2022 hat es uns nicht leicht gemacht. Mit Russlands Angriff auf die Ukraine hat sich viel verändert. Nicht nur dort vor Ort, wo zahlreiche Menschen sterben und sich Millionen auf die Flucht begeben. Sondern auch hier: Die Energiekrise als Folge des Krieges treibt die Preise in die Höhe. Die Inflation bedroht Bürger:innen und Unternehmen in ihrer Existenz.
Im Iran werden unterdessen Menschen misshandelt und hingerichtet, weil sie für ihre Freiheit auf die Straße gehen. Die Taliban verbieten Afghaninnen, sich zu bilden. Die Klimakrise tut ihr Übriges. Für Nicht-Optimisten dürfte der hoffnungsfrohe Blick auf 2023 schwerfallen.
Trotzdem: Es gibt Entscheidungen und Pläne, die einen Hoffnungsschimmer aufkommen lassen. Fünf von ihnen hat watson für euch zusammengetragen.
Nachdem eine Krankheitswelle nach der anderen durch Kitas und Schulen geschwappt ist, sind nicht nur Betten in den Krankenhäusern mau, sondern auch Termine beim Kinderarzt und sogar Medikamente. Weil das Gesundheitssystem auch unabhängig davon an allen Ecken knarzt, hat Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) eine Reform angekündigt.
Ein kleineres Gesetzespaket hat er schon angestoßen. Darin enthalten: Mehr ambulante Untersuchungen, ein neuer Pflegeschlüssel und mehr Geld für Kinderkliniken.
Was mit der großen Reform kommen soll: Die Abkehr von den Fallpauschalen – dem bisherigen Finanzierungssystem – und eine stärkere Spezialisierung der Kliniken. Gesundheit ist allerdings Ländersache – und Lauterbachs Kollegen sind bisher skeptisch, was die Pläne des Ministers angeht.
Trotzdem: Es sei eine gute Nachricht, dass die problematische Situation der Kliniken für Kinder- und Jugendmedizin im politischen Raum angekommen seien, erklärt Burkhard Rodeck auf watson-Anfrage. Er ist Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin.
Hoffnung macht ihm, dass nun die Budgetierung, also die Finanzplanung für Kinderärzt:innen und -kliniken, ausgesetzt wurde. Laut Rodeck wäre es begrüßenswert, wenn das auch in Zukunft so bliebe.
Die Klimakatastrophen und immer neuen Wetter-Rekorde machen es mehr als deutlich: Die Energiewende muss schleunigst kommen. 2022 allerdings war von großen Rückschlägen geprägt. Kohlekraftwerke wurden reaktiviert, die letzten drei Atomkraftwerke gingen in den Reservebetrieb.
Die Brückentechnologie Gas soll künftig nicht mehr aus Russland, sondern aus Kanada oder Katar kommen. Darunter extrem umweltschädliches Fracking-Gas. Dafür wurde im Herbst das erste schwimmende Flüssiggas-Terminal fertiggestellt.
Und genau das ist ein Grund zur Hoffnung.
Der Bau dieses Terminals hat gerade einmal ein halbes Jahr gedauert. Deutschland kann schnell sein. Und die EU hat Ende 2022 eine Notfallverordnung beschlossen, um den Bau solcher Anlagen zu beschleunigen. Das Wind-an-Land-Gesetz wird außerdem seinen Teil beitragen.
Die Energieminister:innen der EU haben sich darauf geeinigt, dass die Genehmigungsverfahren etwa von Solaranlagen nicht länger als drei Monate dauern soll.
Im Koalitionsvertrag hat die Ampel vereinbart, dass bis 2030 insgesamt 80 Prozent der Energie aus den Erneuerbaren kommen soll. Mit den beschleunigten Verfahren bleibt die Hoffnung, dass dieses Ziel womöglich früher erreicht wird.
Die steigenden Energiepreise und die Inflation sind für viele eine extreme Belastung. Einkäufe werden teurer, genauso Heizen und Strom. Die Bundesregierung hat für das neue Jahr breite Entlastungen versprochen. So weit, so gut. Aber das ist nicht alles: Finanziert werden sollen die Strom- und Gaspreisbremsen zum Teil aus der sogenannten Zufallsgewinnsteuer.
