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USA: So will Donald Trump die drohende Staatspleite für sich nutzen

27.04.2023, USA, Manchester: Donald Trump, ehemaliger Präsident der USA, kommt zu einer Wahlkampfveranstaltung. Foto: Charles Krupa/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Donald Trump ist schon längst im Wahlkampfmodus.Bild: AP / Charles Krupa
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USA: So will Donald Trump die drohende Staatspleite für sich nutzen

27.05.2023, 15:18
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Es mutet fast an, wie ein bockiges Kleinkind, das seinem Spielgefährten aus Trotz keine Zugeständnisse machen will. Es will nicht teilen und auf irgendetwas verzichten will es schon gar nicht.

Nur, dass das Kleinkind, das hier am Trotzen ist, womöglich bald den ganzen Globus in eine Krise stürzen könnte. Gemeint sind hier die Republikaner:innen im Repräsentantenhaus der USA. Genauer gesagt: Donald Trumps Republikaner:innen.

Denn durch die könnte es in den USA könnte bald zu einem finanziellen Desaster kommen. Die derzeit regierenden Demokraten versuchen verzweifelt, eine Einigung mit den Republikanern in Sachen Schuldenobergrenze zu finden. Die Konservativen stellen sich quer – und dabei wird die Zeit knapp.

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Bis zum 1. Juni haben sie noch Zeit, die Schuldenobergrenze anzuheben, tun sie das nicht, stürzt das Land in eine sogenannte technische Zahlungsunfähigkeit. Kredite, deren Tilgung fällig wird, könnten nicht mehr zurückgezahlt werden. Würden die Entscheidungsträger:innen die Höchstgrenze anheben, wäre eine Staatspleite zunächst abgewendet.

Und damit auch eine weltweite Wirtschaftskrise.

Passiert das nicht, "dann droht auch eine Rezession", erklärt USA-Experte Thomas Greven. Der Politikwissenschaftler ist Redakteur bei den "Blättern für deutsche und internationale Politik" und forscht an der Freien Universität Berlin. "Die Auszahlungen von Renten, Sozialhilfe und die Gehälter von Bundesbediensteten wäre nicht mehr gewährleistet", sagt er auf Anfrage von watson.

Aktuell liegt die Schuldenobergrenze bei etwa 31,4 Billionen Dollar. Schon Mitte Januar dieses Jahres hatten die Vereinigten Staaten dieses Limit erreicht. Nun können sie keine weiteren Schulden aufnehmen, um die laufenden Rechnungen zu begleichen.

Eine Staatspleite würde man US-Präsident Joe Biden zuschreiben

Eine Zahlungsunfähigkeit würde demnach auch bedeuten, dass die USA ihre Staatsschulden nicht mehr bedienen könnten. "Ein Zahlungsausfall wäre eine wirtschaftliche Katastrophe, da US-Staatsanleihen nicht mehr im Finanzsystem als Sicherheit für Finanzgeschäfte verwendet werden könnten", erklärt der Volkswirt Edgar Walk bei der Tagesschau. Die Folge: ein kompletter Stillstand der Finanzmärkte und der Wirtschaft – auch weltweit.

FILE - President Joe Biden listens as he meets with House Speaker Kevin McCarthy of Calif., to discuss the debt limit in the Oval Office of the White House, May 22, 2023, in Washington. A federal pros ...
US-Präsident Joe Biden steht unter Druck.Bild: AP / Alex Brandon

Ein gefundenes Fressen dürfte dies sicherlich für den Ex-Präsidenten Donald Trump sein. Sein, zum Teil rechtsextremes, Lager ist es im Übrigen auch, das eine Einigung im US-Kongress blockiert – und damit auch die gemäßigten Republikaner vor ein Dilemma stellt.

Würde das Land der unbegrenzten Möglichkeiten wegen einer Schuldengrenze in den Ruin stürzen – würde dies aber vor allem einer Person zugeschrieben: dem derzeitigen demokratischen Präsidenten und Kandidaten zur Präsidentschaftswahl 2024, Joe Biden.

Und Trump könnte dies für sich und seinen Wahlkampf nutzen. Schon jetzt holt der Republikaner in seinen Wahlwerbevideos auf Instagram weit aus. Von ein (in Wahrheit zurzeit sinken) wahnsinnigen Inflation ist die Rede. Vom Krieg in der Ukraine. Von einer Wirtschaftskrise. Von der angeblichen Schwäche Bidens – die als Schwäche Amerikas ausgelegt wird. Populismus pur. Doch dass Trump mit solchen Aussagen seine Anhänger:innen mobilisieren kann, hat er mehrfach bereits unter Beweis gestellt.

Nicht nur, dass Trump diese Situation für sich und seine Zwecke nutzt. Er befeuert die Lage sogar noch. "Trump hat bei seinem umstrittenen Auftritt bei CNN Öl ins Feuer gegossen, indem er die – ohnehin wenig kompromissbereiten – Republikaner im Repräsentantenhaus aufgefordert hat, sich auf keinerlei Deals mit Biden einzulassen", meint Greven.

