Finanzielle Sicherheit im Alter, das ist das Versprechen des Staates an seine Bürger:innen – aber gilt das auch für junge Generationen?Bild: Pexels / rodnae productions
Analyse
Altersarmut. Das ist ein Problem, das nicht nur die aktuelle Renter:innen-Generation belastet. Viele junge Menschen machen sich schon heute große Sorgen, um ihre Absicherung im Alter. Mit der ewigen Diskussion über Renteneintrittsalter und die längere Lebensarbeitszeit haben viele Angst, zu arbeiten, bis sie umfallen.
"Die Rente ist sicher", das hat der frühere Arbeitsminister Norbert Blüm (CDU) bereits im Wahlkampf 1986 versprochen. Seither wurde dieses Versprechen etliche Male wiederholt, unter anderem von Kanzler Olaf Scholz (SPD).
Der ehemalige Arbeitsminister Norbert Blüm (CDU) hat in den 80ern mit der Rente Wahlkampf gemacht.Bild: Getty Images Europe / Sascha Steinbach
Aber ist das so? Ist der Generationenvertrag noch gerecht? Darüber hat watson mit dem Experten für Generationengerechtigkeit, Wolfgang Gründinger, gesprochen.
Wie andere Experten ist auch Gründinger davon überzeugt: Die Rente ist stabil. Und, wie er sagt, ist die deutsche Rentenversicherung erstaunlich gerecht. Denn es gibt das Umlageverfahren: Die Steuerzahler:innen zahlen aktuell die Beiträge, die die Rentner:innen von heute ausgezahlt bekommen. "Die Renten sind gekoppelt an die Nettolohnentwicklung", erklärt Gründinger das System. Steigen die Löhne, steigen die Renten.
Damit die ausgezahlten Renten aber nicht über die eingezahlten Beiträge hinauswachsen, gibt es den Nachhaltigkeitsfaktor: Gibt es mehr Rentner:innen als Einzahler:innen, steigt die Rente weniger stark an.
Sorgen dürfte sich die junge Generation natürlich machen – aber keine Panik schieben.
Ähnlich hatte es auch Anke Voss, Vorsitzende des Bundesverbands der Rentenberater, in einem früheren Gespräch mit watson ausgeführt. Damals meinte sie, das Rentensystem sei gut und stabil. Aber es müsse trotzdem nachgesteuert werden. Voss verglich die Rentenversicherung damals mit einem großen Tanker: Es brauche Zeit, ehe sich der Kahn lenken lässt.
Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat angekündigt, die Rente in den kommenden Jahren zu reformieren.Bild: imago images/ Uwe Koch eibner Pressefoto
Und genau da liegt das Problem: Änderungen an der Rente greifen nicht sofort – gleichzeitig ist das Thema Rente so existenziell und damit emotional behaftet, dass sich Politiker:innen oft davor sträuben, etwas zu verändern. Seien es die Beiträge, das Eintrittsalter oder auch die Auszahlung.
Rentensystem muss auf demografischen Wandel reagieren
Fragt man die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer, muss an allen drei Schrauben gedreht werden. Ihre Überlegungen zur Rente führte die Wissenschaftlerin Anfang Januar gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" aus.
Für Schnitzer ist klar: Die Beitragssätze müssen heute schon steigen, damit die Babyboomer-Generation auch die eigene Rente bereits in Teilen mitzahlt. Gleichzeitig dürfte die Rente sich nicht mehr am Nettolohn orientieren. Wichtig sei aber auch, dass das Eintrittsalter sukzessive steigt.
Monika Schnitzer ist eine der fünf Wirtschaftsweisen.Bild: dpa / Michael Kappeler
Ein Punkt, den auch Generationengerechtigkeitsforscher Gründinger anbringt. Mit steigender Lebenserwartung muss aus seiner Sicht auch die Lebensarbeitszeit steigen. "Wir haben eine richtig lange Zeit in der Rente und das müssen wir natürlich ausgleichen", stellt Gründinger klar. Das heißt: Menschen haben ein längeres Rentenleben und ein längeres Arbeitsleben. Zumindest in den Bereichen, in denen das möglich ist.
Die Industrialisierung und Technologisierung sind für ihn keine Gründe, die Lebensarbeitszeit herunterzuschrauben. "Überall werden Fachkräfte händeringend gesucht, das geht mit der Wunderwaffe Automatisierung nicht zusammen", sagt er. Zwar könne bei der Verwaltung Arbeitskraft eingespart werden, im Handwerk oder in den sozialen Berufen sei das bisher aber nicht möglich. Meint: Arbeit gibt es genug.
Der Fachkräftemangel ist ein Problem, das die Wirtschaft zunehmend in die Bredouille bringt. Bei einer Umfrage, die der Deutsche Industrie- und Handelskammertag durchführte, kam heraus, dass mehr als die Hälfte der Unternehmen nicht alle offenen Stellen besetzen können.
Die Hauptprobleme heißen Armut und Niedriglohnsektor
Klar sei aber auch: Allein die gesetzliche Altersvorsorge wird nicht reichen. Menschen müssten zudem privat oder betrieblich vorsorgen. Akuter wird das Problem Altersarmut aber für jene, die bereits während des Erwerbslebens an der Armutskante stehen – oder sogar von Armut betroffen sind.
Also: Menschen, die längere Zeit ohne Arbeit sind; Teilzeitarbeitende; Menschen, die im Niedriglohnsektor arbeiten; Mütter. "Wer wenig einzahlt, bekommt wenig raus", fasst Gründinger zusammen. Gerade Menschen, die im Niedriglohnsektor arbeiteten, würden oft so wenig Rente einbezahlen, dass sie am Ende nur die Grundrente ausgezahlt bekämen. "Das ist natürlich ungerecht, denn am Ende müssten die, die eingezahlt haben, mehr rausbekommen, als die, die nichts eingezahlt haben", sagt Gründinger.
Altersarmut bringt viele Rentner:innen dazu, Flaschen zu sammeln.Bild: IMAGO/Michael Gstettenbauer
Aber, stellt er klar, das sei kein Problem des Rentensystems, sondern des Arbeitsmarktes. Gründinger sagt: "Die Rente kann nicht das flicken, was 50 Jahre lang falsch gelaufen ist." Das Problem sei Armut, nicht explizit Altersarmut.
Die Wirtschaftsweise Schnitzer fordert im Gespräch mit der "Süddeutschen Zeitung" eine Umverteilung bei den Rentner:innen: Die, die höhere Beiträge eingezahlt haben, müssten am Ende trotzdem niedrigere Renten ausgezahlt bekommen, damit genug für alle da ist.
Rentenberaterin Anke Voss machte in einem früheren Gespräch mit watson den Vorschlag, eine Rentenkasse für alle zu schaffen. Einzahlen würden also nicht nur Arbeitnehmende, sondern auch Selbstständige, Beamte und Politiker:innen. Eine Forderung, die auch die Linke immer wieder stellt.
Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat für dieses Jahr ein Rentenpaket angekündigt. Geplant ist unter anderem, Geld in Aktien anzulegen, um so das Rentenniveau zu sichern. Wie viel sich dadurch am Ende verändern wird, bleibt abzuwarten.