Es hat sich viel geändert seit März 2020, als das Coronavirus SARS-CoV-2 Deutschland überrollte und ein großer Teil des Landes in den ersten Lockdown ging. Maskenpflicht, Zugangsbeschränkungen und Abstandsregeln, Impfnachweise und Testpflichten: Immer wieder haben Regierungen und Parlamente die Regeln geändert. Eines aber ist gleich geblieben: Wer positiv auf das Virus getestet wird, muss 14 Tage lang zu Hause bleiben, in Quarantäne, das gilt im Dezember 2021 wie im März 2020.
In den nächsten Tagen aber könnte sich auch diese Regel ändern.
Das liegt an der Omikron-Variante des Coronavirus, die sich seit Wochen weltweit rasant ausbreitet. Sie ist erheblich ansteckender als vorherige Varianten und sorgt von den USA bis Spanien, von Italien bis Großbritannien für rasant steigende Fallzahlen. In Deutschland dürfte es aus Sicht der meisten Experten ebenfalls bald so weit sein. Die gute Nachricht: Es deutet inzwischen einiges darauf hin, dass Omikron deutlich seltener für schwere Verläufe der Krankheit Covid-19 sorgt.
Die schlechte Nachricht: Weil sich Omikron so rasch ausbreitet, werden deutlich mehr Menschen als vorher positiv auf das Virus getestet. Auch, weil die bisher verfügbaren Impfstoffe weniger gut gegen eine Ansteckung mit der neuen Variante schützen. Die Folge: Eine rekordverdächtig hohe Zahl an Menschen muss in Quarantäne.
Dadurch könnten in zentralen Bereichen des öffentlichen Lebens bitter benötigte Arbeitskräfte fehlen: Lkw-Fahrer, die Lebensmittel in Supermärkte bringen. Menschen, die diese dort in Regale einräumen. Feuerwehrleute, Ärzte, Krankenpfleger und Polizisten, ohne die die Notfallversorgung in Gefahr ist.
Womit wir wieder bei der Forderung wären, die Quarantänezeit zu verkürzen.
Ein prominenter Vorstoß für neue Regeln kam kurz nach Weihnachten von der bayerischen Staatsregierung. "Wir können bei einer rasant wachsenden Epidemie nicht einfach das ganze Land von einem Tag auf den anderen lahmlegen", sagte Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder am Dienstag gegenüber "Bild".
Auch Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek sprach sich für eine verkürzte Quarantäne aus. Der CSU-Politiker sagte, ebenfalls am Dienstag, im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF: "Es ist schon wichtig, dass wir da die Quarantäne überprüfen." Er erwarte, dass das Robert Koch-Institut dazu sehr zeitnah Vorschläge vorlegen werde.
Gegenüber watson konkretisierte Holetschek seine Überlegungen. Der CSU-Politiker erklärte zunächst, man brauche vor einer Entscheidung über verkürzte Quarantänezeiten "aussagekräftige wissenschaftliche Daten." Holetschek wörtlich: "Diese müssen aus meiner Sicht vom RKI und dem Expertenrat auf Bundesebene zur Verfügung gestellt werden. Sie müssen Stellung nehmen und der Politik etwas an die Hand geben, auf dessen Basis wir entscheiden können. Klar ist: Wir sehen eine Zunahme der Omikron-Fälle, auch wenn die Zahlen zum Glück momentan noch langsamer steigen als befürchtet." Nichtsdestotrotz werde "Omikron die Delta-Variante innerhalb der kommenden Wochen verdrängen."
Der Minister ergänzte mit Blick auf die Omikron-Variante:
Andere Staaten haben ihre Quarantäne-Regeln inzwischen geändert. Dazu gehört die US-amerikanische Gesundheitsbehörde Centers for Disease Control and Prevention (CDC): Nach einer Infektion mit dem Coronavirus können Betroffene in den USA ihre Isolation jetzt von zehn auf fünf Tage verkürzen, wenn sie keine Symptome haben und an fünf weiteren Tagen eine Maske tragen. Die CDC begründet das unter anderem mit wissenschaftlichen Erkenntnissen, denen zufolge die meisten Ansteckungen früh im Krankheitsverlauf stattfänden.
Der US-amerikanische Epidemiologe Eric Feigl-Ding hat die neuen Regeln scharf kritisiert. Auf Twitter bemängelte er insbesondere, dass die CDC Menschen erlaube, die Quarantäne ohne negativen Corona-Test frühzeitig zu verlassen – während etwa in Großbritannien zwei aufeinander folgende Negativtests dafür erforderlich seien.
Wie könnten deutschlandweite Regeln für eine kürzere Quarantäne in Deutschland aussehen? Das von Karl Lauterbach (SPD) geführte Bundesgesundheitsministerium ließ eine Anfrage von watson dazu unbeantwortet. Am Montag hatte das Ministerium gegenüber der "Tagesschau" noch erklärt, es bestehe "im Moment" kein Anlass dazu, die Regeln zu verändern. Lauterbach könnte seine Position dazu aber offenbar bald ändern: Der "Spiegel" berichtete am Mittwoch, Lauterbach überprüfe gerade eine verkürzte Quarantänezeit. Dazu würden gerade Daten zur Omikron-Variante ausgewertet.
Das Thema dürfte auch eine Rolle beim nächsten Treffen der Ministerpräsidenten der Bundesländer mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zur Corona-Lage sein. Die Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) soll am Freitag, den 7. Januar, stattfinden.
Der Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen äußerte sich gegenüber watson zurückhaltend zu einer verkürzten Quarantänezeit. Er halte sie "derzeit für kontraproduktiv". Andererseits müsse man bereit sein, kurzfristig auf neue Entwicklungen zu reagieren. Dahmen ergänzte daher: