Alle im Bundestag vertretenen Parteien haben eine parteinahe Stiftung. Die Konrad-Adenauer-Stiftung beispielsweise steht der Union nahe, die Friedrich-Ebert-Stiftung der SPD und die Heinrich-Böll-Stiftung den Grünen. Sie alle sind von ihren nahestehenden Parteien unabhängig und forschen offen. Ihre Aufgabe wird auf der Webseite des Innenministeriums folgendermaßen zusammengefasst:
Und weil Stiftungen eben als ein solch wichtiger Punkt in der demokratischen Gesellschaft angesehen werden, bekommen sie eine Förderung vom Bund. Im Haushalt des Bundesinnenministeriums sind dafür sogenannte Globalzuschüsse vorgesehen. Für bestimmte Aufgaben können die Stiftungen auch noch Geld aus den Etats anderer Ministerien und vom Bundestag bekommen. Die Höhe der Mittel wird in den Verhandlungen über den Bundeshaushalt festgelegt.
Aber nicht alle parteinahen Stiftungen werden gleicherweise gefördert. Kein Geld gibt es nämlich für die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES). In ihrem Selbstverständnis ist sie die "einzige konservative, politische Stiftung", die sich für eine Zukunft Deutschlands als Nation, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Meinungsfreiheit engagieren will.
Dass die DES nicht gefördert wird, findet die AfD ungerecht. Aus diesem Grund muss nun das Bundesverfassungsgericht über den Fall urteilen.
Das Problem ist: Die Stiftungsförderung ist gesetzlich nicht geregelt. Als Richtschnur gilt ein Urteil des Verfassungsgerichts aus dem Jahr 1986. Darin steht, dass sichergestellt sein muss, "dass eine solche Förderung alle dauerhaften, ins Gewicht fallenden politischen Grundströmungen in der Bundesrepublik Deutschland angemessen berücksichtigt". Aber ab wann ist eine politische Strömung dauerhaft?
1998 hatten die Stiftungen selbst vorgeschlagen, dass "eine wiederholte Vertretung" der entsprechenden Partei in Fraktionsstärke im Bundestag ein geeigneter Anhaltspunkt sei. Diese Prämisse erfüllt die AfD seit dieser Legislaturperiode. In den Landtagen sogar schon länger. Geld wurde der DES im Haushalt trotzdem nicht eingeräumt.
Die Partei fühlt sich deshalb in ihrem Recht auf Chancengleichheit verletzt. Die Vorsitzende der DES, Erika Steinbach, kritisiert gegenüber der Nachrichtenagentur dpa:
Die AfD will feststellen lassen, dass der Ausschluss von der Förderung gegen Verfassungsrecht verstößt. Ihre Organklage richtet sich gegen den Bundestag, den Haushaltsausschuss, die Bundesregierung, das Innen- und das Finanzministerium. Auch die Stiftung selbst hat es zuvor mit einer Verfassungsbeschwerde versucht, war aber zunächst an die Fachgerichte verwiesen worden.
2022 hat das Verwaltungsgericht Köln entschieden, dass der DES bis 2021 zu Recht die Förderung verweigert wurde – das Kriterium des zweifachen Bundestagseinzugs sei nicht zu beanstanden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es ist allerdings möglich, dass auch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe so urteilen wird.
Sollte das Gericht zugunsten der DES und der AfD entscheiden, könnten der Stiftung 70 Millionen Euro aus Steuergeldern zustehen. Das berichtet der "Tagesspiegel" und beruft sich auf Berechnungen der Otto-Brenner-Stiftung.
Eine Vorstellung, die Organisationen wie der Kampagnenplattform Campact und die Frankfurter Bildungsstätte Anne Frank nicht behagt. Sollte die DES Recht bekommen, drohe die Entstehung einer extrem rechten Denkfabrik, die mit Millionen aus Steuergeldern finanziert werde, meint der Direktor der Bildungsstätte, Meron Mendel.
