Der Ausgang der Midterms in den USA könnte den Einfluss der Regierung von Joe Biden auf die US-Politik stark einschränken. Bild: IMAGO/Cover-Images
Analyse
Am 8. November ist "Election Day" in den USA. Es wird ein langer und spannender Tag. Die Stimmen werden wohl bis in die späten Abendstunden ausgezählt. Expert:innen warnen: Für Amerikas Demokratie stehe viel auf dem Spiel.
Passend zum Drama findet in der Wahlnacht auch noch eine totale Mondfinsternis statt, die zu einem Blutmond führt. Ein positiver Energieschub aus dem Kosmos? Annika Brockschmidt erhofft sich wohl, dass die Midterms unter einem guten Stern stehen. "Denn es ist keine normale Zwischenwahl: Die Demokratie steht zur Abstimmung", verkündet die USA-Expertin auf Twitter.
Wahlleugner:innen könnten in einflussreiche Ämter gelangen
Brockschmidt erklärt weiter, dass sehr viele republikanische Kandidat:innen offen zugeben: Sie wollen das demokratische System von innen heraus zerstören. Diese Leute können in einflussreiche Positionen gelangen.
Es werden 35 Sitze im Senat neu besetzt und das Repräsentantenhaus neu gewählt sowie neue Gouverneur:innen und "Secretaries of State" ernannt.
Die Gouverneur:innen der Bundesstaaten sind vergleichbar mit den Ministerpräsident:innen der Bundesländer in Deutschland. "Secretaries of State" sind so etwas wie die Innenminister:innen und die obersten Wahlaufseher:innen in einem Bundesstaat. In vielen Staaten liegt es in ihrem Einfluss, Nachzählungen nach Wahlen anzuordnen oder auch sich zu weigern, ein Wahlergebnis anzuerkennen.
Laut Brockschmidt können damit sogenannte Wahlleugner:innen den Ausgang zukünftiger Wahlen manipulieren. Bis heute halten viele MAGA-Republikaner – also die, die an Trumps "Make America great again"-Philosophie glauben – daran fest, dass Joe Biden 2020 die Wahl gestohlen habe.
MAGA-Republikaner zermürben Vertrauen in das Wahlsystem
In einem Interview mit dem US-Fernsehsender "CNN" wich die Republikanerin Kari Lake der Frage aus, ob sie eine Wahlniederlage akzeptieren würde. "Ich werde die Wahl gewinnen und dieses Ergebnis akzeptieren", antwortete sie. Die Moderatorin stellte die Frage erneut und wieder gab Lake Wort für Wort die gleiche Antwort. Sie werde ihren Sieg als Ergebnis akzeptieren.
Laut des Magazin "Atlantic" ist Lake die "führende Lady der MAGA-Bewegung" von Donald Trump. Mit ihrer rechtsextremen Position will sie Gouverneurin von Arizona werden.
Für den USA-Experten Dominik Tolksdorf ist es einer der größten Fragen: Werden die Republikaner das Wahlergebnis anerkennen? "Wenn die Politiker und Wähler:innen die Wahlen anfechten, kann es durchaus zu Demonstrationen kommen", sagt er gegenüber watson. Auch politische Gewalt schließe er nicht komplett aus.
Es sei eine besorgniserregende Entwicklung, dass viele Amerikaner:innen dem Wahlsystem nicht mehr vertrauen, meint der Politikwissenschaftler von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. "Es besteht tatsächlich in einigen Bundesstaaten die Gefahr, dass künftige Wahlen nicht mehr fair ablaufen werden", meint er.
Die anti-demokratischen Kandidat:innen der Republikaner könnten nach den Zwischenwahlen wichtige Ämter auf Ebene der Bundesstaaten – wie etwa in Arizona oder Pennsylvania – besetzen. Damit gewinnen sie an enormen Einfluss auf künftige Wahlprozesse sowie die Zertifizierung der Ergebnisse.
Der amtierende US-Präsidenten Joe Biden könnte bei den Midterms die knappe Mehrheit im Kongress verlieren. Bild: AP / Patrick Semansky
Doch welche möglichen Ausgänge der Midterms gibt es und was bedeuten sie für die Regierung des amtierenden Präsidenten Joe Biden?
Die Journalistin Amber Phillips hat für die amerikanische Tageszeitung "Washington Post" die drei wahrscheinlichsten Szenarien analysiert.
Szenario 1
Republikaner gewinnen das Repräsentantenhaus
Laut Amber würde dieses Ergebnis den Kongress spalten. Die Republikaner seien dann in der Lage, finanzielle Unterstützungen mitzubestimmen, etwa für die Ukraine oder für Sozialhilfeprogramme.
Sie könnten auch laufende Untersuchungen zum 6. Januar einstellen, als Trump-Anhänger:innen das Kapitol gestürmt haben. Stattdessen sei es möglich, dass Republikaner andere Untersuchungen ins Leben rufen, unter anderem über die FBI-Razzia in Trumps Anwesen in Mar-a-Lago Anfang August.
Und die Demokraten? Ihnen bleibt die Mehrheit im Senat bei diesem Szenario. Amber zufolge könnten sie damit nur weitere Richter:innen ins Amt heben.
Szenario 2
Republikaner gewinnen Senat und Repräsentantenhaus
Bei diesem Szenario sind die Republikaner in der Lage, Bidens Agenda komplett den Wind aus den Segeln zu nehmen. Laut Amber kann es zu enormen Kürzungen im sozialen Bereich kommen. Ein von den Republikanern angeführter Kongress könnte auch ein nationales Abtreibungsverbot voranbringen.
Szenario 3
Demokraten behalten Senat und Repräsentantenhaus
Sollten die Demokraten beide Kammern halten können, sei es ihnen möglich, ihren politischen Kurs zu halten. Dieses Szenario ermöglicht ihnen, etwa Gesetze zum Schutz der gleichgeschlechtlichen Ehe durchzubringen. Auch gelinge es ihnen, den Zugang zu Verhütungsmitteln und Abtreibungsmöglichkeiten zu schützen.
Laut Amber seien die Chancen für dieses Szenario aber am geringsten. Die aktuell amtierende US-Regierung verliert fast immer bei Zwischenwahlen Sitze im Kongress.
Trump steht in den Startlöchern
Der amerikanischen Journalistin zufolge ist das Eintreten einer der beiden ersten Szenarien wohl am wahrscheinlichsten. Der Biden-Regierung stünden somit bis zur Präsidentschaftswahl 2024 zwei holprige Jahre bevor. Je höher der Sieg für die Republikaner ausfällt, desto mehr wird sich auch Donald Trump darin berufen fühlen, für den Sitz im Weißen Haus wieder zu kandidieren. Der 76-Jährige äußerte sich dazu:
"Um unser Land erfolgreich, sicher und ruhmreich zu machen, werde ich es sehr, sehr, sehr wahrscheinlich wieder tun."
"Macht euch bereit", lauteten seine Worte bei einer Wahlkampfveranstaltung der Republikaner in Sioux City im Bundesstaat Iowa.
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) ist einer der beliebtesten Politiker Deutschlands. Ganz anders als sein Chef, Bundeskanzler Olaf Scholz. Der will trotzdem Kanzlerkandidat seiner Partei werden.