Für viele Menschen wird Mieten und das Halten ihrer Wohnung zunehmend zum Problem. Gerade in Städten mit angespannten Mietmärkten. Denn auch wenn alles teurer wird, verdienen sie meist nicht mehr Geld.
Wenn es besonders blöd läuft, haben die Mieter:innen dann auch noch einen Indexmietvertrag. Das bedeutet: Die Miete steigert sich mit der Inflation.
Laut dem Berliner Mieterverein enthält nahezu jeder neue Vertrag eine Indexvereinbarung.
Von 1,6 Millionen Mietwohnungen in Berlin dürften knapp 911.000 bereits einen Indexmietvertrag haben oder bei Neuvermietung einen bekommen. Die restlichen Wohnungen gehören städtischen Wohnungsgesellschaften, Genossenschaften oder auch Vonovia und Deutsche Wohnen. Bei all jenen Anbieter:innen waren Indexmietverträge in der Vergangenheit kein Thema.
"Wir halten sowohl die Einführung einer Kappungsgrenze für bestehende Indexmietverträge als auch ein Verbot von neuen Mietverträgen mit Indexierung aufgrund der aktuellen Situation für zwingend erforderlich", erklärt der Mieterverein auf watson-Anfrage. Das habe der Verein auch dem Justizminister Marco Buschmann (FDP) geraten, der die Begrenzung für Indexmietverträge geprüft hatte.
Und mit dieser Einschätzung sei der Berliner Mieterverein nicht allein gewesen. Buschmann allerdings habe das wenig beeindruckt. Das Justizministerium kam zu dem Schluss, dass es keinen Handlungsbedarf gibt. Sehr zum Unmut des Berliner Mietervereins:
Die Ampel-Regierung war mit dem Plan angetreten, jährlich 400.000 neue Wohnungen zu bauen – um so dem enormen Mietendruck entgegenzuwirken. Erreicht wurde dieses Ziel bisher nicht.
Wie eine neue Studie der Böckler-Stiftung nahelegt, dürfte 2024 nicht einmal die Hälfte des Ziels erreicht werden. Grund dafür: Ein privater Investitionsstopp. Kredite sind aktuell teuer, Bodenpreise und Baustoffe ebenso.
Die Studienautor:innen schlagen vor, dass der Staat – um diesen Einbruch auszugleichen – den öffentlichen Wohnungsbau gerade bei Sozialwohnungen vorantreibt.
Für Bernhard Daldrup, den baupolitischen Sprecher der SPD, ist klar, dass an zwei Säulen gearbeitet werden muss: "Mehr neuen, vor allem bezahlbaren Wohnraum und mehr Mieterschutz gegen die Kostenexplosion."
Auf watson-Anfrage plädiert der Sozialdemokrat dafür, endlich die Pläne des Koalitionsvertrages umzusetzen. Eine Forderung, der sich auch Grünen-Politikerin Christina-Johanne Schröder anschließt. Sie sagt im Gespräch mit watson:
Konkret heißt es im Koalitionsvertrag:
Das Justizministerium verwies auf Anfrage von watson auf Interviews aus dem Frühjahr. Damals erklärte Buschmann: Er stehe zum Koalitionsvertrag und erwarte das auch von seinen Koalitionspartnern. Ein konkretes Datum, wann der Gesetzentwurf kommt, nannte er nicht.
Neben diesen Maßnahmen brauche es laut Daldrup weitere Anpassungen: So dürfe die Mietpreisbremse nicht durch möblierte Wohnungen umgangen und die Indexmiete müsse gedeckelt werden.
Eine neue Entlastung für über vier Millionen Menschen: Die Wohngeldreform. Daldrup räumt aber ein: Das Hauptproblem liegt darin, dass es zu wenig Wohnungen gibt.
Deshalb hat die Ampel 14,5 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau bereitgestellt. Und zusätzlich 550 Millionen Euro, damit die Länder sich um Wohnraum für Studierende und Azubis kümmern.
Was die Ampel außerdem will: eine neue Wohngemeinnützigkeit. Für Schröder ein Gamechanger. Die Idee dahinter: Genossenschaften, Wohnungsunternehmen oder auch Privatmenschen bauen dauerhaft bezahlbaren Wohnraum und der Staat subventioniert sie.
So würde der Druck herausgenommen, mit Mieten Geld zu verdienen. Es sei zudem ein Anreiz, wieder mehr private Bauinvestitionen zu tätigen. Neben der Gas- und Strompreisbremse könnte das ein weiterer Teil der Lösung sein.
Für Daniel Föst, baupolitischer Sprecher der FDP, ist klar: Gegen den Mietenschock hilft nur bauen, bauen, bauen. Auf watson-Anfrage erklärt er: "Erst wenn wir die Angebotslücke schließen, werden wir auch die Wohnkosten in den Griff bekommen."
Aus Sicht von Grünen-Politikerin Schröder muss nicht zwingend neu gebaut werden. Statt neu zu bauen, auf teurem Grund, spricht sie von Aufstocken, Reparieren und Umnutzen.
Das heißt: Bürogebäude und Ladengeschäfte, die nicht mehr genutzt werden, sollen Wohnraum werden. Natürlich sei auch das nicht einfach, aber so könnten relativ schnell tausende neue Wohnungen entstehen. Auf die Häuser, die es in den Städten schon gibt, sollte aus Sicht der Grünenpolitikerin außerdem ein weiteres Stockwerk gebaut werden.
"Bei all diesen Maßnahmen, muss man die Gebäudehülle nicht mehr bauen – braucht also weniger Baumaterialien, und man muss auch das Grundstück nicht mehr kaufen", führt Schröder aus. Es würde also günstiger als ein Neubau. Was es dafür aber braucht, ist eine Verschlankung und Flexibilisierung im Bauwesen.
Was es aus der Sicht der FDP braucht: vereinfachte Regulierung, Baubeschleunigung und dauerhafte Kostensenkung. Konkret geht es den Liberalen um ein Baukostenmoratorium, Planungsbeschleunigung und Digitalisierung.
Föst schlägt vor, ungenutzte Mittel aus dem Fördertopf für energetische Sanierung auch in die Neubauförderung zu stecken. Wenn die Koalition sich nicht bewegt, werden all die Mieterschutzmaßnahmen nichts bringen, meint er.
"Ein laues Lüftchen", nennt Jan-Marco Luczak, der baupolitischen Sprecher der Unionsfraktion, das Ampel-Förderprogramm für Neubau. Luczak sagt gegenüber watson:
Die Folge: Hohe Baukosten treiben die Mieten nach oben. Was es aus Sicht von Luczak braucht: Entschlackte Bauvorschriften und beschleunigte Genehmigungsverfahren.
Von einer Verstaatlichung von Wohnungen oder auch größeren Eingriffen in den Wohnungsmarkt hält der Christdemokrat nichts. Enteignungen hält er sogar für verfassungswidrig.
Linkenpolitikerin Caren Lay sieht gerade diesen Punkt anders. Sie bezieht sich mit ihrer Einschätzung auf die Expertenkommission des Berliner Senats. Die Linkenpolitikerin unterstützt daher die Bestrebungen in Berlin und Hamburg, sie sieht aber auch andere sinnvolle und schnelle Maßnahmen.
Lay sagt: "Mit einem Mietenstopp und einem bundesweiten Mietendeckel können Mieten schnell wieder bezahlbar werden." Um zukunftssicher zu sein, müsse die Baupolitik außerdem die Realität besser spiegeln: Wohnungspolitik müsste auf mehr Singlehaushalte und alternative Lebensformen ausgerichtet werden. Lay bringt als kurzfristige Lösung ein Recht auf Wohnungstausch ein. Das soll es Menschen ermöglichen, Wohnraum je nach Lebenssituation zu tauschen.
Die Linkenpolitikerin verweist zudem auf die neue Wohngemeinnützigkeit. Und wie Grüne und SPD fordert auch sie: Die Koalition muss jetzt liefern.