfen. Danach haben die Kandidierenden zwei Wochen Zeit, sich ihrer Partei vorzustellen: Denn bei dieser Vorsitzendenwahl werden das erste Mal alle Parteimitglieder über die Person an der Spitze abstimmen. Offiziell übernimmt der neue Chef das Amt dann ab dem Bundesparteitag im Januar.
Bisher haben Noch-Kanzleramtschef Helge Braun, Stehaufmännchen Friedrich Merz – der bereits zwei Mal um dieses Amt kandidierte – und Norbert Röttgen ihre Namen in den Ring geworfen. Letzterer hatte seine Kandidatur in einer Pressekonferenz bekannt gegeben. Auf die watson-Nachfrage, was es über die CDU aussage, dass sich wahrscheinlich keine Frau für den Posten an der Spitze bewerben werde, antwortet Röttgen:
Sollte Röttgen Vorsitzender werden, will er Franziska Hoppermann aus Hamburg zur künftigen CDU-Generalsekretärin machen. Die 39-Jährige wurde im September erstmals in den Bundestag gewählt.
Außerdem im Gespräch um den Vorsitz: Carsten Linnemann, der Chef der Mittelstandsvereinigung – einem Verband innerhalb der CDU. Und Ralph Brinkhaus, der nach der Wahl erneut zum Fraktionschef seiner Partei gewählt wurde.
Fünf Männer. Alle katholisch. Fast alle aus Nordrhein-Westfalen – nur Braun ist Mitglied im hessischen CDU-Verband. Der Anspruch einer Volkspartei dürfte ein anderer sein. Das sehen auch Mitglieder der Partei so: Immer wieder wird der Ruf laut, Frauen sollten eine größere Rolle spielen, als momentan. Die frühere Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth beispielsweise forderte gegenüber dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland", dass Frauen nach vorne drängen sollten. Interessante, junge Christdemokratinnen gibt es. Daran liegt die Dominanz der männlichen Parteimitglieder also nicht.
Watson stellt euch fünf dieser Frauen genauer vor. Und hat sie gefragt, warum sie nicht kandidieren wollen.
Eine, an der niemand vorbeikommt, wenn er oder sie sich mit einflussreichen Frauen innerhalb der Partei beschäftigt, ist Silvia Breher. Die Niedersächsin ist stellvertretende CDU-Vorsitzende und war Teil des Zukunftsteams von Armin Laschet. In den neuen Bundestag ist sie über ein Direktmandat eingezogen.
Breher ist auf einem Bauernhof groß geworden. Auch heute lebt sie mit ihrer Familie in ihrem Heimatdorf. Aber nicht nur der ländliche Raum und Landwirtschaft sind Themen, für die sich Breher starkmachen möchte, sondern auch für die Gleichstellung von Männern und Frauen – und eine stärkere, moderne Familienpolitik, wie sie im Gespräch mit "t-online.de" klarstellte.
Auch für ihre Partei wünscht sich Breher mehr starke Frauen. Im Gespräch mit watson sagt sie: "Wir sollten jetzt mal abwarten, ob sich eine Frau für den Vorsitz bewirbt. Generell gilt, dass mehr Frauen in die Parteispitze gehören und es gibt viele tolle Kolleginnen, die sichtbar gemacht werden müssen."
Warum sie selbst nicht kandidieren möchte? "Das hat private Gründe. Ich bin Mutter von drei Kindern und die haben ein Recht darauf, mich zu sehen. Ich leiste gerne meinen Beitrag und bin mir sicher, dass ich mich an anderer Stelle konstruktiv einbringen kann."
Wichtig ist ihr allerdings, dass nicht nur der Parteivorsitzende ausgetauscht wird. Sie führt aus:
Das wichtigste sei nun, Ruhe einkehren zu lassen. Der Teamgedanke müsse Einzug halten und auch ernst gemeint werden: "Wir müssen alle an einem Strang ziehen. Wir sind die Partei der Mitte und als diese brauchen wir sichtbare Positionen."
Eine weitere Frau, die sich innerhalb der CDU einen Namen gemacht hat, ist die ehemalige Staatssekretärin für Integration im Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen. Serap Güler heißt sie und ist seit der Wahl im September Abgeordnete im Bundestag.
Gülers politische Karriere begann im Ministerbüro von Armin Laschet, als dieser noch Integrationsminister von NRW war. 2010 wechselte sie in das Gesundheitsministerium, nur um 2017 als Staatssekretärin zurückzukommen. Güler selbst ist die Tochter türkischer Gastarbeiter und kommuniziert sehr offen, dass das Leben für sie nicht immer sorglos war. Gerade, was die Angst vor Übergriffen durch Rechte angeht.
Güler steht für einen starken Mittelstand und Bildungsgerechtigkeit. Sie selbst findet nicht, dass die CDU aktuell eine Richtungsentscheidung bräuchte. Lieber sollte die Union eine Partei der Mitte bleiben. Wer ihr Lieblingsvorsitzender wäre? Diese Frage beantwortet sie gegenüber watson folgendermaßen:
Auch die Diskussion, dass eine Frau an die Spitze müsse, kann Güler nicht nachvollziehen. "Wir hatten jetzt 18 Jahre Angela Merkel und danach drei Jahre Annegret Kramp-Karrenbauer an der Spitze unserer Partei. Mit Armin Laschet besetzt erst seit zehn Monaten ein Mann diese Position", sagt sie. Dass sich möglicherweise keine Frau bewerben werde, hänge wohl auch damit zusammen, dass aktuell keine realistische Chance gesehen werde. "Bei mir passt dieser Posten nicht in meine Lebensplanung und ich fühle mich auch nicht unter Zugzwang, mich bewerben zu müssen", sagt sie. Insgesamt sei es unangemessen, Frauen durch Debatten dieser Art unter Druck setzen zu wollen.
Yvonne Magwas ist Vize-Präsidentin des Deutschen Bundestags. Das heißt, sie kann in Vertretung Sitzungen im Parlament leiten und ist für die Einhaltung der Ordnung zuständig. Jung, ostdeutsch, weiblich und das zweite Amt im Staat. Ein Hauch von Parität in der Union. Nominierung und Wahl kamen überraschend: Erst am Tag vor der konstituierenden Sitzung wurde Magwas aufgestellt.
Die Soziologin aus dem Vogtland war in der vergangenen Legislaturperiode die Vorsitzende der Gruppe der Frauen in der Fraktion. Und sie pocht deutlich auf Parität und Quoten, auch und gerade in der männerdominierten Union. Verheiratet ist Magwas mit einem weiteren CDU-Politiker, dem Noch-Ost-Beauftragten Marco Wanderwitz.
Als eine der wenigen Direktkandidierenden ihres Bundeslandes, konnte sich die Sächsin gegen ihre AfD-Konkurrenz durchsetzen.
Magwas kommt vom Land und möchte sich eigenen Angaben zufolge für die Stärkung des ländlichen Raums einsetzen. Im Parlament hat sie in der vergangenen Legislaturperiode außerdem in den Ausschüssen „Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung“ sowie „Kultur und Medien“ mitgearbeitet. In solchen Ausschüssen werden Gesetzentwürfe inhaltlich beraten, ehe eine Beschlussempfehlung ins Parlament getragen wird.
Warum sie nicht antritt und wie sie die aktuelle Richtungsdebatte sieht, dazu wollte sich Magwas auf watson-Anfrage nicht äußern.
Sie ist eine der Wunschkandidatinnen der ehemaligen Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth: Anette Widmann-Mauz. Die Chefin der Frauen-Union. Geht es nach Süssmuth, würde sie sich an ihren männlichen Parteikollegen vorbeidrängen, würde sagen, sie will Vorsitzende der CDU werden.
Ob sie dem Wunsch nachkommt, ist bisher unklar. Auf watson-Nachfrage äußerte sich Widmann-Mauz nicht.
Widmann-Mauz hat in der vergangenen Legislaturperiode als Staatsministerin für Migration und Integration an Integrationskonzepten mitgewirkt. Federführend hat sie sich um den nationalen Aktionsplan Integration bemüht – wobei sie auf das Konzept "Fordern und Fördern" setzt. Wichtig sind der Baden-Württembergerin auch Familienpolitik und die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen.
Widmann-Mauz ist mittlerweile seit 23 Jahren Abgeordnete, das erste Mal zog sie 1998 per Liste in das Parlament ein. Politisch bringt sie also viel Erfahrung mit – die meiste Zeit davon als Mitglied der regierenden Fraktion.
Diana Kinnert ist jung. Relativ jung zumindest, wie sie es in einem Interview mit der "taz" beschreibt. Mit 17 Jahren ist sie in die CDU eingetreten, das ist mittlerweile 13 Jahre her. Geboren und aufgewachsen ist die Politikerin in Wuppertal. Ihr Markenzeichen: Der Hut. Den Hang zur Kopfbedeckung entwickelte sie bereits mit elf Jahren durch das Detektivspielen mit ihrem Papa.
Mit ihren 13 Jahren Parteierfahrung kann Kinnert in einigen Bereichen bereits als alter Hase angesehen werden: Sie leitete das Abgeordnetenbüro des mittlerweile verstorbenen Ex-Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages, Peter Hintze. Außerdem arbeitete sie in der Parteireform-Kommission "Meine CDU 2017" mit. In Großbritannien hat sie dabei geholfen, ein Anti-Einsamkeitsministerium einzurichten. Auch Deutschland sollte ihrer Meinung nach mehr tun, um Menschen aus der Einsamkeit zu holen. Sie hat sogar ein Buch darüber geschrieben: "Die neue Einsamkeit" heißt es.
Auch sonst schreibt Kinnert viel, sie ist Publizistin und Autorin, arbeitet in Denkfabriken und Think-Tanks mit. Ihre Herzensthemen: Demografie, Anti-Einsamkeit und grüne Technologien. Kinnert ist lesbisch und hat einen Migrationshintergrund. Warum sie in der CDU ist? "Weil ich konservativ bin", antwortet sie auf solche Fragen. Ob sie es sich vorstellen könnte, für den Vorsitz zu kandidieren und wie sie zur aktuellen Richtungsdebatte steht, beantwortete sie watson zwar nicht, aber dass sie von Friedrich Merz nicht besonders begeistert ist, hat sie bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht.
Das Rennen um den CDU-Vorsitz wird am Ende womöglich nicht mit Überraschungen gespickt sein, trotzdem gibt es sie, die spannenden, jungen Politikerinnen in der CDU. Und nach 21 Jahren mit weiblichen Vorsitzenden dürfte die Partei auch bereit sein, erneut eine Frau an ihre Spitze zu lassen. Doch egal, ob Mann oder Frau, NRW oder Hessen: Um die CDU in eine paritätische Partei zu wandeln, müssen Frauen weiter gefördert werden – sowohl an der Spitze, als auch an der Basis.