Das stärke der Minderheit von Abgeordneten des Freedom Caucus den Rücken, die den republikanischen Sprecher des US-Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, vor sich hertreiben, sagt der Experte. Der Freedom Caucus ist eine Gruppe konservativer, extrem rechter republikanischer Abgeordneter im Repräsentantenhaus. Und die bestehen bislang auf allen ihren Forderungen bezüglich der Ausgabenkürzungen.

Die Schuldengrenze anheben? Auf keinen Fall. Kompromisse? Bisher sah es nicht danach aus.

Doch nun scheint sich einem Medienbericht zufolge eine baldige Einigung abzuzeichnen. Die Unterhändler der Demokraten und Republikaner hätten mit der Ausarbeitung eines Gesetzestextes begonnen, berichtete die "New York Times" am Donnerstagabend (Ortszeit) unter Berufung auf nicht namentlich genannte Quellen.

Einige Details seien aber noch offen. Der Zeitung zufolge soll die Schuldenobergrenze für zwei Jahre angehoben werden. Ausgaben für alle Bereiche außer Militär und Veteranen sollen demnach in diesem Zeitraum begrenzt werden.

Republikaner Kevin McCarthy steht unter Druck

Ein solcher Kompromiss, erklärt der Experte Greven, sei für den Sprecher McCarthy zwar nicht zwangsläufig nötig. "Der wäre auch überparteilich möglich." Doch setze sich der gemäßigte Republikaner über die Köpfe der Trump-Anhänge:innen hinweg, könnten sie ihn laut Greven stürzen.

Und: "Kommt es tatsächlich zu einem – politisch, nicht ökonomisch begründeten – Zahlungsausfall der USA, werden die USA und alle politisch Verantwortlichen dafür einen hohen Preis bezahlen", meint der Politikwissenschaftler. Damit werde also nicht nur den Demokraten geschadet. "Die Strategie Trumps und des Freedom Caucus ist auch für sie riskant."

House Speaker Kevin McCarthy of Calif., speaks with reporters on the debt limit, Wednesday, May 24, 2023, on Capitol Hill in Washington. (AP Photo/Mariam Zuhaib)
Kevin McCarthy, Sprecher des Repräsentantenhauses, steht vor einem Dilemma.Bild: AP / Mariam Zuhaib

Trumps langfristige Strategie: Dem jetzigen Präsidenten schaden. Zwar wird sich der "Make Amerika Great Again"-Politiker in den nächsten Wochen zunächst auf seinen parteiinternen Konkurrenten Ron DeSantis konzentrieren müssen – der hat nämlich gerade erst seine Kandidatur im Rennen um den Präsidentschaftskandidaten bekannt gegeben. Dennoch sorgen Trump und sein Wahlkampfteam schon jetzt dafür, dass sie Bidens Ruf so gut es nur geht beschädigen.

Aber wie viel Schuld ist Joe Biden in der Schuldenfrage tatsächlich zuzuschreiben? "Bidens politische Programme tragen zur Erhöhung der Schulden bei, ohne Frage", sagt Greven. Auch, ob seine Politik zur Erhöhung der Inflation beigetragen ist, wird diskutiert. Das ist laut Greven allerdings umstritten. "Doch verantwortlich für die politische Krise sind allein die erpressungsbereiten Republikaner, denn diese könnten ihre Forderungen auch bei den anstehenden Verhandlungen über den Haushalt für 2024 stellen."

May 18, 2023, Lebo, Kansas, U.S: Donald Trump presidential campaign support sign with the words GOD, GUNS & U.S posted on front lawn of house in rural Lebo Kansas Lebo U.S. - ZUMAr142 20230518_zap ...
"Gott, Waffen und Land" steht auf einer Fahne, die im Zuge von Donald Trumps Wahlkampagne genutzt wird.Bild: imago images / ZUMA Wire

Auch hier brauche Biden deren Zustimmung. "Die Drohung mit der Verweigerung der Erhöhung der Schuldenobergrenze ist dafür nur vordergründig die beste Waffe." Jeden Plan der Regierung torpedieren. Bloß keine gemeinsame Sache mit den Demokraten machen. Der "Elite", dem "Establishment" keinen Raum geben. Das ist das Ziel. Doch: "Der Revolver am Kopf Bidens zielt gleichzeitig auf sie selbst", meint Greven.

Grundsätzlich gehe es im amerikanischen politischen System nicht ohne Kompromisse. Auch in der Frage um Steuererhöhungen. Die Verweigerung der Republikaner, auch nur darüber zu sprechen, trage zum Problem massiv bei. Denn: "Auch die würden die notwendige Schuldenaufnahme reduzieren."

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