Nüchtern betrachtet handelt es sich dabei um eine Übergewinnsteuer, wie es sie auch in anderen Ländern gibt. Betreffen würde diese Zusatzabgabe vor allem Energielieferanten, die von den extremen Preisen an der Strombörse profitiert haben.
Etwa die Betreiber von Wind- und Solaranlagen. Natürlich kann man sich die Frage stellen: Ist es sinnvoll, diese Technologien stärker zu besteuern, wenn wir uns auf den Weg zum erneuerbaren Zeitalter machen wollen? Gleichzeitig ist es aber ein gutes Zeichen, dass sich die Ampel-Regierung darauf einigen konnte, Profiteure der Krise zur Kasse zu bitten.
Der Ökonom Sebastian Dullien erklärte in einem früheren Gespräch mit watson, dass er nicht davon ausgehe, dass die Einführung von Übergewinnsteuern Investitionen hemmen könnte. Zwar sei die Zusatzsteuer wenig geeignet, um gegen den Konsumrückgang vorzugehen. Würde sie allerdings umverteilt – wie es die Regierung mit dem Gasdeckel nun plant – könnte das aus Sicht von Dullien die Belastungen senken.
Der Erfolg des 9-Euro-Tickets hat es gezeigt: Die Deutschen wollen Bahnfahren. Was 2022 auch gezeigt hat: Die Bahn ist gänzlich überfordert. Höchste Zeit, endlich in die Infrastruktur zu investieren und das Schienennetz auf Vordermann zu bringen. Vor allem, wenn mit dem 49-Euro-Ticket wieder mehr Menschen auf die Schiene umsteigen.
Das denkt sich auch Verkehrsminister Volker Wissing (FDP). Der hat zum Jahresende eine schnellere Sanierung der Schiene angekündigt – und Investitionen. Um herauszufinden, was genau verbessert werden muss, hat Wissing eine Beschleunigungskommission zusammengesetzt. Im Abschlussbericht schlägt die Kommission folgende Maßnahmen vor:
Die Generalsanierung des Schienennetzes hat Wissing zur Chefsache erklärt. 2023 sollen diverse Maßnahmen eingeleitet werden, um 2024 dann mit der Modernisierung der Hochleistungsstrecken durchstarten zu können. Der Plan ist, dass alle Modernisierungen und Reparaturen gleichzeitig an einem Streckenabschnitt vorgenommen werden. So soll verhindert werden, dass der gleiche Bereich kurze Zeit später erneut gesperrt werden muss. Gut Ding will Weile haben, klar ist aber: Es tut sich etwas.
Für viele Betroffene dürfte bereits das geplante Chacenaufenthaltsrecht ein Grund zur Freude sein. Der Plan von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) sieht zumindest vor, den Dauerduldungen den Gar auszumachen. Und zwar, indem Geflüchtete leichter an ein dauerhaftes Bleiberecht kommen.
Die sogenannten Kettenduldungen hatten es vielen Menschen nahezu unmöglich gemacht, sich aus ihren prekären Lebensverhältnissen zu lösen. Ohne Bleiberecht kein Job. Ohne Job noch weniger Chancen auf den Aufenthaltstitel – und kein Geld.
Ein Schritt, der dem deutschen Arbeitsmarkt und damit der Wirtschaft hilft. Denn Geflüchtete mit Bleiberecht können arbeiten. Und zum Stichwort Fachkräftemangel und Einwanderung gibt es noch mehr gute Nachrichten: Die Reform des Einwanderungsrechtes dürfte Deutschland als Einwanderungsland attraktiver machen. Davon gehen auch Expert:innen aus.
Das Jahr 2023 hat das Potenzial, etwas besser zu werden, als die bisherigen 20er-Jahre. Und wenn aus den Plänen doch nichts wird, starten wir wenigstens mit dem Versprechen von Finanzminister Christian Lindner, dass die Cannabis-Legalisierung schon 2023 kommt. Und das, obwohl der Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Burkhard Blienert (SPD), mit einer Freigabe bis 2024 rechnet.