Am Sonntag findet die dritte Landtagswahl des Jahres statt: Knapp 13 Millionen Menschen können in Nordrhein-Westfalen (NRW) an den Urnen einen neuen Landtag wählen.
watson klärt für euch die wichtigsten Fragen zur Landtagswahl.
In NRW steht der klassische Kampf der alten Volksparteien an: CDU gegen SPD. Die beiden aussichtsreichen Kandidaten für das Amt des NRW-Ministerpräsidenten sind Hendrik Wüst (CDU) und Thomas Kutschaty (SPD). Wüst hat den Posten aktuell inne, er ist der Nachfolger des 2017 gewählten Armin Laschet, der im Zuge der Bundestagswahl 2021 seinen Posten aufgab.
Wüst gilt als wirtschaftsnah und konservativ. Gleichzeitig gibt er sich aber auch progressiv. Als Merz Parteivorsitzender wurde, verband der NRW-Ministerpräsident seine Glückwünsche mit der Forderung, dass die CDU sich weder nach links, noch nach rechts entwickeln dürfe – aber jünger, moderner und weiblicher werden müsse.
Nach einer aktuellen Umfrage, die das Meinungsforschungsinstitut INSA im Auftrag der "Bild" durchführte, liegt die CDU mit 32 Prozent der Stimmen der Befragten vor der SPD (28 Prozent). Anders als in Schleswig-Holstein, wo die Sozialdemokraten gerade krachend verloren haben, könnten sie in NRW die Schuld an einer Wahlflaute nicht dem Amtsinhaberbonus in die Schuhe schieben. Dafür ist Wüst zu kurz im Amt.
Auch Kutschaty hat bereits Regierungserfahrung: In der letzten Rot-Grünen Regierung unter der Sozialdemokratin Hannelore Kraft (2010) war er Justizminister. Seit 2018 ist er der Fraktionsvorsitzende der SPD im Landtag.
In seinem Wahlkampf setzt er vor allem auf den Kanzler-Bonus. Regelmäßig erwähnt er seine gute Verbindung ins Kanzleramt. Und auch auf Wahlplakaten ist Kutschaty gemeinsam mit Olaf Scholz zu sehen.
Hendrik Wüst führt den Wahlkampf auf seine eigene Weise: Er setzt auf den Amtsbonus. Wüst nimmt also Termine als Ministerpräsident wahr, besucht Industriegebiete oder Astronautenzentren – und lässt sich dabei fotografieren.
Aber ganz so harmlos verlief der Wahlkampf trotzdem nicht: Die CDU hat es sich zur Aufgabe gemacht, Kutschaty und die NRW-SPD als Kreml-Fans zu outen. So zumindest macht es den Anschein. Der Vorsitzende der NRW-CDU, Bodo Löttgen, forderte Kutschaty per Brief auf, diverse Fragen zu beantworten. Darunter unter anderem, ob der NRW-Landesverband der SPD Spenden von Gazprom erhalten hätte oder ob sich Kutschaty schon mit Sputnik V – einem russischen Impfstoff gegen schwere Covid-Verläufe – habe impfen lassen.
Auch andere CDU-Mitglieder, wie der ehemalige Generalsekretär Paul Ziemiak, ließen sich zu solchen Anspielungen hinreißen.
Bereits vor der ersten WDR-Wahlarena Anfang Mai hatte es den Anschein, als sei die CDU einen Schritt zu weit gegangen. Wie der WDR berichtete, hatte die CDU-nahe Marketingagentur The Republic ein Papier herausgegeben, das Menschen aufforderte, sich Fake-Accounts anzulegen. Mit diesen sollten sie während der Diskussion Stimmung für Wüst und gegen Kutschaty machen. Die Aufforderung: Zu Beginn der Sendung um 20.15 Uhr "bitte alle Tweets im Minutentakt absetzen."
Die CDU stritt ab, mit dieser Kampagne in Verbindung zu stehen.
Die SPD wiederum hatte augenscheinlich nichts Besseres zu tun, als auch per Wahlplakat auf die Mallorca-Affäre der ehemaligen CDU-Ministerin Ursula Heinen-Esser aufmerksam zu machen. Plakate mit dem Slogan "Schönen Urlaub! Wir kümmern uns um das NRW von morgen" habe der Landesverband am Strand von Palma aufhängen lassen, berichtet "Express". Grund dafür soll zwar nicht die Mallorca-Affäre sein, sondern der Erfolg der Bundes-SPD, die auch beim Bundestagswahlkampf auf der Balearen-Insel geworben hatte.
Aktuell regieren in NRW die CDU und FDP. Mit dieser Zweierkombination dürfte allerdings nach der Wahl Schluss sein. Zumindest die aktuellen Umfragen lassen ein Ende erahnen. Zwar liegt die CDU aktuell bei 32 Prozent, die FDP allerdings nur bei acht.