Er verwies bei einer Pressekonferenz kurz vor dem Urteil auf die engen Verflechtungen der Stiftung mit rechtsextremen Organisationen wie dem "Institut für Staatspolitik" (IfS). Die Otto-Brenner-Stiftung führt in einer Publikation zur DES aus, dass das IfS in den vergangenen 20 Jahren enormen Einfluss auf die ideologische Ausrichtung und die Radikalisierung des gesamten rechten Lagers genommen habe. Eines der Gründungsmitglieder, Karlheinz Weißmann, ist Mitglied des DES-Kuratoriums.
Verbindungen soll es laut der Publikation aber auch mit etlichen anderen rechten Strömungen und Vereinen geben, zum Beispiel der Identitären Bewegung und Burschenschaften.
"Akteur*innen mit langjährigen und guten Verbindungen ins neurechte Spektrum bestimmen weiterhin einen großen Teil der DES-Strategie", schreibt die Otto-Brenner-Stiftung in der Publikation. Die DES habe es sich außerdem zur Aufgabe gemacht, mit Schulungen und Seminaren zur Theoriebildung beizutragen. Dort sollen auch Politiker:innen und Wissenschaftler:innen zusammengebracht werden.
Die DES selbst soll aber auch als Berater:innen-Gremium fungieren. Themen, mit denen sich die Stiftung befasst, sind unter anderem Demografie und Migration, Gendern und die direkte Demokratie. In der Zeitschrift "Faktum" präsentiert die DES ihre Gedanken und Thesen nach außen. Zu lesen sind darin Beiträge von AfD-Politiker:innen, Kuratoriumsmitgliedern und AfD-nahen Personen. Darin enthalten: neu-rechte Inhalte.
Mit einer Millionen-Förderung könnte die DES ihre rechte Kaderschmiede also noch ausbauen. Campact und die Bildungsstätte Anne Frank haben einen Vorschlag, wie dieser Vorstoß umgangen werden könnte.
Der "Tagesspiegel" fasst den Plan so zusammen: Stiftungen, die sich nicht aktiv und nachweisbar für die freiheitlich-demokratische Grundordnung und Menschenrechte einsetzen, sollen von der Finanzierung per Gesetz ausgeschlossen werden. Genauso, wenn die zugehörige Partei als verfassungsfeindlich eingestuft wird.
Campact fordert außerdem, einen Teil der Förderung nicht pauschal auszuschütten, sondern an Bedingungen zu knüpfen. Ein entsprechender Appell mit dem Titel "Kein Steuergeld für die AfD-Stiftung!" wurde bislang von 394.496 Menschen unterzeichnet.
Bisher habe sich die Ampel nicht ausreichend um eine Reform der Parteienfinanzierung gekümmert, bemängeln die Initiativen. Und das, obwohl sich die Koalitionäre in ihrem Koalitionsvertrag darauf verständigt hatten. Der Bremsklotz sei aus Sicht der Initiativen die SPD – Grüne und FDP haben sich bereits für eine Reform ausgesprochen.
Der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour erklärte im Herbst 2022:
Auch die FDP-Bundestagsfraktion hat sich bereits für ein Stiftungsgesetz mit festen Kriterien ausgesprochen. SPD-Parlamentsgeschäftsführer Johannes Fechner hatte gesagt, seine Partei sei nicht gegen eine gesetzliche Regelung. Entscheidend sei aber die Frage: "Was soll da drinstehen? Mit welchen Kriterien können wir hier agieren, um zu verhindern, dass Demokratiefeinde Steuermittel bekommen?" Hierzu erhoffe man sich Hinweise aus dem Urteil der Verfassungsrichter, das am Mittwoch, dem 22. Februar um 10 Uhr erwartet wird.
Die Hoffnung der Initiativen ist nun, dass das Urteil aus Karlsruhe den Gesetzgebungsprozess beschleunigen könnte.
(Mit Material von dpa)