Wahrscheinlicher wäre eine Jamaika-Koalition. Die Grünen liegen aktuell bei 16 Prozent. Sie dürften also die Königs- beziehungsweise Ministerpräsidentenmacher sein. Möglich wäre auch eine Schwarz-Grüne Koalition, zumindest dann, wenn eine der beiden Parteien am Wahltag ein paar mehr Stimmen bekommen sollte, als es die Umfragen vermuten lassen.
Möglich wäre aber auch eine Ampel-Koalition nach Vorbild der Bundesregierung. Die SPD kommt laut aktuellen Umfragen auf 28 Prozent. Eine rot-grüne Mehrheit ist aktuell nicht in Sicht, klar ist aber auch: Sollte es dafür reichen, ist die Chance groß, dass es einen Machtwechsel in Düsseldorf gibt – und eine Belastungsprobe für die Ampel. Denn die FDP dürfte wenig begeistert sein, sollte sie aus der Regierung fliegen.
Was sich nach der Wahl in NRW verbessern dürfte, ist der ÖPNV. Zumindest haben alle Spitzenkandidaten der Parteien in der WDR-Wahlarena angegeben, diesen ausbauen zu wollen. Ein weiteres wichtiges Thema: Die Verkehrsplanung. Denn in NRW sind viele Brücken marode – Bauprojekte allerdings müssen über Jahre hinweg geplant werden. Eine Legislaturperiode reicht also nicht aus, daher sind diese Projekte im Landtag immer schwer umstritten. Konkret geht es in NRW aktuell um 60 größere Brücken, die erneuerungsbedürftig sind.
Wie in ganz Deutschland ist auch in NRW das Thema Energiesicherheit aktuell groß: Natürlich kann die Landesregierung nicht so konkret helfen, wie der Bund mit dem Entlastungspaket. Grüne und auch SPD kritisieren allerdings den langsamen Ausbau von Windenergie in NRW – vor allem die Abstandsregelung von Schwarz-Gelb ist den Grünen ein Dorn im Auge.
Die FDP wiederum möchte prüfen lassen, ob Atomkraftwerke länger laufen können – als sogenannte Übergangstechnologie. Ein weiteres Thema, das in NRW natürlich omnipräsent ist: Kohle. Denn dort liegt beispielsweise das Dorf Lützerath, in dem aktuell immer wieder Umweltaktivisten gegen die fossile Energie kämpfen.
Ein weiteres Thema, das in NRW von Relevanz ist: bezahlbarer Wohnraum. Wie in vielen Regionen in Deutschland wird auch in NRW das Wohnen immer teurer. Zwar wird viel gebaut, wie aber der Deutschlandfunk berichtete, hakt es beim sozialen Wohnungsbau. SPD und Grüne sprechen sich deshalb dafür aus, die Mietpreisbremse zu verlängern.
Wie bei jeder Landtagswahl ist natürlich auch das Thema Bildung nicht zu ignorieren. Schließlich fällt dieses Fachgebiet fast gänzlich in den Hoheitsbereich der Bundesländer. Kein Wunder also, dass sich die Parteien das Thema Bildung weit nach vorne ins Wahlprogramm geschrieben haben: Vor allem das Problem des Lehrermangels soll behoben werden.
Landtagswahlen sind Landtagswahlen – das stimmt zumindest meistens. Eine Ausnahme bildet allerdings die Landtagswahl in NRW. Klar, auch hier dürfen nur die Nordrhein-Westfalen wählen. Und ja, die neue Landesregierung wird auch nur für NRW entscheiden.
Aber: NRW ist das bevölkerungsreichste deutsche Bundesland. Eine Vielzahl der größten deutschen Unternehmen hat dort seinen Sitz. Kurz: NRW ist mächtig und NRW ist reich. Der nordrhein-westfälische Landesfürst hat dadurch auch Macht in seiner jeweiligen Bundespartei – so ist es Armin Laschet (CDU) zum Beispiel gelungen, Kanzlerkandidat seiner Partei zu werden.
Kein Wunder also, dass die Landtagswahl in NRW auch für Kanzler Olaf Scholz (SPD) und den Oppositionsführer und Bundesvorsitzenden Friedrich Merz (CDU) von besonderer Bedeutung ist. Beide haben in den vergangenen Monaten Wahlschlappen kassiert: Die SPD am vergangenen Sonntag in Schleswig-Holstein, die CDU im März im Saarland. Traditionell ist NRW als Industrieland sozialdemokratisch geprägt, aktuell regiert allerdings die Union.
Jetzt geht es also bei beiden Parteien darum, den Ministerpräsidenten-Posten in NRW zu übernehmen oder zu halten. Auch, um auf bundespolitischer Ebene die eigene Position weiter zu festigen. Denn in den vergangenen Wochen hat die Kritik an der SPD (Scholz, Christine Lambrecht, Karl Lauterbach) nicht abgenommen. Und auch Friedrich Merz dürfte es gefallen, seine Stellung weiter auszubauen. NRW nach nur einer Wahlperiode wieder zu verlieren, wäre für die CDU ein neuer Tiefschlag. Und für den Sauerländer Merz persönlich auch.